"Plus-Minus" mit Roland Gnaiger 1987 – wiederzusehen im VAI Dornbirn.

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Dornbirn – Was ist gute Architektur? In den 1980er- und 1990er-Jahren gab darauf das lokale Fernsehen klare Antworten. Einmal wöchentlich hieß es via "Österreich-Bild" und später "Vorarlberg heute": "Plus-Minus". Das Vorarlberger Architekturinstitut (VAI) zeigt nun eine Retrospektive.

Roland Gnaiger, heute Architekturprofessor an der Universität Linz, damals junger Architekt, präsentierte in 151 Sendungen Positiv- und Negativbeispiele von Bauwerken. Viereinhalb Minuten dauerten die Beiträge. Gnaiger sprach Klartext, pointiert und für Laien verständlich.

Er scheute sich nicht vor Kritik am Drang zum Einfamilienhaus, nahm Lieblingsthemen von Hausbesitzern wie Fassadenfarben und Gartenzäune auf, thematisierte aber auch Interessenkonflikte, kritisierte öffentliche Bauten und Prunkbauten von Unternehmen. Begriffe wie Zersiedelung, Verhüttelung, Landschaftsverbrauch, Flächenfraß wurden Herrn und Frau Vorarlberger, bekanntermaßen leidenschaftliche Hüslebauer, dadurch geläufig.

Architekturkritik für die breite Masse

Die Idee zur Fernsehkritik hatte der damalige ORF-General Gerd Bacher. Nur zwei Bundesländerstudios nahmen sie ernst: Vorarlberg und Oberösterreich, dort gestaltete die Beiträge der Architekturkritiker Friedrich Achleitner. In allen anderen Landesstudios beschäftigten sich Landes- oder Magistratsbeamte mehr oder weniger dienstbeflissen mit der Thematik.

Das Vorarlberger Architekturinstitut holte für seine aktuelle Ausstellung die Filme aus dem Archiv der Landesbibliothek. "Die öffentliche Beschäftigung mit Architektur und Bauen wurde wesentlich durch diese Serie bestimmt", sagt VAI-Leiterin Verena Konrad. Sie selbst habe sich vor fünf Jahren – damals neu in ihrer Funktion und im Bundesland – über das Archivmaterial von "Plus-Minus" ein Bild von Vorarlberg und seinen Menschen gemacht. "Was ich von Roland Gnaiger in den Beiträgen beschrieben bekam, deckte sich in vielem mit meinem zeitgenössischen Befund."

Empörte Reaktionen

"Architektur verständlich machen, aus der Beliebigkeit der Geschmacksfrage befreien", war Gnaigers Ziel. Er zeigte auf, "dass es für Qualität von Architektur Kriterien gibt, dass man sie argumentieren und diskutieren kann". Das kam nicht immer gut an. Hätte es damals schon Facebook und Co gegeben, wären ihm Shitstorms gewiss gewesen.

Nahm sich Gnaiger "des Kampfs Rustikalismus gegen Moderne" an, der sich in den Tourismusbauten manifestierte, war die Empörung groß. Ulrich Herburger, damals Ressortleiter, erzählt von heftigen (Telefon-)Reaktionen: "Für mich ein Indiz, dass 'Plus-Minus' wirkte. Wir wollten den Diskurs ja anregen."

Ingrid Adamer, als Kulturredakteurin mitverantwortlich für die Sendereihe, resümiert: "'Plus-Minus' als grundlegende Architekturkritik in einem regionalen Medium war neu und blieb unerreicht." Damals habe der ORF Haltung gezeigt, habe seinen Kulturauftrag wahrhaft gelebt.

Dauerthema Flächenverbrauch

Vieles hat sich an der Baukultur seither verbessert. Vorarlberger Holzbaukunst ist international anerkannt, Ausstellungen zum Architekturland wie aktuell "Getting Things Done" touren durch die Welt. Heil ist die gebaute Vorarlberger Welt aber nicht.

Spekulation mit Grund und Boden prägt die (Bau-)Landschaft. Mehrgeschoßbauten mit teuren Eigentumswohnungen, begehrt bei reichen Zweitwohnungsbesitzern, wachsen wie Pilze aus dem Boden. Gewerbebauten werden immer noch bodenverschwendend eingeschoßig errichtet. Würde man heute Ähnliches wie "Plus-Minus" machen, müsste man Siedlungsagglomerationen und Landschaftsräume zum ausschließlichen Thema machen, schreibt Bruno Spagolla, der nach Gnaiger die Kritiken für den ORF verfasste, im Begleittext zur Ausstellung.

Das wesentliche Thema, der sorgfältige Umgang mit der Ressource Boden, sei immer noch ein Dauerbrenner, mahnt Gnaiger. Die Politik solle sich dem Landschaftsverbrauch nicht weiter nur in Sonntagsreden, sondern wirkungsvoll widmen.

Ob sie das schafft, wird das neue Raumplanungsgesetz zeigen, dessen Entwurf gerade landhausintern die Runde macht, aber der Öffentlichkeit noch vorenthalten wird. (Jutta Berger, 18.1.2018)