Die Unsicherheit für Familie Tikaev geht weiter. Von links nach rechts: Amirkhan (14), Roman (49), Alikhan (12), Amina (11), Arina (16) und Mutter Gulzara (36). Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou bietet für die Kinder täglichen Schultransport an.

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Schwechat/Wien – Im Fall der tschetschenischen Familie Tikaev, die samt ihren vier Kindern seit 2. Jänner unter permanenter Abschiebedrohung in einem Containerzimmer in der Betreuungsstelle Schwechat lebt, sei es nun an der Zeit zu handeln, meint Wiens grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou.

"Diese Containersiedlung ist ein trostloser Ort, für Kinder absolut ungeeignet – auch wenn sich das Personal der Betreuungsfirma ORS nach Kräften bemüht. Statt in die Schule zu gehen, haben die Kinder nichts anderes zu tun, als den ganzen Tag im Aufenthaltsraum vor dem Fernseher zu sitzen", sagt Vassilakou – und kündig im STANDARD rechtliche Schritte an.

Auch Anzeige erwogen

"Ich werde bei der zuständigen Kinder- und Jugendhilfe zeitnah eine Gefährdungsmeldung wegen Verletzung des Kindeswohls machen", sagt Vassilakou. Auch eine Anzeige erwägt sie: Die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erteilte Wohnsitzauflage, die mit einer Gebietsbeschränkung auf den Bezirk Schwechat verbunden ist, verunmöglicht den Kindern den Schulbesuch – und das seit inzwischen zwei Wochen. Dabei sind diese allesamt ehrgeizige Schüler, der zwölfjährige Alikhan etwa ist Klassensprecher in der 2b der Sportmittelschule Pastorgasse, die 16-jährige Arina macht, ihrem langjährigen Berufswunsch folgend, eine Ausbildung zur Kindergärtnerin.

Um den Schulausschluss zu beenden, hat Vassilakou einen konkreten Vorschlag: "Ich biete ab Montag für die Kinder täglich Schultransport an, morgens aus Schwechat nach Wien und abends wieder zurück."

Keine Rückmeldung von Kickl

Voraussetzung dafür ist, dass die Gebietsbeschränkung für die Kinder aufgehoben wird. Doch von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), mit dem sie seit Donnerstagmittag in Kontakt zu treten versuche, habe sie bisher keine Rückmeldung erhalten. Kickl, so Vassilakou, würde es "gut anstehen, die Örtlichkeit in Schwechat zu besuchen und sich ein Bild von der Familie zu machen".

Diese wurde am Freitag in der Betreuungsstelle von zwei Mitarbeitern des Vereins Menschenrechte Österreich (VMÖ) aufgesucht – mit der Frage, ob die Tikaevs bereit seien, aus Eigenem nach Russland zurückzukehren. Unter Hinweis auf den noch nicht entschiedenen Bleiberechtsantrag lehnte der Vater, Roman Tikaev (49), dies ab.

Lange Pausen der Behörden

Besagtes Bleiberechtsverfahren ist bis dato nicht beendet. Nach dem diesbezüglichen Antrag 2016 warteten die Tikaevs mehr als ein Jahr lang, ohne dass die Behörde einen erkennbaren Schritt unternommen hatte. Die erste diesbezügliche Einvernahme fand heuer am 3. Jänner statt. Da war die Familie bereits auf Basis eines Mandatsbescheids ins Rückkehrzentrum übersiedelt. "Mehr als ein Jahr ist eine sehr lange Zeit des Wartens und der Unsicherheit", kommentiert dies die Kinderrechtsexpertin bei der Asylkoordination, Katharina Glawischnig.

Auch das vorgehende Asylverfahren der Familie – es begann 2011 und wurde 2015 negativ beschieden – zeichnete sich durch große Pausen aus. Die Verantwortung für die lange Dauer der Verfahren liege "klar im Bereich der Behörden und Gerichte", schreibt der Anwalt der Familie, Christian Schmaus, in einer am Freitag beim BFA eingebrachten Stellungnahme.

Widerspruch zur Behördensicht

Die Familie habe "nie einen Behördentermin versäumt und sich immer kooperativ gezeigt", widerspricht er im STANDARD-Gespräch der Sicht der Behörden. Die Anträge auf Bleiberecht wegen guter Integration hält er aufrecht.

Kritik an der Behandlung der Tikaevs kam am Freitag auch vom Wiener Jugendstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ). "Jedes Kind hat grundlegende Rechte. Wenn Kinder wochenlang in einem Container leben müssen, ohne ihre Schulen besuchen zu können, läuft hier eindeutig etwas falsch", sagte er. (Irene Brickner, 19.1.2018)