Experten raten, die Dächer von der Schneelast zu befreien, wie hier am Montag die Feuerwehr bei der Kinderkrippe von Silz in Tirol.

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Innsbruck – Die Experten des Landes Tirol haben am Dienstag eine leichte Entspannung bei der Lawinengefahr gemeldet. Oberhalb von 2.000 Metern wurde sie jedoch weiterhin als groß eingestuft, also mit Stufe vier der fünfteiligen Skala. Am Tag zuvor galt in den westlichen Regionen sogar die höchste Gefahrenstufe.

Arlbergstrecke bleibt vorerst gesperrt

Die Arlbergstrecke bleibt aber wegen Lawinengefahr bis auf Weiteres gesperrt. "Derzeit sind wegen des Nebels keine Erkundungsflüge möglich", erklärte ÖBB-Sprecher Christoph Gasser-Mair am Dienstag. Sobald sich die Wetterbedingungen verbessern, sollen Kontrollflüge durchgeführt und die Lage neu beurteilt werden.

Eine Wetterbesserung war für die Mittagsstunden prognostiziert. Dann könnten die Lawinen-Abbruchgebiete bei den Hubschrauberflügen begutachtet werden. Danach werde die Lawinenkommission erneut tagen und entscheiden, ob mit der Räumung der Strecke begonnen werden könne.

In Südtirol wurde am Montag eine Lawine gefilmt, die in Ridnaun in der Gemeinde Ratschings niederging.
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Experten raten von Skitouren ab

Neuschnee und frischer Triebschnee seien weiter störanfällig und könnten schon bei geringer Zusatzbelastung als Lawine ausgelöst werden. Die Experten rieten von Skitouren und Variantenfahrten ab, diese erforderten viel Erfahrung. Die Gefahr von spontanen, trockenen Lawinen habe mit dem Ende der Niederschlagstätigkeit aber abgenommen, hieß es. In tiefen und mittleren Lagen sei jedoch die Durchfeuchtung der Schneedecke zu beachten. Hier könnten Nassschnee- und Gleitschneelawinen von selbst auslösen.

In OÖ nach wie vor Warnstufe vier

In Oberösterreich war die Lawinengefahr am Dienstag nach wie vor hoch. Oberhalb von 1.400 Metern Seehöhe herrschte Warnstufe vier, darunter drei. Etliche Straßen blieben gesperrt. Für Mittwoch wurde zwar eine leichte Entspannung der Situation erwartet, bei Skitouren und Variantenabfahrten bleibt aber weiterhin Vorsicht geboten.

Durch die großen Neuschneemengen der vergangenen Tage – rund zwei Meter – war die Gefahr, dass sich spontan Schneebretter oder Lockerschneelawinen lösen, immer noch groß. Die Wetterprognose gab aber Anlass zu Optimismus: Der Wind sollte im Lauf des Tages nachlassen, die Temperatur steigen. Damit dürfte sich die Situation allmählich wieder etwas entspannen.

Risiko bleibt in Niederösterreich teilweise groß

Die Lawinengefahr in Niederösterreich ist am Dienstag zum Teil weiterhin als hoch beurteilt worden. Die zweithöchste Stufe vier herrschte in den Ybbstaler Alpen und im Rax-Schneeberg-Gebiet oberhalb der Waldgrenze. Darunter und in den Türnitzer Alpen wurde das Risiko als erheblich (Stufe drei) eingeschätzt. Zur Tendenz hieß es, mit der starken Erwärmung steige am Mittwoch die Aktivität spontaner Lawinen.

Im Tourenbereich bilde oberhalb der Waldgrenze der störanfällige Triebschnee das Hauptproblem, berichtete der Warndienst Niederösterreich. "Eine Schneebrettauslösung ist bei geringer Zusatzbelastung wahrscheinlich, kann aber auch spontan abgehen", hieß es. Bei einer Schneebrettauslösung könne es auch zu mittelgroßen Lawinen kommen.

Gefahrenstellen befanden sich weiterhin in kammnahem und -fernem Gelände, hinter Geländekanten und in Hohlformen aller Expositionen. Die Nassschneesituation unterhalb der Waldgrenze sollte sich im Lauf des Vormittags etwas beruhigen. Die spontanen Abgänge werden dem Prognosebericht zufolge seltener, können aber exponierte Verkehrswege treffen.

Für Mittwoch wurde ein verbreitet sonniger und überall niederschlagsfreier Tag erwartet. Die Temperaturen sollten in 1.500 Meter von null Grad in der Früh auf sieben Grad am Abend steigen.

Hotel in Südtirol soll nach Abgang evakuiert werden

Nach dem Abgang einer Lawine in Südtirol werden zahlreiche Touristen aus einem Hotel in Sicherheit gebracht. Am Dienstagvormittag sollten etwa 75 Touristen und einige Einwohner mit einem Hubschrauber aus dem Gefahrengebiet in Graun im Vinschgau geflogen werden, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa.

Auf Anfrage in dem betroffenen Hotel Langtauferer Hof im Ortsteil Melago hieß es: "Es ist alles okay, wir müssen die Linie nur für Notrufe freihalten." Dem Nachrichtenportal stol.it zufolge liegt das Hotel in den Ausläufern des Lawinenkegels. Es gab keine Berichte über Verletzte oder Vermisste.

Die Lawine war in der Nacht auf Dienstag abgegangen. Die Lage sei ruhig und die Touristen "gelassen". Für den Nordwesten der Provinz war aufgrund der großen Schneemengen die höchste Lawinenwarnstufe verhängt worden. "Es sind zahlreiche große Lawinen aus Windschattenhängen zu erwarten", hieß es im Lawinenlagebericht. Im Lauf des Tages sollte die "spontane Lawinenaktivität" zurückgehen und damit auch die Lawinengefahr sinken.

Bis zu zwei Meter Neuschnee

Die aufgrund der hohen Lawinengefahr gesperrte Paznauntalstraße (B188) in Tirol hat am Dienstag zu Mittag zumindest teilweise wieder geöffnet werden können. Die Orte Ischgl, See und Kappl waren wieder erreichbar, erklärten ÖAMTC und Polizei. Ab Mathon war die Straße jedoch weiterhin gesperrt, wodurch auch Galtür nach wie vor von der Außenwelt abgeschnitten war.

Insgesamt fielen seit Samstagabend im Westen und Norden Tirols 150 bis 200 Zentimeter Neuschnee. Zudem waren die Höhenwinde aus Nordwest häufig stark bis stürmisch. Daher sei es oberhalb von 2.000 Metern zu umfangreichen Verfrachtungen gekommen. Darunter sei die Schneedecke durch Regen und milde Temperaturen weitgehend durchfeuchtet und habe entsprechend an Festigkeit verloren.

Am Montag wurden Selbstauslösungen vieler mittlerer, vereinzelt auch großer Lawinen gemeldet. Vor allem im Tiroler Oberland und im Außerfern sowie im Sellraintal seien einige Lawinen bis zu gesperrten Straßen abgegangen.

Für Dienstag waren zahlreiche Erkundungsflüge für die Lawinenkommissionen und für die Wildbach- und Lawinenverbauung unter anderem in den Bezirken Reutte, Landeck und Imst sowie der Stadt Innsbruck geplant. Die Einsätze werden vom Landeshubschrauber aus Innsbruck und von ein bis zwei Bundesheer-Hubschraubern sowie einem Privathubschrauber von der Pontlatzkaserne in Landeck durchgeführt. Danach könne die Lawinenkommissionen die Lage neu beurteilen.

Auch leichte Entspannung in Vorarlberg

Aufgrund der anhaltenden Schneefälle hat sich die Lawinengefahr in Vorarlberg am Dienstag vorerst nur leicht entspannt. Zwar wurde im Raum Gargellen die höchste Lawinenwarnstufe widerrufen, in den höheren Lagen herrschte aber weiter landesweit große Lawinengefahr der Stufe vier. Die Arlberg-Orte Lech, Zürs und Stuben sowie Gargellen im Montafon waren nach wie vor von der Umwelt abgeschnitten.

Oberhalb von 1.600 Meter kamen am Montag und in der Nacht auf Dienstag noch einmal 20 bis 40 Zentimeter an Neuschnee hinzu, lokal auch ein halber Meter. Kräftiger Wind bewirkte speziell in höheren Lagen weitere Verfrachtungen. Als Gefahrenstellen für Lawinenabgänge nannte Experte Andreas Pecl insbesondere Kammlagen, eingewehte Steilhänge sowie Rinnen und Mulden.

Wie lange die Straßensperren in die Arlberg-Orte und nach Gargellen aufrecht bleiben, war vorerst nicht abschätzbar. Die Arlbergbahnstrecke, die am Sonntag zwischen Bludenz und Landeck-Zams wegen akuter Lawinengefahr geschlossen wurde, sollte laut ÖBB im Lauf des Dienstags wieder befahren werden.

Risiko in der Schweiz geringer

In der Schweiz hat sich in der Nacht auf Dienstag mit dem Ende der Niederschläge die Lawinengefahr leicht entschärft. In den Gebieten, wo am Montag noch die höchste Warnstufe herrschte, galt in der Früh nur noch Stufe vier. Die Gefahr ist damit im Wallis, am nördlichen Alpenkamm und in Teilen von Graubünden und im Bedretto immer noch groß, teilte das Institut für Schnee- und Lawinenforschung mit.

Schneelast auf Dächern

Doch Vorsicht ist nicht nur am Berg geboten, wie Meteorologe Karl Gabl erklärt. Denn die großen Schneemengen bedeuten für die Dächer der Häuser eine enorme Belastung. In Österreich gelten diesbezüglich unterschiedliche Normen. Während Dächer in Wien nur rund 80 Kilo pro Quadratmeter aushalten müssen, liegt die maximale Schneelast in Warth etwa bei 1,4 Tonnen. In St. Anton beträgt die Normlast 450 Kilo pro Quadratmeter. Derzeit komme man auf bis zu 400 Kilo, schätzt Gabl: "Man kann daher schon von einem extremen Ereignis sprechen."

Der Experte empfiehlt, die Dächer wenn möglich vom Schnee zu befreien. Er warnt aber davor, das ohne Seilsicherung zu tun, weil Absturzgefahr bestehe. Zudem sei erhöhte Vorsicht geboten, wenn Kinder bei solchen Schneemengen im Freien spielen. Gabl rät, sie nicht aus den Augen zu lassen, da Erstickungsgefahr bestehe, sollten sie unter den Schneemassen zu liegen kommen. (Steffen Arora, Michael Simoner, APA, 22.1.2018)