Das Schuldscheindarlehen genießt große Popularität unter österreichischen Unternehmen und Investoren – die Probleme der Kika/Leiner-Mutter Steinhoff zeigen die Risiken dieses Finanzierungsinstrumentes auf.

Foto: Kika / Leiner

Wien – Bei der laufenden Restrukturierung der Steinhoff-Gruppe, die sich in einem hohen Ausmaß mittels Schuldscheindarlehen refinanziert hat, zeigen sich die Herausforderungen, die mit diesem Finanzierungsinstrument verbunden sind. Dies hat weitreichende Brisanz, denn das Schuldscheindarlehen genießt große Popularität unter österreichischen Unternehmen und Investoren.

Die knappe Dokumentation verspricht eine Zeit- und Kostenersparnis im Vergleich zur Erstellung eines Kapitalmarktprospekts oder der umfassenden Dokumentation für einen Konsortialkreditvertrag und macht diese Finanzierungsform dadurch attraktiv. Ein weiterer Vorteil für Unternehmen ist der weite Investorenkreis, der für eine Finanzierung gewonnen werden kann, da die variable Stückelung der Schuldscheindarlehen es auch Investoren mit kleinen Risikoappetit ermöglicht, sich mit einem geringen Anteil an großen Finanzierungen zu beteiligen.

Dadurch erreichen Unternehmen eine Diversifikation ihrer Kapitalgeber. Diese Vorteile bringen in der Unternehmenskrise allerdings Nachteile, die sich aus der Charakteristik des Schuldscheindarlehens ergeben.

Bilateraler Vertrag

Ein Schuldscheindarlehen ist ein bilateraler Darlehensvertrag nach deutschem Recht. Zu beachten ist, dass es keinen Organisationsrahmen für Kreditorenentscheidungen gibt, den etwa das deutsche Schuldverschreibungsgesetz für Anleihen (SchVG) vorsieht oder der in Konsortialkreditverträgen geregelt ist.

Aufgrund des Fehlens der Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen innerhalb der Kreditorengruppe, die für alle Darlehensgeber verbindlich sind, müssen im Fall von Entscheidungen etwa über einen Verzicht auf Einhaltung von Verpflichtungen (Covenants) oder bei Stundungen individuelle Vereinbarungen mit jedem Darlehensgeber einzeln getroffen werden. Dies ist in der Krise wegen des hohen Zeitdrucks und möglicher Interessenunterschiede bei den Darlehensgebern zweifellos herausfordernd.

Dominoeffekt

Auch für die Kündigung eines Schuldscheindarlehens ist keine Mehrheitsentscheidung der Darlehensgeber erforderlich. Damit besteht die Gefahr, dass die Kündigung eines einzelnen Gläubigers einen sogenannten Cross-Default bewirkt, d. h. einen Fälligstellungsgrund auch für andere Kredite schafft, und somit einen Dominoeffekt auslöst, der in die Insolvenz führen kann.

Um Einzelgänge zu vermeiden und ein koordiniertes Vorgehen der Darlehensgeber im Falle der Restrukturierung zu sichern, ist es notwendig, Gläubigervereinbarungen (Inter-Creditor-Agreements) zwischen den Kreditoren zu treffen. Darin werden inter alia Vertreter bzw. Ausschüsse nominiert, die federführend die Verhandlungen mit dem Unternehmen führen, und Beschlussgegenstände für Mehrheitsentscheidungen definiert, die für alle teilnehmenden Kreditoren verbindlich sind.

Derartige Gläubigervereinbarungen sind für das Gelingen der Restrukturierung wesentlich, da eine gemeinsame Willensbildung aufgrund der Inhomogenität der Gläubiger und deren unterschiedlichen Erfahrungsstand bei großen Sanierungen ein aufwendiges, oft auch schwieriges Unterfangen ist. Beispiele in Deutschland zeigen, dass mangels Konsensbildung Folgeinsolvenzen drohen.

Deutsches Recht

In Schuldscheindarlehen wird in der Regel die Anwendung deutschen Rechts vereinbart. Dies entspricht den Erwartungen der Marktteilnehmer und ist für die Platzierbarkeit bei den Investoren relevant. Eine sorgfältige Restrukturierung verlangt daher zusätzlich qualifizierte Kenntnisse des deutschen Rechts. (Roman Hager, Sven Tischendorf, 22.1.2018)