Maria Vassilakou sagte in Bezug auf die internationale Expertenstudie: "Was die Studie nicht schafft, ist, aus Tunnelgegnern Befürworter zu machen." Die Haltung der Grünen gegen den Tunnelbau bleibe unverändert. Durch die Ergebnisse der TU-Studie fühlt sie sich bestätigt.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Das geplante Autobahnprojekt inklusive Lobautunnel soll laut Asfinag 1,9 Milliarden Euro kosten. Aktuell prüft das Bundesverwaltungsgericht in zweiter Instanz den positiven Umweltverträglichkeitsbescheid.

Grafik: APA

Wien – In das rot-grüne Streitthema Lobautunnel kommt wieder Bewegung. Und das just am ersten offiziellen Arbeitstag des neuen Wiener SPÖ-Chefs Michael Ludwig. Das ist natürlich "kein Zufall", wie die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou auch bestätigte.

Am Montag präsentierte die Verkehrsstadträtin die lange erwartete Studie zum umstrittenen Autobahntunnel unter dem Nationalpark. Vassilakou hatte eine internationale Expertengruppe beauftragt, Alternativen zum Tunnelbau zu überprüfen.

Das Ergebnis des Gremiums ist klar, wie Mitautor Christof Schremmer vom Institut für Raumplanung ausführte. "Der Tunnel ist unbedingt notwendig", sagte er. Eine Alternative, also eine andere Trassenführung, ist "nicht mehr realisierbar" oder "weniger verkehrswirksam", wie es in dem 38-seitigen Bericht heißt.

Schremmer verwies auf das Bevölkerungswachstum in Transdanubien, also in den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt. Die Studie rechnet bis 2030 mit rund 110.000 zusätzlichen Einwohnern und einem Bedarf von deutlich mehr als 60.000 Arbeitsplätzen in den beiden Bezirken. Schon heute gebe es ein "erhebliches Arbeitsplatzdefizit". Die Wirtschaftsentwicklung würde ohne Autobahnlückenschluss erheblich behindert. Die ab 2018 vorgesehenen Bebauungen in der Seestadt Aspern sowie in weiteren großen Stadtentwicklungsgebieten müssten laut Studie ohne S1-Donauquerung unterbleiben.

Öffi-Ausbau und wienweites Parkpickerl notwendig

Zeitgleich seien aber auch ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie ein flächendeckendes Parkpickerl in Wien notwendig. Wenn über den Tunnel positiv beschieden wird, müssten diese Begleitmaßnahmen laut Studie "unmittelbar eingeleitet werden", damit diese bei der Eröffnung der S1-Donauquerung wirksam werden.

Die Sinnhaftigkeit eines Öffi-Ausbaus samt Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung auf ganz Wien wurde auch in einer Grundlagenstudie der Technischen Universität (TU) Wien über den Lobautunnel aufgezeigt, die ebenfalls am Montag präsentiert wurde. Diese untersuchte auf Basis von Verkehrszahlen vier Szenarien.

Experte Harald Frey kam zu dem Schluss, dass der Tunnel nicht notwendig sei, um den Pkw-Anteil in Wien zu senken. Mit dem Tunnel – aber ohne Öffi-Ausbau und Parkpickerl-Ausweitung – würde der Pkw-Anteil im Vergleich zum Status quo sogar zunehmen. "Der Tunnel allein wäre kontraproduktiv. Da sind sich alle einig."

Haltung der Grünen bleibt unverändert

Vassilakou sagte in Bezug auf die internationale Expertenstudie: "Was die Studie nicht schafft, ist, aus Tunnelgegnern Befürworter zu machen." Die Haltung der Grünen gegen den Tunnelbau bleibe "unverändert". Durch die Ergebnisse der TU-Studie fühle sich Vassilakou bestätigt.

Ob Tunnel oder nicht: Der Öffi-Ausbau und das flächendeckende Parkpickerl müssen laut Vassilakou so oder so umgesetzt werden. "Wenn nichts geschieht, erstickt Wien, ganz besonders die Donaustadt, im Verkehr." Verwiesen wird auf geplante und zusätzliche Öffi-Projekte. Ganz oben auf der Liste stehen der Ausbau sowie Taktverdichtungen bei der S-Bahn und neue Verbindungen mit Bus, Bim und U-Bahn.

Entscheidung trifft das Gericht

Die Entscheidung, ob der Lobautunnel kommt, werde nicht von der Stadt, sondern "vor Gericht getroffen", sagte Vassilakou. Aktuell prüft das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in zweiter Instanz den positiven Umweltverträglichkeitsbescheid für das Autobahnprojekt von Schwechat bis Süßenbrunn, das laut Asfinag auf 1,9 Milliarden Euro Kosten kommt (siehe Grafik). Eine Prognose, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei, könne nicht getroffen werden, sagte eine BVwG-Sprecherin.

Grafik: APA

Vassilakou sehe ihre Rolle darin, alles daranzusetzen, dass es zu einem Ausbau bei den Öffis und beim Parkpickerl komme. "Vonseiten des Koalitionspartners gibt es Unterstützung." Ernst Nevrivy (SPÖ), Bezirksvorsteher in der Donaustadt, sagte zum STANDARD: "Wenn der Lobautunnel und die Stadtstraße gebaut sind, kann man mit mir über alles sprechen." Eines schloss Nevrivy aber aus: dass es ein Parkpickerl vor der Autobahneröffnung gibt. Den Öffi-Ausbau hingegen "hätte ich jetzt schon gerne".

Von der Expertenstudie fühlt sich Nevrivy bestätigt: "Die wissen, wovon sie schreiben." Die zweite Studie bezeichnete er als "grüne Studie". Die beiden Studien, die laut Vassilakou in der Rohfassung und noch ohne Einordnung seit Juni vorlagen, kosteten die Stadt insgesamt 167.000 Euro.

Eine Summe mit einigen Nullen mehr wäre für den angesprochenen Öffi-Ausbau notwendig. Dieser wird eines der Themen sein, die Vassilakou mit SPÖ-Chef Ludwig besprechen will. Einen Gesprächstermin soll es "sehr bald" geben. Mit Ludwig habe sie bisher "sehr gut und intensiv" zusammengearbeitet. Den Vorstoß Ludwigs, wonach dieser für eine Wartefrist bei der Mindestsicherung eintritt, wollte Vassilakou nicht kommentieren. "Ich möchte nicht die ersten Tage nach seiner Kür dazu nutzen, um reflexartig alles zu kommentieren."

Pro- und Contra-Positionen bezogen

Die Positionen in der Causa Lobautunnel bleiben gleich bezogen: SPÖ, ÖVP, FPÖ, Wirtschaftskammer und ÖAMTC sprachen sich am Montag in Aussendungen erneut für den Bau des Tunnels aus. Neben den Grünen sind auch die Umweltorganisation Virus und der Verkehrsclub Österreich dagegen. (David Krutzler, 29.1.2018)