Das offensive Warnen führender Sozialdemokraten vor mehr Arbeitsmigration durch eine eventuelle Ausweitung beziehungsweise Regionalisierung der Mängelberufsliste hat eine Debatte über die Positionierung der SPÖ in Zuwanderungsfragen ausgelöst (hier, hier und hier etwa).

Oft werden in dieser Diskussion allerdings zwei Fragen vermischt. Zum einen: Ist es wahlstrategisch klug für die SPÖ, sich weiter rechts zu positionieren? Zum anderen: Ist es auch wünschenswert? Der weit verbreitete Unwille – oder die Unfähigkeit – anzuerkennen, dass die Antwort auf beide Fragen nicht zwangsläufig gleich lauten muss, gehört zu den intellektuell unbefriedigenderen Aspekten dieser Debatte.

Die erste Frage ist eine empirische – was nicht heißt, dass es eine völlig eindeutige Antwort geben muss. Die zweite Frage ist hingegen rein normativ. Wer aber darauf beharrt, dass das, was er oder sie für gut und richtig hält, auch automatisch Stimmen bringt, läuft Gefahr, sich reinem Wunschdenken hinzugeben.

Christian Kern wird umso sympathischer wahrgenommen, je weniger weit links die SPÖ eingestuft wird.
Foto: APA/Hochmuth

Empirisch ist die Frage, wie traditionelle Volksparteien auf das Erstarken neuer Mitbewerber reagieren sollen, nicht so einfach zu beantworten. Auch wissenschaftliche Untersuchungen kommen hier zu recht unterschiedlichen Ergebnissen (hier und hier etwa).

Mit den Daten der Autnes-Wahlstudie 2017 ist aber zumindest eine Annäherung möglich. Wir können hier die Sympathie für SPÖ-Vorsitzenden Christian Kern unter FPÖ-Wählern in Abhängigkeit von der wahrgenommenen Links-rechts-Position beobachten. Das ist zwar keine ideale empirische Strategie (besser wäre SPÖ-Wahlwahrscheinlichkeit in Abhängigkeit von der SPÖ-Einstufung bei Zuwanderung), aber eine akzeptable Alternative. Die Sympathie für den Spitzenkandidaten korreliert logischerweise stark mit der Wahlwahrscheinlichkeit für eine Partei, und die Links-rechts-Wahrnehmung ist in Österreich stark vom Zuwanderungsthema beeinflusst.

Die Grafik zeigt, dass Christian Kern als umso sympathischer empfunden wird (auf niedrigem Niveau allerdings – es handelt sich hier immerhin ausschließlich um FPÖ-Wähler), je weniger weit links die SPÖ eingestuft wird.

Natürlich ist aus dieser Analyse kein kausaler Zusammenhang abzulesen – die Kern-Sympathie könnte zum Teil auch die Wahrnehmung der SPÖ-Position beeinflussen (ein sogenannter Assimilationseffekt). Zudem ist nicht gewiss, was der Nettoeffekt einer Neupositionierung wäre – also in welchem Ausmaß bisherige SPÖ-Wähler damit vergrault würden.

Dennoch ist das Argument, die SPÖ könnte mit einer Positionsverschiebung nach rechts bei FPÖ-Wählern stärker punkten, empirisch zumindest plausibel – erst recht, wenn man bedenkt, welchen Erfolg die ÖVP 2017 mit einer restriktiveren Zuwanderungslinie hatte (verbunden allerdings mit einem Wechsel zu einem Parteivorsitzenden, der die neue Linie glaubwürdig vertreten konnte).

Das alles kann man nun gut finden oder nicht – man sollte nur empirische von normativen Argumenten trennen und den eigenen Standpunkt nicht selbstredend zur stimmenmaximierenden Strategie erklären. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 23.1.2018)