Renate Anderl ist seit 38 Jahren in der Gewerkschaft und soll nun AK-Präsidentin werden.

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Wien – Vom Tellerwäscher zum Millionär, das ist zwar kein klassisch gewerkschaftliches, weil zu kapitalistisches Motto, trifft aber auf Renate Anderl doch irgendwie zu. Vor mittlerweile 38 Jahren begann die Absolventin einer Handelsschule als Sekretärin im ÖGB. Nach und nach kletterte sie die Karrieresprossen in der Gewerkschaft hoch. Seit 2014 ist sie Chefin der ÖGB-Frauen und Vizepräsidentin des Gewerkschaftsbundes.

Nun soll die 55-Jährige, so in den nächsten Tagen nicht doch noch interne Widerstände aufkommen, Präsidentin der Arbeiterkammer und damit Nachfolgerin Rudolf Kaskes werden.

"Abhängigkeit nichts für mich"

Das Thema Gleichbehandlung und Chancengleichheit hat die in Wien-Favoriten aufgewachsene Anderl seit Jugendtagen begleitet. Der Vater Hausbesorger, die Mutter zeitlebens Hausfrau und somit in ständiger finanzieller Abhängigkeit. "Ich wusste schon früh, dass das nichts für mich ist", sagt sie zum familiären Background.

Die beste Freundin der Mutter arbeitete bei der Gewerkschaft. "Durch sie habe ich gelernt, wie wichtig es ist, sich für diejenigen einzusetzen, denen es nicht so gutgeht." Ihr eigener Mann, mit dem sie seit dem 6. Juni 1986 verheiratet ist ("das Datum hat er ausgesucht, damit er es nicht vergisst"), war für sie stets Stütze, die Geburt ihres Sohnes keine Bremse für das berufliche Fortkommen.

Männerdomäne

Die Gewerkschaft der 1980er-Jahre war aber natürlich trotzdem eine "Männerdomäne", wie Anderl offen sagt. Sie musste den Kollegen erst bewusst machen, dass die nicht zu kleine Zahl an in der Gewerkschaft aktiven Frauen auch für höhere Funktionen geeignet ist. "Ich würde gar nicht sagen, es gab Widerstände, man kam nur vorher gar nicht auf die Idee, Frauen zu befördern", erzählt Anderl.

Als ihren persönlichen Förderer nennt sie Rudolf Nürnberger, den langjährigen Chef der Metallergewerkschaft. Er machte sie 1988 zur Leiterin der neugeschaffenen Frauenabteilung bei den Metallern und holte sie als erste Frau in die Geschäftsleitung der Teilgewerkschaft. Ab 2003 war sie dort Bundesfrauensekretärin, seit 2008 sitzt sie im ÖGB-Vorstand. Ob sie auch Nürnbergers Durchsetzungskraft mitbringt, bezweifeln so manche in der Gewerkschaft noch.

Einfach wird der neue Job jedenfalls nicht. Die türkis-blaue Regierung hat bereits angekündigt, sich Einsparungen von den Kammern zu erwarten. Kommen die nicht freiwillig, stehen Einsparungen per Gesetz im Raum. (Günther Oswald, 22.1.2018)