Vor einigen Jahren gefundenes Stück aus dem Bergwerk Hallstatt – damals wurde es als kurioser Einzelfund abgetan.

Foto: NHM Wien/H. Reschreiter

Ein weiteres, baugleiches Stück wurde diesen Herbst entdeckt.

Foto: NHM Wien/H. Reschreiter

Die Werkstatt der "Alten Schmiede" im Hallstätter Hochtal. Hier werden Funde für eine genauere Untersuchung rekonstruiert.

Foto: NHM Wien/D. Brandner

Die Rekonstruktion von einem der Holzfunde, interpretiert als Konstruktionsteil der bronzezeitliche Stiege.

Foto: NHM Wien/H. Reschreiter

Das Lebensbild der Bronzezeit im Bergwerk Hallstatt. Rechts unten ist eine Haspel, wie sie Anwendung im zeitgleichen Kupferbergbau findet, zu sehen.

Foto: NHM Wien/D. Groebner, H. Reschreiter

Seit Jahren wird nach der genauen Funktion dieser lanzettförmigen Geräte gesucht.

Foto: NHM Wien/H. Reschreiter

Die Einmaligkeit und Besonderheit der Funde aus Hallstatt sind ein Umstand, den wir gerne hervorheben. Warum dieser auch eine der großen Herausforderungen in der archäologischen Arbeit, speziell im Salzbergwerk, ist, wollen wir nun auch einmal beleuchten.

Es gehört in Hallstatt immer schon zum Arbeitsalltag, dass zwar Unmengen an Funden getätigt werden, bei vielen aber nicht von Anfang an klar ist, worin ihr ursprünglicher Sinn und Zweck bestand. Immerhin war der hiesige Bergbau durch alle Zeiten hindurch sehr spezialisiert, wie auch das verwendete Gerät und Material. So fehlt es zu vielen Funden an Vergleichsstücken, sei es wegen der technologischen Spezialentwicklungen oder der sonst kaum vorhandenen Erhaltungsbedingungen. Gute Beispiele hierfür sind die etlichen Einzelteile von Holzstiegen im Berg, die erst als solche erkannt werden konnten, als die bekannte bronzezeitliche Holzstiege im Ganzen erhalten gefunden wurde.

Rätselhafte Fundstücke

So oft wir einen neuen Fund entdecken, den wir nicht zuordnen können, so sehr beschäftigen uns gerade diese immer wieder von neuem. Auch in der diesjährigen Grabungssaison fanden sich einige dieser rätselhaften Stücke. Besonders zwei Hölzer sind uns ins Auge gestochen. Sie gleichen einem Fund, der vor mehr als zehn Jahren entdeckt, aber damals als kurioser Einzelfund abgetan wurde.

Schritt eins: Beschreibung

Der erste Schritt bei der Bearbeitung eines Fundes ist auch hier, wie immer, die Beschreibung: Es handelt sich bei den drei Stücken um im Durchmesser etwa 25 Zentimeter dicke Hölzer, an deren einem Ende ein Zapfen herausgearbeitet ist. Am gegenüberliegenden Ende befindet sich eine konvexe oder konkave, polierte Rundung. Dazwischen weisen alle Hölzer ein Stemmloch auf, in dem ein dünneres Rundholz steckt.

Schritt zwei: Interpretation

So weit, so gut. Als Nächstes folgt die Interpretation der aufgenommenen Charakteristika: In diesem Fall sind zum Beispiel die Abnutzungsspuren an den Hölzern interessant. Die Politur befindet sich nur in einem sehr kleinen Segment des gesamten Holzes. Was die Tatsache zu bedeuten hat, dass sie sowohl in konvexer als auch konkaver Form auftritt, ist noch unklar. Der Zapfen diente vermutlich dazu, die Konstruktion zu befestigen. Im gesamten Fundmaterial sind bisher keine passenden Gegenstücke – Rundhölzer mit großen Stemmlöchern – zu finden, außer die bekannten Stiegenwangen. Dies sind die Seitenteile der Stiegenkonstruktionen, in denen die Stufenbretter eingehängt werden. Da die Suche nach vergleichbaren Stücken leider ergebnislos verlief, entschieden wir uns einmal mehr für die Untersuchung mittels Rekonstruktion der Funde.

Schritt drei: Rekonstruktion

Ein Vorteil unserer NHM-Außenstelle im Hallstätter Hochtal ist eindeutig die Infrastruktur. So gibt es im Grabungsquartier, der "Alten Schmiede", unter anderem auch eine gut ausgestattete Werkstatt. Diese wird nicht nur benutzt, um Möbel zu bauen, Werkzeug und Geräte instand zu halten und zu reparieren, sondern vor allem zu experimentellen Zwecken. Direkt nach der Bergung der Funde, noch während sie auf der Waschanlage entsalzt werden, können wir also damit beginnen, Rekonstruktionen anzufertigen, um diese ausführlich zu testen. In diesem Fall konnten die Nachbauten der rätselhaften Hölzer gleich direkt mit einer Rekonstruktion der bronzezeitlichen Holzstiege verbunden und diesbezügliche Überlegungen angestellt werden. Auch können die Rekonstruktionen gleich den am Quartier vorbeikommenden Besuchern der Salzwelten vorgeführt und darüber diskutiert werden.

Ein möglicher Zweck

Bisher sind wir zu einigen klaren Ergebnissen gekommen. Die Politur ist in der hier beobachteten Form bislang in Hallstatt nicht bekannt, es muss sich also um eine spezielle Art der Verwendung handeln. Die großen Zapfen passen gut in die vertikalen Stemmlöcher am unteren Ende der bekannten Stiegenwangen. An der Fundstelle sind Seile und Schächte belegt, wie die Seile allerdings geführt wurden, ist noch unbekannt. Möglicherweise wurden, wie im zeitgleichen Kupferbergbau am Mitterberg, Haspeln zum Einsatz gebracht. Diese Interpretation ist bereits in das derzeitige Lebensbild der Bronzezeit eingeflossen, klar belegt ist sie allerdings noch nicht. So haben wir einen möglichen Zweck ins Auge gefasst, die weiteren Untersuchungen werden zeigen, ob wir damit richtig lagen.

Handelt es sich um Messinstrumente?

Doch dies sind nicht die einzigen Rätsel, die der Berg uns aufgibt. Seit Jahren beschäftigt uns beispielsweise eine Reihe lanzettförmiger Geräte mit Stemmloch, deren Nutzen bis heute unklar ist. Fakt ist, dass die Stücke immer aus Eschenholz gefertigt, die vorderen Kanten benutzt und teilweise geraut und die hinteren Enden mitunter leicht bestoßen sind. Das Stemmloch zeigt keine Abnutzungsspuren und ist immer außerhalb des Schwerpunktes – das Stück hängt also, sollte man es daran aufhängen, schief. Möglicherweise handelt es sich dabei um Messinstrumente, mit denen es möglich war, Linien exakt zu fluchten. Aus dem bronzezeitlichen Kupferbergbau ist eine exakte Vermessung nachgewiesen, wodurch dies durchaus im Rahmen des Möglichen läge. Andererseits könnte es sich auch um etwas völlig anderes handeln, dessen Zweck uns noch nicht einmal in den Sinn gekommen ist.

Man erkennt nur, was man kennt

Unter anderem bereiten uns noch ein Holz mit einer Reihe von Stemmlöchern, direkt unterhalb der bronzezeitlichen Stiege, und ein Strang verfilzter Wolle Kopfzerbrechen. All diese Funde sind nur einmal mehr die Erinnerung daran, wie klein unser Einblick in die prähistorische Welt ist und dass es oftmals notwendig ist, über den Tellerrand hinauszublicken. Denn der alte Spruch "Man findet nur, was man sucht" trifft hier vielleicht in der leicht abgewandelten Form "Man erkennt nur, was man kennt" besser zu. Je mehr Ideen, Möglichkeiten und Vergleichswerte jeder Mitarbeiter oder Besucher also im Hinterkopf hat, desto höher die Chance, ein Stück weiter hinter den Zweck und die Geschichte unserer Funde zu blicken. (Fiona Poppenwimmer, Hans Reschreiter, 25.1.2018)