Greifswald – Spinnen scheinen einen Hang zu rabiaten Fortpflanzungsmethoden zu haben. Dass bei einigen Arten die Männchen von den größeren Weibchen unmittelbar nach dem Paarungsakt – oder sogar noch währenddessen – aufgefressen werden, ist weithin bekannt. Erst seit kurzem weiß man aber, dass bei anderen Arten die Weibchen zu Opfern werden. Sie werden zwar nicht gefressen, aber dafür verstümmeln die Männchen ihre Geschlechtsorgane.

Näheres zu diesem Phänomen berichtet nun die Uni Greifswald. Forscher der Universität haben sich zusammen mit Kollegen von der finnischen Universität Jyväskylä näher mit dem Phänomen befasst. Sie stellten ein Muster fest und konnten daraus ein mathematisches Modell entwickeln, unter welchen Umständen die Evolution zur gezielten Verstümmelung durch den Paarungspartner führen kann. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin "Royal Society Open Science" veröffentlicht.

Wie man(n) Konkurrenz ausschließt

Die Forscher Pierick Mougino und Lutz Fromhage weisen darauf hin, dass Männchen und Weibchen oft verschiedene Interessen haben, da beide Geschlechter ihren Reproduktionserfolg durch Paarungen mit mehreren Partnern steigern können. Daher haben Männchen in der Evolution vielfältige "Tricks" entwickelt, damit dennoch ihr Erbgut weitergegeben wird, und nicht das eines Konkurrenten.

Paarungssequenz der Spinnenart Larinia jeskovi.
Uhl Lab

Zum Repertoire zählen Bewachung der Weibchen nach der Paarung, die Verabreichung chemischer Anti-Aphrodisiaka oder im Extremfall Verletzungen der weiblichen Genitalien. In einer früheren Studie über die Radnetzspinne Larinia jeskovi hatte der Greifswalder Forscher Pierick Mouginot bereits gezeigt, wie die Verstümmelung stattfindet: Während der Paarung zwicken die Männchen mit ihren Kopulationsorganen eine äußere Struktur (den Scapus) der weiblichen Genitalregion ab. Dieser Scapus wird primär zur Verhakung der männlichen Kopulationsorgane verwendet. Ohne ihn ist eine Kopplung der Genitalien nicht mehr möglich.

Geringere Zahl an Nachkommen in Kauf genommen

Solche Genitalverstümmelung kommt bei vielen Arten von Webspinnen vor, ist jedoch evolutionsbiologisch nicht einfach zu erklären. Schließlich bringt diese auch für das Männchen reproduktive Einbußen mit sich, wenn das Weibchen durch die Verletzung weniger Nachwuchs produziert. Mit einem spieltheoretischen Modell testeten die Forscher die Voraussetzungen, unter denen es evolutionär zur gezielten Verstümmelung weiblicher Genitalien kommt.

Laut dem Modell ist die Voraussetzung für die Evolution eines solchen Verhaltens, dass sich ursprünglich die Weibchen dieser Arten mit mehreren Männchen verpaaren und dass das letzte Männchen die meisten Nachkommen bekommt. Überraschend ist allerdings der Befund, dass die Schädigung der weiblichen Paarungsorgane selbst dann erhalten bleibt, wenn die verletzten Weibchen als Konsequenz weniger Nachkommen produzieren können. Für die Männchen rechnet sich die Verstümmelung letztlich also. (red, 22. 1. 2018)