Eine Trauerfeier sieht üblicherweise anders aus: "Homohalal" am Pool im Werk X.

Foto: Yasmina Haddad

Wien – "Dein Gesicht ist immer noch die beste Verhütung." Auweia, da hat man sich wahrlich nicht verhört, als bei der Familienfeier ein Mann launig eine alte Freundin begrüßt. Die Bezeichnung "böse" für Ibrahim Amirs Komödien ist immer wieder eine Untertreibung. Schon sein Initialstück, das 2013 mit dem Nestroypreis ausgezeichnete Habe die Ehre, scheute keine Tabus. Vor allem solche nicht, die in interkulturellen Konflikten oft auf die politisch korrekte lange Bank geschoben werden.

Auch im jüngsten Stück Heimwärts, das derzeit in der Volkstheater-Zweigstelle Volx läuft, geht der 1984 in Syrien geborene Autor hart an Grenzen. Vor zwei Jahren aber war es dem Volkstheater noch zu viel; die Aufführung der Komödie Homohalal wurde abgesagt. Damals, unmittelbar nach dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle, fürchtete man, das Stück könnte missverstanden werden. Die Uraufführung fand schließlich in Dresden statt. Nun holt es das Werk X in einer beeindruckenden Inszenierung von Ali M. Abdullah zurück nach Wien. Heute lässt sich nur schwer nachvollziehen, warum Homohalal vor zwei Jahren auf eine Dystopie der nahen Zukunft (es spielt im Jahr 2037) reduziert wurde.

Damals in der Votivkirche

Es geht so: Bei einer Trauerfeier anno 2037 kommen Freunde, interkulturelle (Ex-)Paare, zusammen. Sie blicken zurück auf 2015, als sie sich im Flüchtlingscamp der Votivkirche kennengelernt haben, blicken zurück auf die Regierungsbildung 2018, auf die folgenden Jahre der Eskalation zwischen Rechtsradikalen und der eigenen, nicht gewaltfreien "integrativen Widerstandsbewegung". Abdul kam in Haft.

Ibrahim Amir befreit die Figuren aus den Opferrollen und zeigt sie uns als jene Menschen, die wir selber sind: blöd, eifersüchtig, undiplomatisch, homophob, aggressiv, beleidigt usw. Diesen Emanzipationsschritt verstärkt Regisseur Abdullah und lässt Said und Co gegen jedes verfestigte "Ausländer"-Framing als äußerlich völlig heterogenen Haufen erscheinen: blond und schwarzhaarig, dunkel- und hellhäutig. Die Regie unterwandert auf diese Weise eine stets auf Fremdheit pochende, weit verbreitete Bildsprache.

Wo Gesellschaft gespalten wird

Hinzu kommt ein cooles Setting am Swimmingpool (Bühne: Renato Utz), das den Asylsuchenden von einst ein erfolgreiches Auskommen bescheinigt. Sie haben sich ein Leben in Wohlstand aufgebaut, den sie nun, 2037, verteidigen zu müssen glauben. Das ist der Kern der Farce: Wir sehen in ihnen uns selbst. Gesellschaft wird eben nicht dort gespalten, wo Nationen oder Religionen enden, sondern dort, wo Menschen ihre Würde genommen wird. Abdul, der für die anderen mit Gefängnis zahlte, steht eines Tages mit einem Benzinkanister am Pool.

Der Abend funkelt in seinen akkuraten Dialogen und performativen Wendungen. Die grandiosen Performer (Constanze Passin, Yodit Tarikwa, Daniel Wagner, Arthur Werner, Stephanie K. Schreiter, Christoph Griesser) opfern ihre Schauspielkunst nie der kabarettistischen Karikatur. Viel Schlagkraft liegt auch in der Utopie: 2037 gibt es nämlich nicht nur eine Imamin, sondern auch eine Art Gospel-Islam. (Margarete Affenzeller, 19.1.2018)