Für die Zeit nach Polytec hat Friedrich Huemer schon vorgesorgt. Immobilien sind dann seine Beschäftigungstherapie, gerne auch Hotels. Wichtige Entscheidungen trifft er in der Nacht.

Der Oberösterreicher Friedrich Huemer hat mit seiner Frau Ulrike aus einem kleinen Unternehmen ein großes gemacht. Es gab Zeiten, da lautete der Plan, ein sehr sehr großes zu machen. Weswegen Huemer vor gut neun Jahren den größeren Wettbewerber, die deutsche Peguform gekauft hat. Unmittelbar vor der Krise. Kein guter Zeitpunkt. Nicht alle glaubten damals, dass Polytec überleben würde. Heute geht es dem Unternehmen wieder sehr gut. Huemer hat sich als "Beschäftigungstherapie" für seine Zeit nach der Übergabe mittlerweile Immobilien angeschafft. In E-Mobilität sieht er eine Nische, aber nicht das Heil der Welt.

STANDARD: Früher haben Sie Firmen gesammelt, sind immer größer geworden, bis Sie durch die Übernahme der Peguform vor dem Ausbruch der Finanzkrise in Existenzprobleme kamen. Jetzt sammeln Sie Hotels. Elf haben Sie schon. Könnte da nicht auch ein Projekt daherkommen wie einst die Peguform?

Huemer: Nein, ich habe mich vor ein paar Jahren bewusst entschieden, in Immobilien zu investieren. Als Beschäftigungstherapie für meine Nach-CEO-Zeit. Da kann man mit vertretbarem Zeitaufwand doch erhebliche Summen investieren und damit auch etwas bewegen. Schon in einem ersten Großprojekt waren unter anderem Hotels dabei. Aber erst mit den ersten Falkensteiner-Hotels habe ich mich bewusst mit dem Thema intensiver beschäftigt und mich dafür entschieden.

STANDARD: Wann ist das Imperium groß genug?

Huemer: Das kann ich nicht sagen. Ich bekomme laufend etwas angeboten. Einerseits will ich mich mit den Objekten identifizieren. Ich will nicht in alte Baracken in unattraktiven Lagen mit auf den ersten Blick attraktiven Renditen investieren. Andererseits will ich auch keine Prestigeobjekte, wie zum Beispiel Karl Wlaschek sie gekauft hat. Ich will eine vernünftige Rendite mit Gebäuden, die mich freuen, wenn ich vorbeigehe. Es freut mich natürlich auch, wenn ich in einem schönen Hotel ein paar Tage Urlaub verbringe und weiß, dass es mir gehört.

STANDARD: Wann ist es Zeit für die Übergabe bei Polytec?

Huemer: Mit 65 will ich nicht mehr Vorstandschef sein, da gäbe es noch Spielraum. Mein Sohn ist bereits stellvertretender CEO und trifft im operativen Bereich sehr stark die Entscheidungen. Ob das heuer sein wird, weiß ich nicht. Es ist beruhigend, dass alles so weit vorbereitet ist. Würde ich morgen sagen, ich möchte aufhören, weil es mir in der Nacht eingefallen ist, könnte ich das am nächsten Tag ohne Bedenken umsetzen.

STANDARD: Sie treffen Entscheidungen in der Nacht?

Huemer: Wichtige Entscheidungen sind bei mir sehr oft in der Nacht gefallen. Vor 32 Jahren etwa die, mich selbstständig zu machen.

STANDARD: In der Vergangenheit haben Sie nach dem Desaster mit Peguform mit dem Verlust der Eigenständigkeit bezahlt. Mittlerweile geht es Polytec wieder einigermaßen gut. Zufrieden?

Huemer: Polytec geht es im Moment sogar sehr gut. Wir haben eine Eigenkapitalquote von über 40 Prozent, eine gute Kundenstruktur und praktisch keine Bankverbindlichkeiten. Ich bin in Summe nicht unzufrieden.

STANDARD: Groß zu werden war Ihnen vor der Krise offenbar wichtig ...

Huemer: Ja, es hat mir Freude gemacht zu wachsen. Ich wusste, wir können das. Wir haben etwa kurz nach dem Börsengang 2007 mit zwei Akquisitionen 300 Millionen Umsatz dazugekauft und somit unseren Umsatz um mehr als 50 Prozent erhöht. Trotzdem ist die Verschuldungsquote fast gleich geblieben. Wir haben einen symbolischen Kaufpreis gezahlt, weil beide Firmen Verluste erzielten. Durch Erfahrung und Restrukturierung haben wir Wertsteigerung geschaffen, die Verlustsituation in kurzer Zeit in eine positive Ergebnissituation gebracht.

STANDARD: Sie haben einmal gemeint, Sie wollten mit Ihren Kunden auf Augenhöhe verhandeln. Das habe Sie auch angetrieben. Wie sehen Sie das heute?

Huemer: Ich war damals der Meinung, dass man ab einer gewissen Größe auf Augenhöhe verhandeln kann. Aus heutiger Sicht würde ich das nicht mehr bestätigen. Wirklich auf Augenhöhe wird man als Zulieferer in unserer Branche vermutlich nie sein.

STANDARD: Haben Sie sich da etwas zusammengeträumt? Sie sind doch eigentlich gar kein Träumer.

Huemer: Nein, bin ich nicht. Ich habe die Ziele, die ich mir gesetzt habe, immer übererfüllt. Als ich vor 30 Jahren begonnen habe, war mein Ziel, irgendwann 30 Mitarbeiter zu haben und 30 Millionen Schilling Umsatz. Nachdem ich das innerhalb zweier Jahre überschritten hatte, dachte ich mir, dass ich mir jetzt neue Ziele setzen muss. Dass ich jemals CEO eines börsennotierten Unternehmens sein und hunderte Millionen Euro Umsatz haben würde, habe ich mir nie erträumt, das hat sich ergeben.

STANDARD: Auf dem Höhepunkt hatten Sie zwei Milliarden Umsatz und 14.000 Mitarbeiter. Dann hat es Sie ziemlich durchgebeutelt – wie zuletzt die Autoindustrie mit der Dieseldebatte. Jetzt sehen alle das Heil in der E-Mobilität. Sie auch?

Huemer: Ich glaube nach wie vor nicht, dass ein E-Auto mit Batterie als Speicher die große Zukunft für die breite Masse wird. Natürlich gibt es dafür einen Markt, vor allem im städtischen Bereich, aber auch für Zweit- oder Drittfahrzeuge. Ich bin aber überzeugt, dass das E-Auto den Verbrennungsmotor nicht ersetzen wird, eher glaube ich an die Brennstoffzelle. Im Übrigen glaube ich, dass mit allen Belastungen auch rund um die Batterieherstellung die Welt damit nicht besser wird.

STANDARD: Es heißt, Sie seien ein Sparmeister, aber für Autos könnten Sie sich erwärmen. Haben Sie einen flotten Tesla in der Garage?

Huemer: Ich denke gar nicht daran.

STANDARD: Kein bisschen beeindruckt von Tesla-Chef Elon Musk?

Huemer: Für mich ist Musk eine clevere, intelligente Person, die es schafft, nichts um viel Geld zu verkaufen. Obwohl jedes Jahr hunderte Millionen Verlust gemacht werden, ist Tesla teilweise mehr wert als zum Beispiel BMW, die jedes Jahr Milliarden verdienen. Das bestätigt die teilweise vorhandene Naivität des Kapitalmarktes. Die nächste Steigerungsstufe für eine solche Naivität ist Bitcoin. Elon Musk ist mit seinen teilweise verrückten Ideen zum Milliardär geworden und gilt vielen als Messias, für mich nicht.

STANDARD: Könnte Tesla ein Kunde von Polytec werden?

Huemer: Wir haben für das erste Tesla-Modell, das in Finnland bei Valmet gebaut wurde, alle Exterieurteile in Kunststoff produziert. Hier waren wir mit unserer speziellen Erfahrung im Kleinserienbereich und Leichtbau sowie mit unserem Werk in England auch geografisch gut gelegen. Aufgrund der Produktion der aktuellen Modelle in den USA ist Tesla derzeit kein Kunde. Wenn in Zukunft in Europa produziert werden soll, gibt es natürlich Potenzial, es gibt auch nach wie vor Kontakte. Da bei E-Fahrzeugen Leichtbau eine noch stärkere Rolle spielt als bei Verbrennungsmotoren, gibt es für uns auch einige Ansätze für neue Produkte. So sind wir zum Beispiel auch beim E-Golf von VW mit einem sehr großen Teil Lieferant – mit der gesamten Abdeckung des Batteriesystems.

STANDARD: Sie bauen derzeit in Großbritannien ein Lackierwerk. Wie sehr sorgt Sie der Brexit?

Huemer: Die Abstimmung über den Brexit ist dumm gelaufen und war stark von populistischen Politikern getrieben, die allesamt im Nachhinein Verantwortung abgelehnt haben. Heute würde eine Abstimmung sicher anders ausgehen. Ich persönlich glaube noch immer, dass die Entscheidung nicht endgültig ist. Ich würde mich nicht wundern, wenn eine neue Wahl und dann ein neues Referendum durchgeführt würden. Unser mit Abstand größter Kunde in England, für den wir das neue Werk bauen, Jaguar Land Rover, wird mit Sicherheit auch in Zukunft den wesentlichen Anteil seiner Produktion in England haben, das gehört zu diesen Automarken. Im Übrigen bin ich auch für den Brexit optimistisch, dass zwischen UK und EU vernünftige Abkommen geschlossen werden. Ich sehe daher für uns keine negativen Auswirkungen.

STANDARD: Stichwort Politik: Wir haben zwei Ex-Manager als Wirtschaftsminister und Finanzminister. Wie gefallen Ihnen die ersten Ideen, mit denen sie den Standort Österreich voranbringen wollen?

Huemer: Dass die Koalition gesprengt worden ist, ist in Summe eher positiv. Auch wenn ich den Sprengmeister Wolfgang Sobotka gerne nicht mehr in führender Position gesehen hätte. Von Kanzler Sebastian Kurz habe ich grundsätzlich einmal eine gute Meinung, auch wenn ich mir im Vorhinein nicht vorstellen konnte, dass jemand in diesem Alter macht, was er gemacht hat. Die Verhandlungen nach der Wahl haben mich nicht begeistert. Kurz hat der FPÖ gegenüber viel zu viel nachgegeben. Dass gleich viele Minister aus beiden Parteien kommen, finde ich nicht angemessen. Dass Innen-, Außen- und Verteidigungsminister von der FPÖ kommen, ist international, und auch in Österreich, ein schlechtes Signal, berücksichtigt man den Ruf der FPÖ.

STANDARD: Dafür können Sie sich über die angekündigte KöSt-Senkung der Regierung sicher freuen.

Huemer: Die Höhe der Körperschaftssteuer ist sicher nicht unser Hauptproblem, auch wenn wir als Firma davon einmal davon profitieren. Senkung von Lohnnebenkosten, Flexibilisierung der Arbeitszeit, Entbürokratisierung in Verbindung mit Verwaltungsreform und damit Reduzierung der Ausgaben des Staates sind die wichtigen Themen. Oberstes Ziel müsste die Reduzierung der Verschuldung sein. Wir brauchen keine Steuerreduzierungen, aber auch keine Steuererhöhungen. Die Finanzierung eines hohen sozialen Standards kostet Geld, dagegen bin ich nicht. Im Gegenteil, ich bin für eine soziale Absicherung, aber einen Wohlstand muss sich jeder selbst verdienen.

STANDARD: Sie haben einmal gemeint, eines der wichtigsten Themen seien die Pensionen, und haben vorgeschlagen, den Pensionisten drei Prozent wegzunehmen. Davon ist die neue Regierung weit entfernt. Gut für Sie, haben Sie doch erklärt, wenn sie das machen, verzichten Sie lebenslang auf Ihre Pension.

Huemer: Wenn hier in der ganzen Legislaturperiode nichts Wesentliches passiert, hat die Regierung genauso versagt wie die bisherige. Mindestpensionen sollten regelmäßig erhöht werden. Im mittleren und oberen Bereich sollten Erhöhungen über einen längeren Zeitraum gestrichen werden. Und die Reduzierung von hohen Pensionen sollte kein Tabu sein. (Regina Bruckner, 28.1.2018)