Meistens verläuft ein Sturz mit den Brettern, die die Welt bedeuten, glimpflich. Nur ein Bruchteil der Wintersportler verletzt sich spitalsreif.

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Schwarzach – Hauptsaison, das ist für Manfred Mittermair, Leiter der Abteilung für Unfallchirurgie im Krankenhaus Schwarzach in Salzburg, die Zeit zwischen November und April. Vorigen Winter haben er und sein Team fast 5000 Patienten nach Ski- und Snowboardunfällen versorgt. An Spitzentagen waren es über 140 Personen, die ihren Urlaub nicht mit Pistenzauber und Hüttenromantik, sondern mit einem Einkehrschwung ins Spital beendeten. In ganz Österreich verunglücken etwa 50.000 Menschen jährlich beim Wintersport.

Angesichts dieser Zahlen klingt es zunächst wie ein Widerspruch, wenn Mittermair sagt: "Skifahren ist eine sichere Sportart mit einer relativ geringen Verletzungsrate." Trotzdem dürfte er recht haben, das legt zumindest die Statistik nahe. Allein nach Tirol pilgern während der kalten Jahreszeit rund sechs Millionen Touristen, etwa zwei Drittel davon kommen zum Skifahren, Snowboarden oder Langlaufen. Tagesausflügler sind hier noch gar nicht miteingerechnet. In Summe werden in Österreichs Skigebieten über 50 Millionen Skitage jährlich gezählt.

Vor allem selbst überschätzt

"Obwohl die mediale Berichterstattung manchmal einen anderen Eindruck erweckt: Die Piste ist kein Kriegsschauplatz, der Wintersport weitgehend ungefährlich. Das liegt vor allem an der hohen Qualität der Ausrüstung", sagt Anton Kathrein, Leiter der Unfallchirurgie im Sankt-Vinzenz-Krankenhaus Zams. Doch besser heißt in diesem Fall auch schneller. Carvingskier erleichtern nicht nur das Fahren, sie haben auch das Tempo deutlich nach oben geschraubt, sind sich beide Unfallmediziner einig. Demnach vermitteln die kürzeren, taillierten Bretter einem ungeübten oder mittelmäßigen Skifahrer ein trügerisches Sicherheitsgefühl. "Das ist wie der Wechsel von einem Golf auf einen Ferrari", sagt Mittermair.

Auch dazu gibt es eine Statistik: Etwa 90 Prozent der Wintersportunfälle sind laut dem Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) auf Selbstüberschätzung zurückzuführen, ohne Fremdeinwirkung durch andere. Das Paradoxe daran: Fast neun von zehn Verunglückten sind dennoch der Meinung, am Unfall nicht selbst schuld zu sein. Das KfV hat errechnet, dass Kollisionen von zwei oder mehr Skifahrern nur sieben Prozent der registrierten Verletzungsfälle ausmachen. Kommen schwierige Witterungsverhältnisse hinzu, spüren das auch die Ärzte in den Unfallambulanzen. "Liegt Pulverschnee, ist es ruhiger, bei Eis oder Kunstschnee steigt auch die Anzahl der Patienten", weiß Mittermair aus Erfahrung. Vor allem für untrainierte Fahrer wird dann die Piste zum gefährlichen Parcours.

Das weibliche Knie

"Skisaison ist Kniesaison", lautet ein gängiger Spruch unter Ärzten. Am häufigsten sind Kreuz- bzw. Innenbandrisse und Meniskusschäden. Was auffällig ist: Jede zweite Frau, die von der Pistenrettung abgeholt werden muss, ist davon betroffen. Unter den Männern sind es nur halb so viele, wie der Tiroler Sportwissenschafter Markus Posch in einer Studie herausgefunden hat. Als potenzielle Hauptursache zählt für ihn ein Ausrüstungselement, das eigentlich die Sicherheit erhöhen sollte: die Skibindung. Sie öffnet sich bei Frauen weniger häufig als bei Männern. Seine Vermutung: Trotz unterschiedlicher Muskel- und Kraftverhältnisse bleibt bei der Einstellung der Bindung das Geschlecht unberücksichtigt.

Erfreulich ist: Der Helm wird nicht mehr als stilsicherer Fauxpas gesehen, den nur übervorsichtige Spießer tragen. Etwa 80 Prozent der Wintersportler stülpen sich die Hartschale über den Kopf. Das wirkt, wie Mittermair beobachtet hat: "Das Schädel-Hirn-Trauma ist deutlich zurückgegangen. Auch offene Kopfverletzungen oder regelrechte Skalpierungen waren früher häufiger zu sehen. Das gibt es kaum noch." (Günther Brandstetter, 27.1.2017)