54. Weltcupsieg: Marcel Hirscher nun auf einer Stufe mit Hermann Maier.

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Henrik Kristoffersen gratulierte artig.

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Kaum im Ziel angekommen, zeigte der Norweger allerdings seinen Unmut wegen der tief fliegenden Schneebälle während seiner Fahrt.

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Hermann Maier gratuliert Hirscher zu der erreichten Marke, die er nur als Zwischenstation einschätzt und bedauert, dass seine Karriere durch einen Motorradunfall unterbrochen wurde.

Seltenes Ereignis: Ausrutscher von Hirscher.

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Schladming – Von einem denkwürdigen Nightrace am Dienstagabend wird auch das Bild von Schneeballwürfen auf Henrik Kristoffersen wohl lange in Erinnerung bleiben. "Es waren wahrscheinlich 50.000 Zuschauer in Schladming heute, und 49.997 sind wirklich toll", meinte der Norweger, der sich wieder hinter Marcel Hirscher einreihen musste. Der Salzburger feierte erneut einen seiner größten Siege in der Steiermark.

"Es ist unfassbar eigentlich. Erster Gesamtweltcup-Sieg 2012, den habe ich hier unter nicht so einfachen Umständen gewonnen, 2013 Weltmeister. Es ist schon viel passiert da", beschrieb Hirscher den Stellenwert von Schladming in seiner Karriere. 2013 eroberte er zum krönenden Abschluss im Slalom seine erste Einzel-Goldmedaille und hielt damit dem immensen Erwartungsdruck stand. Bis dahin hatte die gesamte ÖSV-Mannschaft lediglich im Teambewerb den Titel gewonnen.

"Mit voller Hose ist gut stinken"

Dass der 54. Weltcup-Sieg für ihn einen großen Stellenwert hat, ist nach seinem Triumph deutlich geworden. "Es macht einfach keinen Sinn für mich, vorher über Sachen zu diskutieren oder zu reden, die nicht erreicht worden sind. Jetzt mit voller Hose ist gut stinken", sagte der Salzburger, der die ÖSV-Herren-Bestmarke von Hermann Maier einstellte.

"Im Vorfeld versuche ich immer, das runterzuspielen, weil ich es bis dahin nicht erreicht habe", erklärte der 28-Jährige sein Understatement in den vergangenen Tagen und Wochen. Nun stellte er fest: "Es ist schon wahnsinnig klasse und unterstreicht auch, was notwendig ist, um sechs große Kristallkugeln zu gewinnen." Er hätte vor zehn Jahren nicht im Traum daran gedacht, in die Nähe solcher Zahlen zu kommen, "aber es kommen noch mehr Rennen. Mal schauen, was jetzt noch möglich ist."

Glückwünsche von Maier und Tomba

Nun zog er in Schladming auch noch mit Hermann Maier an Weltcupsiegen gleich. Die beiden liegen zumindest bis zum Garmisch-Riesentorlauf am Sonntag in der ewigen Bestenliste mit jeweils 54 Siegen gleichauf an zweiter Stelle hinter dem Schweden Ingemar Stenmark, der 86 Weltcup-Rennen gewann.

Der "Herminator" gratulierte dem Salzburger in einem offenen Brief zum Erreichten und auch bereits zum nächsten Erfolg. Hintergrund dessen: Maier wurde der Sieg beim RTL in Val d’Isère 1997 aberkannt, weil er vor der roten Linie abschnallte, die per Reglement mit beiden Skiern überquert werden muss. Maier hatte die Aberkennung des Erfolgs schon damals kritisiert, "denn rein sportlich", bekräftigte er immer wieder, "gehört dieser Sieg mir." Maier bedauerte in den Schreiben auch, dass sein "Tatendrang nach knapp 40 Siegen abrupt gebremst" worden war, als er 2001 in Radstadt in einen folgenschweren Unfall verwickelt worden war. Er traue Hirscher 13 Siege und auch vier Kristallkugeln in einer Saison zu. Er selbst hatte 1990/2000 und 2000/2001 das Kunststück geschafft, jeweils den RTL-, den Abfahrts-, den Super-G- und den Gesamtweltcup in einer Saison zu gewinnen. 2000/2001 stand er 13-mal ganz oben auf dem Podest.

Auch Alberto Tomba gratulierte, wie Hirscher bei der Olympia-Angelobung am Mittwoch in Wien berichtete. "Das ist echt saucool und eine wirklich große Wertschätzung", so der Salzburger.

Neunter Saisonsieg

Hirscher sorgte im Nightrace nicht nur für seinen neunten Saisonsieg, sondern auch für den insgesamt 500. Erfolg der ÖSV-Herren im alpinen Ski-Weltcup. "Das Rennen war heute wirklich sehr cool. Ich habe nicht geglaubt, dass ich das noch gewinnen kann, weil der Henrik unfassbar vorgelegt hat", erzählte Hirscher. Getrübt wurde die Partystimmung nur durch die Irritationen, die zumindest zwei Schneebälle auslösten, die in Richtung Kristoffersen geworfen wurden.

"Ich glaube, es war kurz vor der Haarnadel vor dem Steilhang. Es waren, glaube ich, drei Schneebälle, die auf mich zugeflogen sind", berichtete der 23-Jährige später. "Natürlich versuchst du, dich auf den Kurs zu konzentrieren, aber es ist ziemlich schwierig, wenn da was auf dich zukommt."

Schneebälle und "Halblustige"

Hirscher habe dem Norweger im Ziel "ins Gesicht geschaut und gemerkt, irgendwas passt da gerade gar nicht. Dann habe ich ihn gefragt, und er hat es mir erzählt", schilderte er. "Ich kenne das selber von einem anderen Austragungsort aus der Vergangenheit. Das ist sehr unlustig, sehr uncool und sehr unfair. Bei 50.000 Leuten sind halt fünf Halblustige dabei, die glauben, sie sind superklass'." ORF-Co-Kommentator Benni Raich fand das auch gar nicht lustig: "Da braucht's Zivilcourage, am besten gleich niederrangeln!"

Kristoffersen war wichtig, nicht als schlechter Verlierer dazustehen. "Marcel ist heute besser gefahren. Das hat nichts damit zu tun, dass Marcel mich besiegt hat. Ich hätte ihn auch nicht geschlagen, wenn keine Schneebälle geflogen wären", stand für ihn fest.

Österreichs Sportminister und Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat die Schneeballwürfe verurteilt. Dies sei ein zutiefst unsportliches Verhalten, das dem Ansehen Österreichs schade, betonte der 48-jährige FPÖ-Chef in einer Aussendung am Mittwoch. Fairness sei im Sport oberstes Gebot, solche dummen Aktionen hätten dabei nichts verloren, bekräftigte Strache. Die Schneeballwerfer sollten sich schämen. "Bei Henrik Kristofferson [sic!] entschuldige ich mich im Namen aller Österreicherinnen und Österreicher, denen Fairness im Sport ein Anliegen ist", wurde der Sportminister zitiert. "Und ich freue mich, dass Kristofferson [sic!] betont hat, dass seine Liebe zu Österreich nach wie vor intakt sei."

Spekulationen um Mittelfinger

Kristoffersen versicherte dies nach dem Rennen und bemühte sich, ein Gerücht richtigzustellen. "Mein Vater hat mich gefragt, ob ich den Zuschauern den Mittelfinger gezeigt habe. Aber das habe ich nicht getan. Ich habe mit dem Zeigefinger eine Bewegung gemacht. Also wenn das jemand im Internet geschrieben hat, ist es nicht die Wahrheit", sagte Kristoffersen, der mit seiner sportlichen Darbietung augenscheinlich zufrieden war.

"Wenn ich zwei gute Läufe nach unten bringe und Fünfter bin, bin ich zufrieden. Heute habe ich zwei gute Läufe gezeigt und bin Zweiter, darum bin ich wirklich glücklich", erklärte er. Die beiden Slalomgiganten treiben sich zu Spitzenleistungen an. "Wir haben es über die letzten zwei Jahre schon auf ein neues Level gehoben, aber jetzt ist es wieder ein Schritt darüber."

Nächste Talentprobe von Clément Noël

Hirscher fuhr bei der 21. Auflage des Schladminger Nightrace zweimal Laufbestzeit. Nur im ersten Durchgang folgte ihm jedoch Kristoffersen direkt dahinter. In der Entscheidung legte der junge Franzose Clément Noël die nächste Talentprobe ab, indem er als Laufzweiter nur fünf Hundertstel hinter dem Österreicher blieb. In der Endabrechnung belegte der 20-Jährige den sechsten Platz – sein bisher bestes Weltcup-Ergebnis. (APA, red, 24.1.2018)