Für viele Studierende sind Aufnahmeverfahren und beschränkte Fächer schon jetzt Realität – etwa für Medizin (hier im Austria Center).

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer
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Wien – "Es gibt keine Schlussstrichdebatte, weder an den Schulen, noch an den Universitäten." Mit diesen Worten betonte Bildungs- und Wissenschaftsminister Heinz Faßmann am Dienstag, dass angesichts der Causa um das antisemitische Liederbuch der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, deren Vizechef der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer war, nicht so einfach zur Tagesordnung übergegangen werden könne.

Beitrag aus der ZiB 1 am Dienstag.
ORF

Für ihn, der auch für Schulen zuständig ist, sei das Thema besonders wichtig, weil angesichts dieses Falls zu fragen sei: "Wie erfolgreich waren wir in der Sensibilisierung? Das ist ja auch eine Frage der persönlichen Einschätzung und Entrüstung, wie man auf solche Liedtexte reagiert", sagte Faßmann. Eine Liedzeile lautete: "Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million."

Aber auch als Uniminister ist Faßmann das Thema näher gekommen, als ihm lieb ist: In einem Protestbrief fordern mehr als 160 Rektoren und Wissenschafter von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Beendigung der "Zusammenarbeit mit allen, die Mitglieder rechtsextremer Burschenschaften beschäftigen". Vor allem aber steht bis 1. März die heikle Neubesetzung der Universitätsräte an. Rektoren wie etwa Gerald Bast von der Angewandten haben sich schon im November im STANDARD gegen schlagende Burschenschafter in den Uniräten verwahrt: "Das ist ein Symbol für eine antiaufklärerische Haltung."

Uniräte werden gescreent

Das sieht auch Minister Faßmann so: "Wir screenen so gut wir können, ob vorgeschlagene Uniräte hinsichtlich einschlägiger Meinungsäußerungen oder Auftritte nicht zu akzeptieren sind."

Eigentlich wollte die türkis-blaue Regierungsspitze an dem Tag ja etwas anderes aus ihrem Leistungskatalog verkaufen, nämlich die neu Unifinanzierung. Die jedoch nicht wirklich neu ist, wie nicht nur STANDARD-Leserinnen und -leser wissen. Wurde sie doch schon vor einem Dreivierteljahr vom damaligen Wissenschaftsminister, Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner präsentiert. Für seinen Nachfolger als Parteichef, Bundeskanzler Sebastian Kurz, ist das geplante Finanzierungsmodell jedenfalls "ein klares Signal der Regierung", das den Unis neben mehr Budget für die Jahre "mehr Planbarkeit und mehr wissenschaftliches Personal" bringen werde. Es wird heute, Mittwoch, im türkis-blauen Ministerrat beschlossen. Vizekanzler Heinz-Christian Strache nannte nach einem Treffen mit der Universitätenkonferenz (Uniko) Montagabend als Ziel sinkende Dropout-Zahlen, bessere Betreuungsrelationen und einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt.

Faßmann spricht von "Paradigmenwechsel"

Faßmann sprach in einem Hintergrundgespräch von einem "Paradigmenwechsel", der mit dem neuen Budgetmodell ab Jänner 2019 eingeläutet werde. Die 21 öffentlichen Unis bekommen für die dreijährige Budgetperiode bis 2021 1,35 Milliarden Euro mehr, das Unibudget steigt dann auf elf Milliarden Euro an und wird auf Basis von Lehre (je nach Fächergruppe gibt es unterschiedlich viel Geld pro Studienplatz), Forschung und Infrastrukturkriterien vergeben. 510 "neue" Millionen sind für die Verbesserung der Betreuungsverhältnisse vorgesehen, damit können ungefähr 500 Professuren sowie anderes Unipersonal finanziert werden.

Das zielt vor allem darauf, extrem belastete Studien zu entlasten. In Erziehungswissenschaft etwa muss ein Professor im Schnitt 123 Studierende betreuen, in Fremdsprachen beträgt das Verhältnis 1 zu 73, in Jus kommt eine Professorin auf 70 Studierende. Es sind auch diese drei Fächer, für die es neue Zugangsregeln geben wird – zusätzlich zu fünf schon bisher regulierten Fächergruppen und weiteren Beschränkungen. Zielgröße ist 1 zu 40. (siehe Grafik links und WISSEN unten)

SPÖ warnt vor weniger Studienplätzen

Während die Rektoren von einem "großen Schritt", dessen Details aber wichtig seien, sprachen, warnte SPÖ-Wissenschaftssprecherin Andrea Kuntzl vor einer Kürzung von bis zu 15.000 Studienplätzen binnen drei Jahren. Faßmann erwartet das nicht. Man wolle ja vor allem "prüfungsinaktive" Studierende aktivieren: "Jetzt geht die Institution, die Uni, in Vorleistung und wird liefern", sagte er. "Und ich erwarte schon, dass die Studierenden das nützen." Die ÖH kritisierte ein "wirkungsloses Placebo". Die Neos reagierten "vorsichtig positiv", die Liste Pilz versteht das "Dilemma", will aber keine "Selektion nach Geldbörse der Eltern", die Grünen kritisieren "höhere Mauern für den Unizugang". (Lisa Nimmervoll, 30.1.2018)