Abgasversuche an Menschen und Affen haben eine Welle der Empörung ausgelöst.

Foto: APA/Helmut Fohringer

Heinz Fuchsig, Umweltreferent der Ärztekammer, plädiert für kürzere Übergangsfristen und die Nachrüstung von Nutzfahrzeugen.

Foto: Heinz Fuchsig / Twitter

STANDARD: Die von der Autoindustrie in Auftrag gegebenen Versuche, bei denen gesunde Menschen und Affen in Kammern in der Umwelt vorkommenden Stickoxid-Belastungen ausgesetzt wurden, haben angeblich keine Gesundheitsschaden verursacht, aber auch keine neuen Erkenntnisse gebracht. Wurde das Falsche getestet?

Fuchsig: Nein. Aber die Versuche von Professor Kraus, dem Leiter der Arbeits- und Umweltmedizin der Uni Aachen, haben bestätigt, was man aus vielen anderen Tests bereits weiß: Stickstoffdioxid macht bei den üblicherweise in der Umwelt vorkommenden Konzentrationen keinen Gesundheitsschaden. Erst bei zehnfacher Dosis kommt es bei gesunden Menschen, beim Fünffachen bei Asthmatikern zur Schädigung.

STANDARD: Wenn giftige Stickoxide in der Praxis so ungefährlich sind, warum zählen sie dann zu den negativen Folgen der Dieseltechnologie?

Fuchsig: Weil die klar bei hohen Stickstoffdioxid-Werten in der Umwelt dokumentierten Schäden wie erhöhte Spitalsaufnahmen oder Sterblichkeit vom ultrafeinen Partikel stammen, das an den Messtellen gar nicht gemessen wird – das geht mit dem Grenzwert PM 10 gar nicht, und mit PM 2,5 sind sie kaum zu erfassen. Stickstoffdioxid und Ultrapartikel stammen aus der gleichen Quelle, dem ungefilterten Dieselmotor. Deshalb sind die Diesel-Partikelfilter das wichtigste Instrument im Kampf gegen Feinstaub. Im Übrigen sind Stickoxide keineswegs harmlos, das sind Ozonvorläufer und tragen zur Überdüngung bei.

STANDARD: Woher kommen diese ultrafeinen Partikel plötzlich und was unterscheidet sie von "normalen" Partikeln aus einer Heizung oder aus dem Rauchfang?

Fuchsig: Der Druck im Motor ist über die Jahre enorm gestiegen. Erst seit zirka zwanzig Jahren erzeugen sie bis zu 4.000 bar, jetzt sind es bei einem Lkw 12.000 bar – das Zwölffache dessen, was am Grund des Marianengrabens herrscht. Das ist für die Verbrennung im Motor vorteilhaft, der Diesel ist so viel besser geworden. Aber das bisschen, was unverbrannt heiß aus dem Auspuff kommt, sind immer noch Millionen von Partikeln pro Kubikzentimeter Abgas. Die Gesundheitsschäden sind sehr groß. Die für den Körper nicht aufzulösenden Dieselpartikel gehen nicht nur in die Lungenbläschen, sondern bis ins Gehirn, ultrafeine Partikel finden sich sogar im Gehirn ungeborener Kinder. Das ist der große Unterschied zum Hausbrand, wo viel gröbere Partikel, sogenannte Kondensate, emittiert werden. Natürlich muss auch hier viel in Richtung saubere Verbrennung unternommen werden, denn schlecht verbranntes Holz erzeugt krebserregende Aromate.

STANDARD: Und diese ultrafeinen Partikel sind mit Abgasrückführung oder Abgasreinigungssystemen nicht zu erfassen, aber ein gewöhnlicher Partikelfilter soll helfen? Der ist doch grob ...

Fuchsig: Nur der Filter hilft. Die Partikel im heißen Abgas sind so stark in Bewegung, dass sie sogar in einem Filternetz hängenbleiben, das zehntausendmal gröber ist als das Partikel. Alle Hersteller schaffen es mittlerweile, mehr als 99 Prozent herauszufiltern.

STANDARD: Verstehe ich das richtig, der Kampf gegen Stickoxidemissionen allein bringt nicht viel, weil die Feinstaubpartikel das Problem sind?

Fuchsig: Ultrafeinstaubpartikel sind trojanische Pferde, ein Trägerstoff, an dem sich unverbrannter Kohlenwasserstoff, Stickoxide und viele andere Stoffe anheften. In Kombination sind sie hochgefährlich.

STANDARD: Ist die EU auf dem richtigen Weg? Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro-5 und Euro-6 haben ja schon Partikelfilter.

Fuchsig: Ja, aber die Übergangsfristen sind viel zu lang. Die alten Autos sind das Problem, wobei eine Nachrüstung alter Pkw viel zu teuer ist und auch nicht viel bewirkt. Die alten Lkws aber gehören unbedingt und dringend nachgerüstet, von ihnen geht die größte Gesundheitsgefährdung aus. (Luise Ungerboeck, 30.1.2018)