Das Verhältnis zwischen der neuen Regierung unter Sebastian Kurz hat sich zu einigen europäischen Spitzenpolitikern verbessert, in anderen Beziehungen gibt es Spannungen. Eine Übersicht:
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- Höchstes Lob von den EU-Präsidenten
Nicht zuletzt weil die FPÖ im Mai 2017 den aggressiven Anti-EU-Wahlkampf von Front-National-Chefin Marine Le Pen begrüßte, sorgte die Aussicht auf Türkis-Blau für Beunruhigung in EU-Institutionen. ÖVP-Chef Sebastian Kurz begegnete dem, indem er vier Tage nach der Nationalratswahl Mitte Oktober nach Brüssel fuhr. Er versicherte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk am Rande eines EU-Gipfels, dass es mit ihm nur "eine proeuropäische Regierung geben wird oder gar keine".
Die beiden Christdemokraten sprachen ihm Vertrauen aus. Zwei Monate später kam Kurz als angelobter Bundeskanzler vor der Regierungserklärung wieder, den Koalitionspakt in der Tasche. Dieser sei "stimmig, in deutlich europäischer Tonalität", lobte Juncker nun. Parlamentspräsident Antonio Tajani, den Kurz neben Tusk auch traf, legte noch eins drauf: Mit "diesem jungen Bundeskanzler wird Europa große Fortschritte machen". Zur FPÖ aber gibt es Distanz.

- Schöne Feindseligkeiten aus dem Palast in Ankara
Außenministerin Karin Kneissl wird nächste Woche bei ihrem Antrittsbesuch in Ankara schon einmal die Wassertemperatur testen, aber klar ist: Große Freunde werden Tayyip Erdoğan, der autoritär regierende türkische Staatspräsident, und Kanzler Sebastian Kurz nicht. Eher schon beste Feinde.
Mit der ungeschminkt formulierten Absage an den EU-Beitritt der Türkei im Koalitionsvertrag hat der neue Kanzler gleich Brücken abgebrochen.
Aber dann wiederum dreht sich ohnehin der Wind in Europa für die Türkei. Dass das Thema Beitritt vom Tisch sei und etwas anderes für Ankara gefunden werde, habe die türkische Führung in Wahrheit nun akzeptiert, sagen Beobachter des Präsidentenpalasts. Islamfeindlichkeit wirft Ankara der österreichischen Regierung vor. "Diktatorische Züge" diagnostizierte Sebastian Kurz bei Erdoğan. Den ungehörigen Bub in Wien wollte Erdoğan nicht für voll nehmen. "Was ist schon dein politischer Werdegang, wie alt bist du?", polterte er im vergangenen Sommer in einer Rede. Die Antwort: 31 und Kanzler.

- Familienkrach mit Visegrád-Brüdern
Im Wahlkampf war es noch ein Streitthema zwischen dem späteren Kanzler und seinem Vize. Wer habe wohl wirklich das bessere Verhältnis zu Viktor Orbán, wurde danach gerätselt: Sebastian Kurz oder doch Heinz-Christian Strache? Auch sonst wurde eine Annäherung an "Visegrád" (Ungarn, Polen, Tschechien, Slowakei) erwartet.
Tatsächlich verbindet Kurz mit seinen nationalkonservativen Amtskollegen in Budapest und Warschau mehr als nur viele Ansichten in der Flüchtlingsfrage. Auch in vielen Bereichen der Wirtschaftspolitik fände man wohl schnell eine gemeinsame EU-Linie. Und was die Abgabe nationaler Kompetenzen an Brüssel betrifft – bei der Kurz ebenso bremst wie die Visegrád-Länder –, ist man sich zumindest schon nahe.
Aber: Die österreichischen Pläne für eine Anpassung der Familienbeihilfe für Kinder im EU-Ausland sind in allen vier Ländern nicht gern gesehen. In einem Interview mit der FAZ ließ Kurz am Mittwoch auch durchklingen, dass er im Streit mit Polen in Sachen Rechtsstaat die Linie der EU-Kommission stützt.
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- Wolken im sonnigen Verhältnis zu Rom
Auch wenn der Regierungschef Italiens nach den Wahlen am 4. März wohl nicht mehr Paolo Gentiloni heißen wird: Das Verhältnis Österreichs zu seinem südlichen Nachbarn mag jahrzehntelang sonnig gewesen sein – doch zuletzt sind vereinzelt Wolken aufgezogen.
Zunächst sorgten nämlich Aussagen im österreichischen Wahlkampf im Sommer und Herbst 2017 für Irritationen in Rom. Da wurde als Reaktion auf eine angeblich völlig ineffiziente Asylpolitik Italiens laut über die Stationierung österreichischer Panzer am Brenner nachgedacht. Rom reagierte im Rahmen der üblichen Möglichkeiten diplomatischer Höflichkeit sichtbar sauer.
Und nun propagiert die Regierung von Sebastian Kurz die Idee, Südtirolern deutscher Muttersprache die Doppelstaatsbürgerschaft anzubieten – was in Rom und Bozen hinter den Kulissen für Aufregung sorgt. Nach außen hin gibt man sich aber nach wie vor "ausgesprochen amikal", wie Außenministerin Karin Kneissl nach ihrer ersten Rom-Reise betonte.
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- Freundschaft mit Paris trotz Differenzen
Frankreich zählte im Jahr 2000 zu den schärfsten Kritikern der schwarz-blauen Regierung in Wien. Derzeit dominieren aber freundschaftliche Töne, wie beim Paris-Besuch von Kanzler Sebastian Kurz vergangene Woche: Gastgeber Emmanuel Macron dankte dem "lieben Sebastian", dass er ihn mit seinem ersten bilateralen Besuch in der EU beehrt habe.
Bei Migration herrscht nach außen Einigkeit, beide sprechen sich etwa für eine Stärkung der EU-Außengrenzen aus. Kurz sieht allerdings Migration bzw. den Kampf dagegen als EU-Priorität, während Macron die Union wirtschaftlich voranbringen will. Differenzen zeigen sich auch bei Sozialunion und EU-Budget. Kurz betonte etwa, die Union müsse nach dem Brexit sparsamer werden, Macron forderte, statt über Zahlen über Inhalte zu sprechen. Macrons Idee einer EU der verschiedenen Geschwindigkeiten erteilte Kurz eine Absage. Macron attestierte Kurz zwar eine "europäische Ambition" und würdigte das "absolut den europäischen Werten" entsprechende Regierungsprogramm, äußerte aber auch Befürchtungen bezüglich der FPÖ.

(tom, mesc, mab, gian, maa, 18.1.2018)