Muss bald ins Gefängnis: Luiz Inacio Lula da Silva.

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Porto Alegre / São Paulo – Mehr als zehn Stunden haben sie vor den Absperrgittern rund um das Gerichtsgebäude ausgeharrt. Rund 30.000 Anhänger von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva waren in das südbrasilianische Porto Alegre gereist. Doch als der dritte Richter des Berufungsgerichts sein Urteil verkündet, schütteln viele nur noch entgeistert den Kopf. Damit hat das Gericht in zweiter Instanz eine Haftstrafe wegen Korruption und Geldwäsche gegen das ehemalige Staatsoberhaupt bestätigt und auf zwölf Jahre und einen Monat festgesetzt.

Comeback ungewiss

Was wird nun aus Lulas Präsidentschaftsträumen? Dem 72-Jährigen droht nicht nur Gefängnis – er darf möglicherweise auch nicht mehr als Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen antreten. Seit Wochen liegt Brasiliens Volkstribun mit mehr als 30 Prozent Zustimmung weit vor seinen Kontrahenten. Lulas Anwälte machten jedoch schnell klar, dass sie in Revision gehen werden. In den kommenden Tagen klicken auch nicht die Handschellen. Ins Gefängnis muss Lula erst nach einer Bestätigung des Urteils durch den Obersten Gerichtshof. Und das ist kaum vor dem Wahltermin am 7. Oktober zu erwarten. Über seine Kandidatur muss allerdings das Oberste Wahlgericht gesondert entscheiden. Das politische Comeback von Brasiliens Links-Ikone bleibt also weiterhin ungewiss. Die Richter werfen Lula vor, ein Luxusappartment im Küstenort Guarujá als Gegenleistung bei der Hilfe von Auftragsvergaben von dem Baukonzern OAS bekommen zu haben. Er habe das Apartment zwar besichtigt und "500 Fehler dort festgestellt", betonte Lula. Deshalb habe er es nicht gekauft, und er sei auch nie wieder dort gewesen.

Die Beweislage gegen Lula war dünn. Vor sechs Monaten verurteilte Brasiliens oberster Korruptionsjäger Sérgio Moro den Ex-Präsidenten zu neuneinhalb Jahren Gefängnis. Er stützte sich dabei auf Annahmen und auf abgehörte Telefonate der vor einem Jahr verstorbenen Ehefrau Lulas, Marisa Letícia.

Schriftstücke, etwa eine Kaufurkunde der Immobilie, liegen nicht vor. Somit kommen nicht nur Lula-Anhänger zu dem Schluss, dass es sich um einen politischen Prozess handelte, der den aussichtsreichen Kandidaten der Wahl von einer weiteren Präsidentschaft abhalten soll. Entsprechend aufgeheizt ist die Stimmung. Gewerkschaften und soziale Bewegungen mobilisieren ihre Anhänger zur Unterstützung des angeschlagenen Volkshelden.

Von einem "kriminellen Urteil" und einer "Attacke auf die Verfassung" sprechen führende Politiker von Lulas Arbeiterpartei PT. Lula selbst sagte vor der Verkündung des Urteils: "Ich bin ganz ruhig, weil ich weiß, dass ich kein einziges Verbrechen begangen habe."

Er werde weiter gegen die Lügen ankämpfen, kündigte er an. Doch gehen auch die Gegner des Linkspolitikers auf die Straße.

Gefahr für Frieden

"Lula ins Gefängnis" und "Bolsonaro 2018" skandieren Demonstranten in São Paulo. Auf Platz zwei liegt mit Jair Bolsonaro ein rechtsnationaler Ex-Militär, der Folter für legitim hält und die Militärdiktatur als die beste Zeit in Brasilien anpreist.

Lula will seinen Wahlkampf ungeachtet des Richterspruchs weiterführen und durchs Land reisen. "Es geht doch nicht um Lula, es geht um die Verteidigung der Demokratie", sagte er jüngst. Wie sehr der soziale Friede gefährdet ist, das ließ die Vorsitzende von Lulas Arbeiterpartei, Gleisi Hoffmann, durchblicken: Wenn sie Lula festnehmen wollen, werde es Tote geben, ist sie sicher. (Susann Kreutzmann, 24.1.2018)