"Geht eine politische Partei auf einen Journalisten los, passiert das nie auf Augenhöhe", sagt Ed Moschitz über die FPÖ-Attacken.

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Hansi Hansmann, Start-up-Berater und Investor, jongliert mit Unternehmensanteilen – zu sehen in der Doku "Start-ups – Hinter dem Hype" am Mittwoch in ORF 1.

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Wien – Mit Ed Moschitz zu reden ist nicht so einfach. Nicht weil er nicht möchte, sondern weil die ORF-Führung nicht will, dass der Redakteur über den jahrelangen Rechtsstreit mit der FPÖ spricht. Die Befürchtung: Eine alte Geschichte liefert der FPÖ neue Munition, um wieder einmal gegen den ORF zu schießen. Und das, obwohl Moschitz das "Monsterverfahren" nach der Neonazidoku im Jahr 2010 auf allen Ebenen gewonnen hat. Doch die FPÖ ist jetzt in der Regierung und bastelt an einem neuen ORF-Gesetz.

Moschitz spricht trotzdem. Über seine neue Dokumentation "Start-ups: Hinter dem Hype", die am Mittwoch um 20.15 Uhr in ORF 1 zu sehen ist, und über den FPÖ-Prozess. "Von großen Erfolgen, die gefeiert werden, hört man oft", sagt Moschitz und meint damit nicht seine gewonnenen Verfahren gegen die Freiheitlichen, sondern die Start-up-Szene in Österreich: "80 bis 90 Prozent der Start-ups gibt es bereits nach drei Jahren nicht mehr." Erfolgreicher seien jene, die nicht aufs schnelle Geld schielen, sondern Leute, die versuchen, ein Problem zu lösen.

Zehntausende Euro als "Spielgeld"

Protagonisten der Doku sind etwa Investor Hansi Hansmann, der in 45 Start-ups investiert hat. "Der hat kein Büro, sondern er managt sie von unterwegs und macht das alles von seinem Handy aus", so Moschitz über Hansmann: "Investoren gehen meist mit 50.000 Euro rein, manchmal auch mehr, und erwarten sich eine Rendite von 30 Prozent, wenn der Laden läuft." Ein "hochspekulativer Bereich", aber: "Für viele ist das Spielgeld, das sie nicht zwingend brauchen."

Ein anderer Star der Start-up-Szene ist Ali Mahlodji. Obwohl er erst Mitte 30 ist, hatte er bereits 43 Jobs, erzählt er. Die Suche nach Orientierung machte er zu seinem Beruf. Mit Whatchado serviert er jungen Leuten berufliche Möglichkeiten. Heute arbeiten 45 Mitarbeiter für die Plattform, aber: "Wir mussten Whatchado viermal starten, bis es funktioniert hat."

Lange Durststrecken

Abseits des Start-up-Hypes mit Shows in Privatsendern und Millionen, mit denen jongliert wird, zeichnet Moschitz ein differenziertes, weit weniger rosiges Bild von Unternehmensgründungen: "Mir geht es um die menschliche Komponente und darum, wie diese Arbeitswelt funktioniert, in die die Leute da geraten." Der Preis für die Pioniere? Nicht selten heißt er Verzicht – etwa auf ein Privatleben und Geld: "Oft haben sie Durststrecken von mehreren Jahren und müssen mit sehr wenig Geld auskommen. Das muss man erst einmal aushalten."

Im Zuge der Recherchen ist Moschitz auch auf einen 17-jährigen Gründer gestoßen: "Er wollte erst über sein Start-up reden, wenn ich mit seinem Anwalt einen Vertrag unterzeichne." Aus Angst, dass etwas im Wettlauf um Ideen öffentlich wird, das noch nicht patentiert oder fertig ist.

Sieben Jahre Rechtsstreit

Aushalten musste auch Ed Moschitz einiges, bis er im Sommer 2017 vom Oberlandesgericht Wien eine Entschädigung von der FPÖ in der Höhe von 17.000 Euro zugesprochen bekam. In Aussendungen wurde er zuvor etwa der Verwendung "schmutzigster Manipulationsmethoden" bezichtigt. Der Vorwurf: Er habe "drei Neonazis hingestellt und alles so vorbereitet, dass sie Naziparolen von sich geben, die er dann dokumentiert", wetterte die FPÖ im März 2010 unmittelbar nach den Dreharbeiten zu einer "Am Schauplatz"-Reportage über Skinheads.

Über sieben Jahre später wurde die Partei wegen übler Nachrede und Verletzung der Unschuldsvermutung verurteilt. Sie hatte Moschitz wegen Anstiftung zur NS-Wiederbetätigung und Beweismittelfälschung angezeigt und behauptet, er habe junge Skinheads bei einer Wahlkampfveranstaltung mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu Neonazisagern wie "Sieg Heil" oder "Heil Hitler" angestiftet.

Nachdem weder die Anstiftung noch diese Aussage auf dem Videomaterial zu hören waren, witterte die FPÖ eine Manipulation der Bänder. Gutachter analysierten das Originalmaterial.

Was damals nicht geschah

"Ich bin sehr froh, dass mein Kameramann die Kamera einfach laufen ließ und alles dokumentiert hat", sagt Moschitz heute über den 12. März 2010: "Mir war völlig klar, dass das Verfahren nur zu gewinnen ist, weil es das Material gab." Und: "So laut wie die FPÖ 'Sieg Heil' oder 'Heil Hitler' gehört haben wollte, hätten sich locker zehn, 20 Leute finden müssen, die das hätten bestätigen können." Auf der Seite des Publikums habe es aber niemanden unter den FPÖ-Sympathisanten gegeben, der etwas Derartiges gehört hätte.

Dass daraus trotzdem ein "Monsterverfahren" wird, damit habe niemand gerechnet, sagt Moschitz, der seit 1996 beim ORF ist. Nach Anfängen bei FM4 führte sein Weg über Ö1 in die Redaktion des Reportagemagazins "Am Schauplatz", wo er bis 2013 blieb. Jetzt werkt er in der Dokumentarfilmredaktion der ORF-Kultur.

Vorfinanzierung durch den ORF

Die Klage gegen die FPÖ habe er mit Rückendeckung des ORF geführt: "Ich hätte mir das einfach nicht leisten können." Nicht nur finanziell, denn: "Geht eine politische Partei auf einen Journalisten los, passiert das nie auf Augenhöhe." Man habe es mit Menschen zu tun, die politische Immunität genießen, und mit einem Netzwerk aus "zahlreichen Juristen und finanzkräftigen Leuten". Vertreten wurde Moschitz von Anwältin Maria Windhager, die auch für den STANDARD arbeitet. Am Ende der Auseinandersetzung standen Verfahrens- und Anwaltskosten von zehntausenden Euro, die von der FPÖ übernommen werden musste.

Einen Teil seiner Entschädigung hat der 49-Jährige schon gespendet: "Der Verein Ute Bock hat 3.000 Euro bekommen, da möchte ich noch etwas drauflegen." Profitieren soll aber nicht nur das linke Spektrum, sondern auch das Rechte: "Den gleichen Betrag gebe ich gerne jemandem, der aus der rechtsextremen Szene aussteigen will." Denn: "Journalismus muss immer auf der Seite der Schwächeren stehen, um die anderen kümmert sich die PR." (Oliver Mark, 24.1.2018)