Mike Galsworthy warnt vor den Folgen des Brexits für Forscher.

Foto: Scientists for EU

Wien – Es war der Tag nach dem Wahlsieg der britischen Konservativen unter David Cameron, der für den Fall, dass er gewinnen sollte, ein Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der EU versprochen hatte. An diesem 8. Mai 2015 änderte sich das Leben von Mike Galsworthy und Rob Davidson schlagartig.

Galsworthy, unabhängiger Berater in Innovationspolitik und Gastforscher an der Londoner School of Hygiene and Tropical Medicine, und Davidson, Data-Scientist, gründeten die Plattform Scientists for EU. Nachdem der entsprechende Facebook-Account gestürmt worden war, begannen sie auch auf Twitter mit ihrer Kampagne, später folgte dann die Website. Ihr Ziel: über den Brexit detailreich zu informieren und ihn natürlich, wenn möglich, aufzuhalten. Das sei noch immer möglich, sagt Galsworthy zum STANDARD anlässlich seines Besuchs beim Wiener Wissenschaftsball am vergangenen Samstag. "Immer mehr Briten wünschen sich eine zweite Abstimmung mit der Option, vom Austritt zurückzutreten." EU-freundlichen Briten sei schon länger klar, "dass die Türe noch offen ist", obwohl der Zeitpunkt des Austritts mit 29. März 2019, Mitternacht feststeht.

Galsworthy zitiert einen Bericht der Zeitung "The Guardian", wonach eine Mehrheit von mehr als 5000 Befragten für ein zweites Referendum eintreten würde und zunehmend besorgt über mögliche Folgen des Austritts sei. Das Ergebnis einer solchen zweiten Abstimmung sei aus heutiger Sicht völlig offen.

EU-Angebot abgelehnt

Die breite Öffentlichkeit habe aufgrund der Brexit-Rhetorik der konservativen Regierung von Premierministerin Theresa May noch nicht erkannt, dass ein Verbleib in der EU sehr wohl noch möglich sei. Deswegen seien Initiativen von EU-Politikern begrüßenswert: Europaratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker haben die britische Premierministerin erst kürzlich eingeladen, in der EU zu bleiben, was diese postwendend ablehnte.

Der Brexit würde, davon ist Galsworthy überzeugt, die europäische Wissenschaft stark schwächen. Großbritannien habe in den vergangenen Jahren in Wettbewerben um Fördermittel besonders gut abgeschnitten und sehr viele "innovative Ideen" in Kooperationen mit EU-Wissenschaftspartnern eingebracht. Zwar werde man in Europa sicher versuchen, die Briten als Partner nicht zu verlieren, aber das Ergebnis zäher Verhandlungen könne sicher kein Verbleib im gegenwärtigen Status sein. Erst im Spätherbst des vergangenen Jahres haben Hochschulen aus mehr als 20 Ländern vor einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Forschungsinstitutionen aus Großbritannien und der EU gewarnt. Der negative Einfluss des Brexits sei schon spürbar.

Aufklärung und Fake-News

Unterdessen versucht es Galsworthy beharrlich mit Aufklärung und sieht das auch als eine zentrale Aufgabe der Wissenschaft in Zeiten von Fake-News: "Die Leute glauben heute nur daran, woran sie glauben wollen. Zuerst kommen die Emotionen, und danach werden Fakten gesucht oder zurechtgerückt, die diese Emotionen untermauern", sagt der Wissenschafter. Das heißt? "Wenn Sie wollen, dass die Menschen Fakten als solche beurteilen, müssen Sie sie zuerst im Herzen erreichen, ihnen beweisen, dass Sie auf ihrer Seite sind." Wer immer sie mit belehrenden Worten zu überzeugen versuche, werde auf Abwehr, auf eine Wand der Verständnislosigkeit treffen. Populisten würden diesen Zustand der Gesellschaft für ihre Zwecke ausnützen, die britischen Konservativen zum Beispiel liebten es, "mit Folklore und Gerüchten Politik zu machen".

Zur mitunter geäußerten Kritik, Wissenschafter sollten sich aus der Politik heraushalten, meinte Galsworthy, nicht nur Wissenschafter, jeder Mensch sollte sich in die Politik einmischen. "Das ist doch die Basis der Demokratie."

Natürlich dürfe ein Forscher der Öffentlichkeit nicht mitteilen, wie sie zu wählen habe. Er müsse sie aber so gut wie möglich informieren, damit sie dann wirklich aufgeklärt über alle Fakten eine Entscheidung treffen kann. (Peter Illetschko, 31. 1. 2018)