Evangeliar des Johannes von Troppau, Handschrift, 1368.

Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Die Tabula Peutingeriana (um 1200) ist die mittelalterliche Kopie einer antiken Straßenkarte, die auf sieben Meter Länge die ganze Welt inklusive Flüssen, Bergen, Städten und Wegenetz darlegte. Sie ist "Objekt des Monats" im November.

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Kolorierter Kupferstich der 1722–1730 erbauten und ausgeschmückten Bibliothek am Josefsplatz – Carl Schütz, 1780.

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Wolfgang Amadeus Mozarts Niederschrift des "Requiem" (KV 626), 1791.

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Das Typoskript von Ingeborg Bachmanns Gedicht "Böhmen liegt am Meer" (1964) ist in der Ausstellung zu sehen – allerdings als ein "Objekt des Monats". Als solchem ist ihm der September zugewiesen.

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Wien – Die am Freitag anlaufende Ausstellung zum 650. Jahresjubiläum der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) führt nicht nur an deren historische Anfänge: Das Evangeliar des Johannes von Troppau, 1368 gefertigt und allererstes bis heute im Bestand befindliches Werk, gilt als ihr Gründungskodex.

Auch elf weitere Trouvaillen sind konservatorisch so empfindlich, dass sie nur für kurze Zeit gezeigt werden können. Darunter eine ägyptische Papyrusurkunde aus dem 2. Jahrhundert, die Originalhandschrift von Mozarts "Requiem" (1791) oder das Aquarell "Bengalischer Tiger aus der Menagerie in Schönbrunn" (um 1799) des Hofbotanikmalers Matthias Schmutzer.

Matthias Schmutzers Aquarell "Bengalischer Tiger aus der Menagerie in Schönbrunn", um 1799. Es ist nur im Mai zu sehen.
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Diese "Objekte des Monats" auch abseits von Schriften und Drucken beweisen die Breite des Bestands. Dessen suchte der Niederländer Hugo Blotius, der erste Hofbibliothekar der damals noch Privatsammlung, 1575 erstmals mit einem alphabetischen Register Herr zu werden. Gerard von Swieten brachte im 18. Jahrhundert moderne Systematik in die Aufstellung, dessen Sohn Gottfried installierte 1780 den ältesten Zettelkatalog der Welt. 1,3 Millionen Zettel waren darin in Büchern nachgebildeten kapseln verwahrt.

Josephinischer Kapselkatalog der Hofbibliothek, um 1780.
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Eine Brücke in die nähere Vergangenheit schlägt ein Zettelkatalog mit den vielen für uns charakteristischen kleinen Schubfächern.

Überblicke und Einblicke

Die Infos zu den einzelnen Stationen der Schau mit dem Titel "Schatzkammer des Wissens" sind knapp und anregend. Ab dem Spätmittelalter ist das Interesse an Weltkarten und Himmelsatlanten auch in der Sammlung dokumentiert. Bunt leuchtend verkündet etwa das "Septentrionalium Regionum Descript" von 1573 die Länder des Nordatlantiks, daneben im Schaukasten aufgeschlagen liegen 1661 visualisiert die Planetentheorien des Tycho Brahe.

Im 19. Jahrhundert schickten Franz I. und Kronprinz Ferdinand Künstler aus, ihre kleineren Besitzungen wie die Pflanzen- und Tierwelt der kaiserlichen Anlagen und weiters ihre Lande festzuhalten. Jakob Alts dabei entstandene Donauansichten gehören mittlerweile zum Unesco-Memory-of-Austria.

Jakob Alts Ansicht von Loiben, gesehen vom gegenüberliegenden Donauufer, gemalt 1848.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Zu jener Zeit entstanden zudem in vielen europäischen Bibliotheken Musikabteilungen. In Wien wandert das Archiv der Kaiserlichen Hofmusikkapelle in die Musikbestände der damals noch Hofbibliothek. Später kommen Nachlässe von Anton Bruckner bis Richard Strauss dazu. Neben Musikmanuskripten finden sich in der Schau auch handschriftliche Anfänge etwa von Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften" und Ingeborg Bachmanns "Malina". Dazu Briefe von Sigmund Freud oder Ludwig Wittgenstein. Letzterer wusste die Grenzen seiner Blätter mit besonders großen Zügen zu füllen.

Alle Krisen nachvollziehbar

Die Zeitreise durch die Geschichte der ÖNB ist für Generaldirektorin Johanna Rachinger auch eine durch jene Österreichs. Denn die ÖNB sei als "Kultureinrichtung aufs Engste mit der politischen Geschichte des Landes verknüpft". Hat sie doch den Wandel von der Herrscherbibliothek über die Öffnung für den wissenschaftlichen Gebrauch hin zur republikanischen Nationalbibliothek mitgemacht. "Dieser Weg zeichnet alle Bruchlinien und Krisen der österreichischen Identität nach."

Deshalb fehlt ebenso ein Schaukasten zum Nationalsozialismus nicht. In der NS-Zeit wuchs die ÖNB um Bestände aus jüdischem Raubgut (anderes daraus sollte in die geplante Linzer Führerbibliothek gehen). Fast 52.000 Objekte wurden bisher restituiert. Man wolle "nichts im Haus haben, was ihm nicht gehört", so Rachinger.

Werner Theiss' Entwurf für eine Zentralbibliothek von 1937 sah einen 26 Stockwerke hohen Turmbau vor.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Zwischen 1722 und 1730 entstand der heutige Bau mit dem Prunksaal am Josefsplatz nach Plänen Johann Bernhard Fischer von Erlachs und seines Sohnes. Realisierte und gescheiterte Erweiterungen – wie die futuristische Zentralbibliothek in den 1930ern, in der Architekt Werner Theiss Nationalbibliothek, Unibibliothek und TU-Bibliothek zusammenführen wollte – passen thematisch zur Besinnung der Schau auf die Grundlagen der ÖNB in einem zweiten Sinn: den Auftrag zu sammeln, zu verwahren und zugänglich zu machen.

Mit einem neuen, ersehnten Tiefspeicher rechnet Rachinger übrigens nicht so bald. Solange die Parlamentspavillons am Heldenplatz stehen, dürfe dort sowieso nicht gebaut werden. Danach werde das Thema "sicher wieder relevant". Man behilft sich mit Einmietung in Magazinen. (Michael Wurmitzer, 26.1.2018)