The-Fall-Sänger Mark E. Smith ist 60-jährig gestorben.

Foto: EMPICS Entertainment

Wien – Im Vorjahr twitterte die BBC ausgerechnet am 60. Geburtstag von Mark E. Smith seine Todesmeldung. Ein Irrtum, wie sich bald zeigte. Die BBC warf sich entschuldigend in den Staub, sprach von menschlichem Versagen und gratulierte zum Ehrentag. Am Mittwoch ist Mark E. Smith tatsächlich gestorben. Der Chef von The Fall wurde 60 Jahre alt.

Stur

Seine letzten Konzerte absolvierte er bereits im Rollstuhl, das Antlitz aufgedunsen von Medikamenten, der Körper nach 40 Jahren unter Einfluss von Alkohol und Drogen angemessen gebrechlich. Dennoch trat er auf. Diese Sturheit war typisch für Smith, sie begleitete den am 5. März 1957 in Salford bei Manchester geborenen Musiker in den Rang eines britischen Nationalhelden.

Cherry Red Records

Erarbeitet hat er sich diesen Status mit seiner Band. The Fall war eine der einflussreichsten und produktivsten Post-Punk-Formationen. Benannt nach dem in seinem Geburtsjahr erschienenen gleichnamigen Buch von Albert Camus, veröffentlichten The Fall über 60 Studio- und Livealben.

Eine Institution

Gegründet 1976 unter dem Eindruck eines Konzerts der Sex Pistols, wuchs die Band zu einer Institution. Für den meist im Stil farbloser Sachbearbeiter gekleideten Smith eröffnete Punk eine Möglichkeit, abseits der Tretmühlen geistfreier Lohnarbeit zu leben.

My New House aus 1985, vom Album "This Nation's Saving Grace".
scalagreen20

Seine Musik orientierte sich weniger am Punk als an der repetitiven Wirkmacht der deutschen Band Can. Smith trug mit tonloser Stimme seltsame Texte vor, die unter dem Einfluss der gerade von ihm konsumierten Literatur standen. Hinzu kamen sein Zynismus und misanthropische Ausfälle bis hin zum Faustkampf.

Darunter litten vornehmlich Bandkollegen. An die 70 Musiker hat Smith im Laufe der Jahre gefeuert, er selbst war die einzige Konstante in The Fall. Legendär ist sein Satz "If it’s me and your granny on bongos, it’s The Fall."

Granteln mit Edwyn

Selbst befreundete Musiker und Kollaboratuere waren nicht vor seinem Urteil sicher. Smith arbeitete mit den Gorillaz, Elastica, nahm mit dem deutschen Elektronik-Duo Mouse On Mars als Von Südenfed auf oder grantelte an der Seite von Edwyn Collins durch den Song Seventies Night.

Mark E. mit Edwyn Collins: "Seventies Night".
Data-Code

Zwar pflegte Smith als ehemaliger Dockarbeiter eine Blue-Collar-Attitüde, gleichzeitig verstieg er sich gerne zu konservativen Meinungen, befeuert von, ja, Feuerwasser. Zu seinen größten Fans und Förderern zählte John Peel. "Wir hatten eine Abmachung", sagte Smith einmal über die 2004 gestorbene Radiolegende: "Wir werden keine Freunde."

"Always the same, always different"

Smith‘ Unbeirrbarkeit brachte The Fall eine weltweite Fangemeinde ein. In den 1980ern und 1990ern platzierte die Gruppe ihre Alben regelmäßig in den britischen Charts, auch etliche Singles punkteten dort, großen kommerziellen Erfolg verbuchte Smith dennoch nicht. Wichtiger war das nächste Album. Dieses Arbeitsethos bescherte den Fall-Heads fast jedes Jahr eine Platte. "Always the same, always different", beschrieb John Peel diese einst ehrfürchtig.

Ein Monster: "Blindness" aus den gesammelten "Peel Sessions".
Eric Davis

Zu den besten Arbeiten der Band zählen Alben wie Hex Enduction Hour (1982), This Nation‘s Saving Grace (1985), Bend Sinister (1986), The Frenz Experiment (1988), Shiftwork (1991), Oswald Defence Lawyer (2001), Fall Heads Roll (2005), Reformation Post TLC (2007) – na ja, die und noch zirka 15 weitere. Erst mit dem einsetzenden körperlichen Verfall nahm die Qualität der Alben merklich ab.

Kompromisslos bis zum Ende

Drei Mal war Smith verheiratet, Brix Smith und Elena spielten mit ihm bei The Fall. Vor allem die Jahre mit Brix Smith bescherte der Band einige der eingängisten Alben. Eine Einschätzung, die er selbst als Unfug abtat.

2005 würdigte die BBC Smith mit der Dokumentation The Fall: The Wonderful and Frightening World of Mark E Smith, drei Jahre später erschien seine Autobiografie Renegade, Abtrüniger. Der Einband des Buchs zeigt ihn, wie er sich ein Glas Whisky einschenkt.

Es ist weniger eine Erinnerung denn die Abrechnung eines hartnäckigen Außenseiters, der stets versucht hat, in der Welt des Pop seine Integrität zu bewahren. Das ist ihm gelungen. Kompromisslos bis zum Ende. (Karl Fluch, 25.1.2018)