San Francisco / Wien – Es ist das vielleicht berühmteste Gefängnis der Welt. Alcatraz, auch The Rock genannt. Die Strafvollzugsanstalt auf einer Insel in der Bucht von San Francisco war von 1934 bis 1963, als es wegen zu hoher Betriebskosten aufgegeben wurde, berüchtigt. Ein gewisser Al Capone konnte ein Lied davon singen.

The Rock galt als nahezu ausbruchssicher. Hatte man es tatsächlich geschafft, die Gefängnismauern zu überwinden, warteten starke Strömungen und Haie in der Bucht. Knapp vier Kilometer musste man auf dem Seeweg überwinden. Probiert wurde es trotzdem.

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Archivbilder der drei Ausbrecher: einmal als junge Männer und dann Jahre später.
Foto: REUTERS

Aus den 29 Jahren als Hochsicherheitsgefängnis sind 14 Ausbruchversuche von insgesamt 36 Insassen bekannt. 23 von ihnen wurden geschnappt, sechs bei ihrem Ausbruchversuch getötet, und zwei sind nachweislich dabei ertrunken. Die restlichen fünf Häftlinge gelten offiziell als vermisst und als wahrscheinlich tot durch Ertrinken.

Schlauchboot aus Regenjacken

Drei dieser fünf waren die Räuber Frank Morris sowie die Brüder John und Clarence Anglin. Sie schafften es in der Nacht auf den 12. Juni 1962 auf spektakuläre Weise aus The Rock. Monatelang gruben sie sich mit Löffeln aus der Kantine durch die Betonwände, bastelten Attrappen ihrer eigenen Köpfe, die sie auf die Betten legten, um nicht gleich aufzufliegen. Schließlich bastelten sie unter anderem aus mehr als 50 Regenjacken ein kleines Schlauchboot, mit dem sie ihre Flucht vollenden wollten. Ein weiterer Häftling, Allen West, sollte eigentlich auch dabei sein, er war mit den Vorbereitungen zu jenem Zeitpunkt aber noch nicht fertig.

Aus dem Jahr 2012, 50 Jahre nach dem Ausbruch.
Foto: Us Marshals/Ho

Die Behörden fanden nie ein Anzeichen, dass die drei es tatsächlich bis ans Festland schafften – die Strömung war in jener Nacht sehr stark. 1979 wurden die Ermittlungen in diesem Fall vom FBI schließlich eingestellt. In diesem Jahr wurde der Ausbruch auch verfilmt, mit Clint Eastwood in der Hauptrolle von "Flucht aus Alcatraz".

Angeblich in Brasilien gesehen

Auch sonst elektrisierte der Fall die US-amerikanische Öffentlichkeit, es gab zahlreiche Bücher und Dokus. Wenig überraschend wurde auch immer wieder spekuliert, die drei hätten es tatsächlich lebend aus der Bucht geschafft. In den 1970er-Jahren etwa tauchte ein Foto auf, das angeblich die Anglin-Brüder in einer Bar in Brasilien zeigt.

Der Filmtrailer von "Flucht aus Alcatraz". Clint Eastwood spielt darin Frank Morris.
Paramount Movies

Im Gegensatz zum FBI hat der United States Marshals Service, eine Behörde des Justizministeriums, die für den Vollzug von Bundesrecht verantwortlich ist, seine Ermittlungen nie abgeschlossen. 2012, 50 Jahre nach dem Ausbruch, erklärte Marshal Don O'Keefe, die fortgesetzten Ermittlungen seien eine Warnung an Ausbrecher, dass man weiter nach ihnen suchen werde. Es sei egal, wie lange es dauert, man werde für Gerechtigkeit sorgen, sagte er.

"Wir haben es geschafft, aber knapp"

Nun, 56 Jahre später, sorgt ein publik gewordener Brief in diesem Fall wieder für Aufregung. Wie sich herausstellte, ist er den Behörden bereits seit 2013 bekannt, doch erst jetzt veröffentlichte ihn der TV-Sender CBS, der das Schreiben zugespielt bekam. 22 Zeilen sind es gerade einmal, aber die haben es in sich: "Mein Name ist John Anglin. Ich bin im Juni 1962 mit meinem Bruder Clarence und Frank Morris aus Alcatraz geflüchtet. Ich bin jetzt 83 Jahre alt, aber mir geht es nicht gut. Ich habe Krebs." Weiters steht geschrieben: "Wir haben es damals geschafft, aber knapp."

Der Bericht von CBS über den neu aufgetauchten Brief.
CBS News

Dem Schreiben zufolge lebte John Anglin in Seattle und dann in Washington, bevor er nach Südkalifornien zog. Sein Bruder sei 2011 gestorben, Frank Morris bereits 2005. Der Verfasser schlägt einen Deal vor: "Wenn ihr im Fernsehen bekannt gebt, dass ich für genau ein Jahr ins Gefängnis gehe und dort medizinisch behandelt werde, werde ich euch schreiben und bekanntgeben, wo ich mich aufhalte. Das ist kein Witz."

Kein eindeutiges Ergebnis

Unklar ist, wie die Behörden den Brief erhielten und wieso er erst jetzt bekannt wurde. Offensichtlich ist, dass sie auf den Deal nicht eingegangen sind. Gegenüber der "Washington Post" erklärte der United States Marshals Service, dass man glaube, das Schreiben sei ohne Wert. Man habe es auf DNA, Fingerabdrücke und die Handschrift untersucht, sei aber nicht zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen.

Derzeit, so die Behörde, hätte das Schreiben zu keinen weiteren Spuren geführt. Die Akte in diesem Fall bliebe aber weiterhin offen. Geschlossen wird sie erst, wenn es eindeutige Beweise für den Tod der drei Ausbrecher gebe oder – so die "Washington Post" – wenn sie 99 Jahre alt werden. Lebt John Anglin tatsächlich noch, wäre er jetzt 87 Jahre alt. (ksh, 25.1.2018)