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Ungarns Premierminister Viktor Orbán gibt sich gerne als Kämpfer für nationale Souveränität. Damit beeindruckt er nicht nur seine Anhänger im Inland.

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Vor dem Treffen von Kanzler Sebastian Kurz mit Amtskollege Viktor Orbán war bereits Zeit für einen Handschlag vor Pressefotografen.

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Viktor Orbán darf sich unter Freunden fühlen, wenn er heute, Dienstag, zu einem Besuch in Wien eintrifft. In einem TV-Duell vor der Nationalratswahl hatten ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sogar darüber gewetteifert, wer das bessere Verhältnis zu ihm habe. Hintergrund ist in erster Linie die restriktive Migrationspolitik Ungarns, die von den Freiheitlichen begrüßt wird und die auch bei Kurz ein positives Echo findet.

Wenn am Montag aus der österreichischen Opposition mahnende Worte zum Orbán-Besuch zu hören waren, dann lag das aber auch an weiteren Bereichen der ungarischen Politik, die in anderen EU-Ländern häufig kritisiert werden. Dazu zählen etwa umstrittene Verfassungsreformen, Politisierung von Justiz und Schulwesen oder das Vorgehen gegen ausländische Unternehmen und NGOs.

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"Wir halten die politischen Freundschaften von Kurz und Strache für höchst fragwürdig", sagte Neos-Parteichef Matthias Strolz auf einer Pressekonferenz in Wien. Auch die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Julia Herr warnte vor autoritären Tendenzen in Ungarn: Orbán habe "die Entdemokratisierung Ungarns zu seinem Projekt gemacht".

Wie es "der Orbán" macht

Keine Probleme mit Orbán hat FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Als er am 13. Jänner beim traditionellen Frühschoppen seiner Partei in der Vösendorfer Pyramide vor die Fans trat, stand er unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck. Die Sozialpolitik der neuen türkis-blauen Regierung hatte gerade den Unmut der Parteibasis erregt. Man regiere eben nicht allein, meinte der Vizekanzler. "Hätten wir die absolute Mehrheit, könnten wir es wie der Orbán machen."

Parteipolitisch gehört Ungarns Regierungspartei Fidesz zur Familie der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch die ÖVP angehört. Ideologisch steht der Rechtspopulist Orbán der FPÖ dennoch viel näher. Er regiert das Land seit 2010. Die Parlamentswahlen am 8. April werden seine Macht nicht gefährden. Orbán hat die Medienfreiheit reduziert, in die Justiz eingegriffen und weite Teile der Wirtschaft Oligarchen zugeschanzt, die von ihm abhängig sind.

"Illiberale Demokratie" ausgerufen

Im Sommer 2014 rief er die "illiberale Demokratie" aus. Kontrollinstanzen wie Verfassungsgericht, Opposition oder unabhängige Justiz werden in diesem System an den Rand gedrängt und zunehmend unwirksam gemacht. Die Führungsriege kann ohne große Einschränkungen durchregieren.

"Orbán wurde zum Rollenmodell der illiberalen Demokraten in ganz Europa, von Marine Le Pen in Frankreich bis zur gegenwärtigen Regierung in Polen", schrieb der Rechtsextremismusforscher Cas Mudde im Guardian. "Es ist eine Art hybrides Regime, ein semiautoritäres Regime", meinte der Historiker Timothy Garton Ash jüngst in der "Financial Times". "Es wirft fundamentale Fragen über die Natur der EU auf: Ist sie noch eine Gemeinschaft von Demokratien?"

Kindergeldkürzung und AKW Paks als Streitpunkte

Das Verhältnis Budapests zur neuen Führung in Wien ist jedoch kein ungetrübtes. Die Kürzung des Kindergeldes für Osteuropäer, die in Österreich arbeiten, zieht 39.000 ungarische Familien in Mitleidenschaft. Die von Wien betriebene EU-Klage gegen den Ausbau des AKW Paks durch Russland wird in Budapest als noch unfreundlichere Geste empfunden. Sollte die Klage Erfolg haben, würden die Interessen der ungarischen Oligarchen als Nutznießer von Anschlussaufträgen leiden. (Gregor Mayer aus Budapest, Gerald Schubert, 30.1.2018)