Jahreswechsel sind meistens koch-, ess- und trinkintensiv, im Jänner ist mir daher öfter nach einfacherer Kost – etwa gekochtem Riesenrettich. In Österreich und Deutschland wird der Riesenrettich, soweit ich weiß, nur roh gegessen, dünn aufgeschnitten, und bevorzugt zu Bier. Das ist zwar gut, trotzdem hat er sich nie so ganz durchsetzen können auf dem Gemüsemarkt. In Asien, vor allem Japan, wo er auch gern gegart wird, ist er hingegen ein Star.

Foto: Tobias Müller

Richtig zubereitet schmeckt er zart rauchig, süß und für ein Gemüse erstaunlich fleischig, mit Kohlnoten und einem Überschuss an Wohlfühlaromen, die einem an einem kalten Winterabend Magen und Seele wärmen. Als Draufgabe hat er eine ganz eigene, weiche, aber doch bissfeste Konsistenz, sodass es großen Spaß macht, die Zähne in ihn zu versenken. Nur mit einer Schüssel Reis (eventuell ein bisserl hausvergorenem Gemüse) und in seiner eigenen Suppe schwimmend ergibt er ein erfrischend simples, enorm befriedigendes, auf ganz eigene Art beruhigendes Essen. Wem das doch zu frugal ist: Gekochter Riesenrettich ist auch eine wunderbare Beilage, etwa zu gebratenem Fisch oder frittiertem Huhn.

In Japan ist Rettich in Dashi gekocht weit verbreitet. Das Gericht heißt Daikon Fukume-ni (Daikon ist der japanische Name für den weißen Riesenrettich, was übersetzt schlicht so viel wie "große Wurzel" bedeutet) und ist ein essenzieller Snack in sämtlichen Izakayas, den Bier- und Sake-Beisln – vergleichbar vielleicht mit dem kleinen Gulasch oder Würsteln mit Saft in Wien. Hinter fast jeder Izakaya-Bar ziehen Daikonscheiben in heißer Brühe vor sich hin. Serviert werden sie in einer kleinen Schüssel mit etwas Suppe und einem ordentlichen Klecks scharfen Senfs, der ganz wunderbar zu ihrem mild-kohligen Aroma passt. Gern landen daneben noch Köstlichkeiten wie Oktopus-Arme, Fischküchlein oder gekochte Eier auf dem Teller – der Rettich aber ist auch auf sich allein gestellt wunderbar.

Foto: Tobias Müller

Es gibt wenig Schöneres an einem kalten japanischen Winterabend, als an einer Izakay-Bar Platz zu nehmen und umwabert von Suppen- und Sake-Dampf zu plaudern, Rettich zu naschen und warmen Sake zu schlürfen. Und weil die Zubereitung des Daikons furchtbar einfach ist, gibt es überhaupt keinen Grund, ähnliches nicht auch in Österreich zu tun. Die wunderbaren Menschen von der Bioschanze zum Beispiel haben meistens ganz köstlichen, frischen Daikon im Angebot (wenn sie nicht gerade, wie jetzt, auf Winterpause sind), die Wurzel ist aber auch in allen Asia-Shops fast immer vorrätig. Kaufen Sie knackig-festen, nicht verschrumpelten Daikon.

Daikon verträgt eine erstaunlich lange Kochzeit – es ist sogar relativ schwierig, ihn zu übergaren. Für das Rezept wird er zuerst in Wasser oder Reiswaschwasser vorgekocht: Das (Reis-)Wasser soll unangenehme Nebengeschmäcker entfernen. Ich kann mir außerdem vorstellen, dass die Taktik ähnlich wie bei Bohnen helfen soll, blähende Stoffe aus dem Rettich zu bekommen. Anschließend wird er in Dashi weitergegart.

Daikon Fukume-ni (oder Daikon Oden), Riesenrettich in Dashi gekocht

Dashi machen dauert gerade einmal 15 Minuten und ist wirklich nicht schwer. Alles, was Sie brauchen, ist ein wenig Kombu (Algen) und Katsubushi (dünne Flocken getrockneten, geräucherten, fermentierten Bonitos). Weil aber der gekochte Rettich für mich ein einfaches, schnelles Essen ist, greife ich meist zu Instant-Dashi, einer Art japanischem Suppenwürfel.

Im Gegensatz zur europäischen Variante wird Instant-Dashi nicht in Wasser aufgelöst: Es wird als Würzpulver in einer Art Teesack verkauft, das dann im heißen Wasser ziehen darf. Ich gestehe, ich bin privilegiert, ich bekomme mein Instant-Dashi von einer lieben Bekannten aus Kyoto (Danke, Mikako!), in japanischen (asiatischen) Lebensmittelläden ist es aber auch in Österreich problemlos zu bekommen – kosten Sie sich durch, und finden Sie eines, das Ihnen schmeckt.

Für zwei Esser reicht als Beilage je nach Größe ungefähr ein halber Daikon, die andere Hälfte der angeschnittenen Wurzel hält sich im Kühlschrank leicht eine Woche. Manche Daikon-Fukume-ni-Connaisseure meinen, dass der gekochte Daikon nach einer Nacht in seiner Suppe und wieder aufgewärmt noch besser schmeckt. Noch ein paar Worte zum Senf: Der ist meiner Meinung nach essenzieller Teil des Gerichts. Ich verwende Colmans Mustard Powder, das ich mit Wasser und etwas Mirin mische. Das kommt am ehesten an scharfen japanischen Senf heran.

Foto: Tobias Müller

Die Zubereitung dauert etwas mehr als eine Stunde, der allergrößte Teil ist aber nur Kochzeit: Den Daikon schälen und in etwas mehr als fingerdicke Scheiben schneiden, die an einen Eishockeypuck erinnern.

Foto: Tobias Müller

Japaner schneiden nun noch die Kanten schräg ab – das mag hübsch aussehen, ich lasse das trotzdem bleiben. In einen Topf geben, mit kaltem (Reiswasch-)Wasser bedecken, zum Kochen bringen und 30 Minuten köcheln lassen, bis der Daikon ein wenig durchsichtig wird.

Foto: Tobias Müller

Derweil Dashi oder Instant-Dashi nach Packungsanleitung zubereiten. Ein halber Liter sollte für einen halben Daikon reichen.

Foto: Tobias Müller

Die Daikon-Scheiben abgießen, den Topf waschen, die Wurzel wieder hineingeben und mit dem Dashi bedecken.

Foto: Tobias Müller

Einen Schuss Mirin und drei, vier Esslöffel helle Sojasauce dazugeben. Zum Kochen bringen und weitere 30 Minuten köcheln. Den Daikon in eine Schüssel geben, mit heißer Suppe bedecken und mit scharfem Senf servieren. (Tobias Müller, 19.1.2018)

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