Mevlüt Çavuşoğlu und Karin Kneissl spazierten gemeinsam zu ihrem Gespräch im Dolmabahçe-Palast.

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"Darf ich auspacken?", fragt Mevlüt Çavuşoğlu, und ein bisschen vom Schalk und von der Leutseligkeit aus entspannteren Zeiten des türkischen Außenministers blitzt auf. Dann hat Çavuşoğlu ein Faksimile in der Hand, eine Kopie des Friedensvertrags von Passarovic von 1718 zwischen dem Habsburger Reich und dem Osmanischen Reich, gerahmt und hinter Glas. Es ist Karin Kneissls Gastgeschenk – ein Sinnbild für die neue Seite, die Österreichs neue Außenministerin in der so ramponierten Beziehung zwischen den Ländern aufschlagen will. Die hatte einst mit Passarovic begonnen.

Freundlich geht es beim Auftritt der beiden Minister vor der Presse in Istanbul am Donnerstag zu. Mevlüt Çavuşoğlu, der vor noch nicht langer Zeit angekündigt hatte, Österreich "auf allen Ebenen" zu blockieren, kann jetzt ganz anders. "Wir müssen nicht über Pressemitteilungen kommunizieren", sagt der türkische Minister nun. Sein Haus hatte im Vormonat erst eine solche Erklärung hinausgeschossen, Österreich mit dem Entzug freundschaftlicher Beziehungen gedroht und die Vereinbarung der neuen Koalition in Wien über den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei als "kurzsichtig" und "diskriminierend" bezeichnet.

In Istanbul verkünden der Minister und sein Gast aus Österreich nun eine ganze Reihe neuer Vereinbarungen, um das bilaterale Verhältnis wieder auf Schiene zu bringen: mehr Treffen auf politischer Ebene und jener der Beamten, eine gemeinsame Wirtschaftskommission, ein österreichisch-türkisches Kulturjahr und die Wiederaufnahme der Ausgrabungen der österreichischen Archäologen in Ephesos.

Feierstunde in Abu Dhabi

"Durch die Ereignisse und Schritte in Österreich haben wir die archäologischen Unternehmen gestoppt. Wir möchten diese wiederaufnehmen", sagte Çavuşoğlu. Kneissl zeigte sich erfreut über das symbolreiche Entgegenkommen. Die Archäologen mussten ihre Arbeit im September 2016 einstellen. Das war die Reaktion auf die Forderung Wiens, die EU-Beitrittsverhandlungen abzubrechen.

Grabungsleiterin Sabine Ladstätter, Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), und die ebenfalls in der Türkei aktive Direktorin des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie (ebenfalls ÖAW), Barbara Horejs, ereilte die Nachricht während einer Dienstreise in Abu Dhabi. Horejs erklärte dem STANDARD, Details seien ihnen noch nicht bekannt.

"Wir feiern gerade", sagte die Wissenschafterin, die seit mehr als zehn Jahren eine jungsteinzeitliche Siedlung am Çukuriçi Höyük im Westen der Türkei erforscht. Ladstätter will am Freitag eine Presseerklärung abgeben. Dem Vernehmen nach war Michael Alram, Archäologe, Historiker und Vizepräsident der Akademie, in jüngster Zeit in der Türkei, um für eine Wiederaufnahme der Grabungen zu werben.

Den Streit um den EU-Beitritt der Türkei wollen die beiden Minister nun also beiseitestellen. Kneissl spricht von einer Pattsituation, die eben da sei, aber nicht den Blick auf die vielen Möglichkeiten in den bilateralen Beziehungen verstellen dürfe. Çavuşoğlu wiederum wünscht einen nüchternen Ton in dieser Frage, nicht die "Sprache des Hasses" und der Islamfeindlichkeit, wie sie bisher in Wien geherrscht habe.

Kneissls Besuch steht im Zusammenhang mit einem deutlichen Tonwechsel der türkischen Regierung gegenüber den Europäern. Seit ein bis zwei Monaten herrscht politisches Tauwetter, stellen europäische Regierungsvertreter fest. Beleidigende Worte über den "verdorbenen Charakter" einer Bevölkerung oder das "faschistische Verhalten" einer Regierung bleiben mit einem Mal aus. Zeitungen, die der türkischen Regierung zugerechnet werden, fahren plötzlich keine Kampagnen mehr über Europa als angeblichen Schutzhafen für türkische Staatsfeinde und Terroristen.

Deutlicher Tonwechsel

Die politische Führung in der Türkei scheint nun bemüht, ihr Verhältnis zu einzelnen EU-Staaten zu verbessern, mit denen es nach der Verhängung des Ausnahmezustands im Sommer 2016 und besonders während der Kampagne zum Verfassungsreferendum im Frühjahr 2017 zu bis dahin beispiellosen Auseinandersetzungen gekommen war. Dabei geht es in erster Linie um Deutschland, Österreich und die Niederlande – punktuell aber auch um Belgien und Dänemark.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der mittlerweile als eine Art politischer Verbindungskanal zwischen Europäern und der Türkei fungiert, hatte der Führung in Ankara ein ums andere Mal nahegelegt, sie könne keine Bewegung bei Themen in Brüssel erwarten, die ihr wichtig sind, ohne vorher erst wieder ein gutes Verhältnis zu den einzelnen EU-Staaten herzustellen. (Markus Bernath aus Istanbul, Michael Vosatka, 25.1.2018)