Ohne Scheu vor dem Visionären – Philippe Jordan mit den Wiener Symphonikern.

Foto: Jean-Fran

Wien – Wer ist Gott – und wenn ja, wie viele? Immer noch gibt es keine schlüssigen Antworten auf diese zentralen Fragen. Auch der Frieden scheint viele Gesichter zu haben – jedenfalls, wenn man Giacinto Scelsis akustischen Schilderungen in Konx-Om-Pax Glauben schenkt. Im dritten Teil des 1987 uraufgeführten Werks des komponierenden Mediums aus Italien hat der Antipode des Kriegs oft ein fast gewalttätiges Erscheinungsbild.

Immerhin ergeben die drei Zentraltöne, die sich in den Werkteilen durch die Orchesterstimmen bewegen, zusammen einen friedlichen Dur-Dreiklang. Um diese Ankertöne gruppiert Scelsi mal silbrig-lichte Klangflächen oder ordnet wuchtige Ballungen an.

Zerrissenheiten

Die Wiener Symphoniker absolvierten den Trip unter der kundigen Leitung von Philippe Jordan ohne Scheu vor visionären Dingen, der Wiener Singverein beeindruckte durch Textsicherheit. Mit den Konzerten schlossen Jordan und die Wiener Symphoniker ein Konzertprojekt im Musikverein ab, bei welchem die drei letzten Symphonien von Anton Bruckner mit kurzen Werken aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kombiniert wurden. Auf Scelsis Konx-Om- Pax folgte Anton Bruckners Neunte. Seinen symphonischen Letztling hat der Komponist ja "dem lieben Gott" zugedacht, und in den drei fertiggestellten Sätzen des Werks zeigt sich Bruckner denn auch als Zerrissener zwischen Gott und der Welt, zwischen Allmächtigkeit und Liebessehnsucht.

Verwöhnt durch die Extraklasse der Beethoven-Deutungen der Symphoniker im Konzerthaus, merkte man bei der Aufführung der Neunten trotz allen Bemühens der Beteiligten immer wieder, was man eigentlich nicht merken sollte: wie schwer das Werk zu deuten und auch zu spielen ist.

Solide Begeisterung

So hörten sich manche heiklen Stellen der Ersten Geigen auch so an. Und beim Eröffnungsthema des Adagios wartete man vergeblich auf die mehrstufigen emotionalen Metamorphosen, die sich hier bei manchen Wiedergaben ereignen. Solide Begeisterung im Saal; von einem Gottesurteil über die Aufführung wurde nichts bekannt. Die Symphonikerarbeit geht weiter: Nach elf Dirigaten des Chefs ist bei ihnen im Februar Lahav Shani dran.

Der 29-jährige Erste Gastdirigent – Shani ist ab Herbst Chefdirigent in Rotterdam und ab 2020 Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra – leitet das Orchester achtmal. Ein Highlight: Schumanns Klavierkonzert mit Daniil Trifonov am 18. 2. im Konzerthaus. (Stefan Ender, 30.1.2018)