Die Dance On Company besteht aus Künstlern jenseits der 40 Jahre.

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St. Pölten – Eigentlich sollte es keine Frage mehr sein, ob Tänzerinnen und Tänzer jenseits der 40 noch auftreten können – zumindest in der zeitgenössischen Choreografie, diesem weiten Land schier unbegrenzter Möglichkeiten. Insofern scheint das Projekt der 2015 für Tänzer, die mehr als vier Dezennien im Körper haben, gegründeten Berliner Dance On Company ein wenig anachronistisch zu sein.

Doch die Dinge liegen anders. Auf die Ensemble-Ausschreibung vor drei Jahren hatten sich mehr als 230 Bewerber gemeldet. Sechs von ihnen wurden aufgenommen. Nun hat sich Dance On im Festspielhaus St. Pölten mit einem Stück von Rabih Mroué erstmals einem österreichischen Publikum vorgestellt: Water between three hands gehört zum Repertoire der Gruppe, das auch Arbeiten so renommierter Künstler wie William Forsythe, Deboray Hay, Ivo Dimchev oder Kat Válastur enthält.

Zusammenarbeit auf Augenhöhe

Dance-On-Gründerin Madeline Ritter ist seit 1989 Initiatorin, Projekt- (u. a. Tanzplan Deutschland) und Festivalleiterin. Heute gilt sie als eine der organisatorischen Schlüsselfiguren im deutschen Tanz. Ritter hat die Company unter der Leitung von Christopher Roman professionell aufgestellt und ihr ab 2016 Auftritte zwischen Berlin, London, Marseille und Warschau bis Beirut ermöglicht. Am 24. März wird Dance On übrigens auch beim Osterfestival Tirol – mit Forsythes Catalogue (First Edition) – zu sehen sein.

Das Festspielhaus hat Water between three hands im Rahmen eines kleinen Schwerpunkts über das Tanzen im fortgeschrittenen Alter, zu dem auch ein Projekt des deutschen Künstlerpaars Deufert & Plischke eingeladen war, nach St. Pölten geholt. Water between three hands ist schon deshalb besonders, weil der in Berlin lebende libanesische Künstler, Autor und Regisseur Rabih Mroué dem Tänzerensemble große Freiheiten bei der Umsetzung seines Konzepts gab. Es ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe geworden.

Abgeklärte Distanz und galliger Humor

"Bei Ausgrabungen innerhalb meines Körpers", sagt einer der Tänzer zu Beginn, "entdeckte ich Knochen, die nicht die meinen waren." Der Fund habe sich als Teil eines Massengrabs erwiesen. Dieses dunkle Bild wird weitergesponnen. Etwa so: "Ein Mann trägt seine eigene Leiche auf den Schultern und sieht sich nach einem Grab dafür um." Nach der Beerdigung habe dieser Totengräber seiner selbst den Krieg fortgesetzt.

Das Ensemble folgt den Vorschlägen Mroués, dessen bisheriges Werk stark vom Eindruck des libanesischen Bürgerkriegs geprägt ist, und ergänzt die Metaphern des Künstlers durch eigene Ideen. Die tänzerische Umsetzung geschieht mit abgeklärter Distanz, galligem Humor und schmerzlichen Einschnitten in einer vertrackten Ambivalenz, die junge Tänzer nicht verkörpern könnten.

In Water between three hands wird der Körper zu einem Buch, aus dem sich Geschichten auf die Bühne begeben, die das Publikum frösteln lassen und es dennoch, wie der Applaus im Festspielhaus zeigte, begeistern. (Helmut Ploebst, 30.1.2018)