Choreografie auf dem Parkett: Der Akademikerball mobilisierte rund 3.000 Ballgäste.

Foto: APA / FPÖ / Robert Lizar

Wien – Gut is 'gangen, nix is g'schehn. Und wie immer, wenn eine Großdemonstration, noch dazu im Spannungsverhältnis links gegen rechts, friedlich über die Bühne gegangen ist, gibt es Lob. Lob für die Polizei, Lob für die Kundgebungsteilnehmer und, im Fall des Akademikerballs der Wiener FPÖ in der Hofburg, Eigenlob der Veranstalter.

Mit laut Demoveranstaltern rund 10.000 Menschen (8.000 laut Polizeischätzung) gingen am vergangenen Freitagabend rund doppelt so viele gegen den Ball der Burschenschafter auf die Straße wie erwartet. Doch die Polizei musste ihr Grundkontingent von 2.900 nicht aufstocken, weil es außer einem kurzen Feuerwerk abseits der offiziellen Demoroute keine brenzligen Situationen gab. "Die polizeilichen Ziele, den Schutz der Versammlungen zu gewährleisten und für eine sichere Zufahrt der Ballbesucher zu sorgen, wurden zur Gänze erreicht", bilanziert die Wiener Polizei. Und das alles ohne eine einzige Festnahme bei der Demo.

Choreografie auf der Straße: Der Akademikerball mobilisierte auch 8.000 – 10.000 Demonstranten.
Foto: Christian Fischer

Deeskalationstaktik

Die Polizei sieht den Grund dafür bei ihren umfangreichen Vorbereitungen und einer richtig gewählten Deeskalationstaktik. Tatsächlich fiel bei der Kundgebung auf, dass viele Begleitbeamte und Polizisten, die die Sperren sicherten, nicht ständig in kampfbereiter Montur, sondern mitunter mit abgenommenen Helmen auftraten.

Noch wenige Tage davor hatte das anders geklungen. Der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl wollte nicht ausschließen, dass Randalierer aus Hamburg in Wien für Zoff sorgen könnten. Auf dieser offensichtlichen Fehleinschätzung des Staatsschutzes fußte auch das bisher weitläufigste Platzverbot rund um die Hofburg, das die Demonstranten heuer zum Marsch auf den Karlsplatz zwang – einen Hotspot des Innenstadtverkehrs, der nicht anders konnte, als zusammenzubrechen.

Gudenus "stolz" auf Polizei

Wegen der friedlichen Demos hatte die FPÖ heuer auch keinen Grund, Konsequenzen bei der Polizei zu fordern. Im Gegenteil: "Ich bin stolz auf unsere Polizisten, dass die Demonstrationen letztendlich friedlich verlaufen sind und schon alle Ansätze für Ausschreitungen verhindert werden konnten", gratulierte der geschäftsführende Landesparteiobmann der FPÖ Wien, Johann Gudenus.

Er betonte, dass das Demonstrationsrecht unantastbar sei und jeder das Recht habe, zu demonstrieren, wogegen er wolle – "auch gegen eine friedliche Ballveranstaltung". Aber das sei "kein Freibrief für Gewaltexzesse jedweder Art", spannte Gudenus, der selbst eine rauschende Ballnacht in der Hofburg erlebte, erneut den Bogen zu Ausschreitungen bei Demos in der Vergangenheit.

Kern traut Strache nicht

Für Aufsehen, aber auch Argwohn sorgte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ). Getreu seiner Ankündigung nutzte er den Auftritt beim Akademikerball dazu, Antisemitismus in den eigenen Reihen scharf zu verurteilen. Das freiheitliche Lager habe von jeher totalitäre Systeme bekämpft: "Das ist unser Verständnis. Und wer dieses Verständnis nicht trägt, der ist bei uns nicht willkommen", sagte er vor rund 3.000 Ballgästen. "Antisemitismus, Totalitarismus, Rassismus, das ist ein Widerspruch zum burschenschafterlichen Gedanken", so Strache, dessen Tochter Heidi gemeinsam mit dem RFS-Vorsitzenden Maximilian Krauss den Ball eintanzte. Auf Facebook wurde Strache von rechten Fans "Verrat" vorgeworfen.

Der SPÖ-Bundesvorsitzende Christian Kern traut Strache noch nicht über den Weg. Nach dessen Versprechen, den Akademikerball zur "Bühne gegen Antisemitismus" zu machen, ätzte Kern beim Sonderparteitag der Wiener SPÖ am Samstag: "Wie müssen wir uns das dann im nächsten Jahr vorstellen? Gähnend gelangweilte Kellner?"

Ruppige Demo folgte

Nach der friedlichen Demo am Freitag folgte am Samstag eine ruppige: Beim Protest von 1.600 Menschen gegen die türkischen Militärangriffe in Syrien gab es Störaktionen von Anhängern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Der Handelsverband, die freiwillige Interessenvertretung von etwa 100 großen Handelsunternehmen, fordert "fixe Demozonen". "Allein die zahlreichen Ringsperren kosten den Handel jährlich circa 35 Millionen Euro beziehungsweise rund 120 Arbeitsplätze", beklagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. Als mögliche Demo-Arena in Wien wird etwa der Schwarzenbergplatz vorgeschlagen. (simo, 28.1.2018)