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Wien – Die Regierungsparteien haben sich am Mittwoch darauf verständigt, ein Verfahren zur Auflösung der pennalen Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt von Amts wegen einzuleiten. Die Verbindung, deren Funktionär der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer gewesen ist, war vor zwei Wochen in die Schlagzeilen gekommen, als bekannt wurde, dass in ihrem offiziellen Liederbuch eine den Holocaust verharmlosende Strophe des Studentenliedes "Es lagen die alten Germanen" enthalten war.

Beitrag aus der ZiB um 9 Uhr.
ORF

Der Pennäler-Ring hatte daraufhin die Mitgliedschaft der Germania ruhend gestellt und diese Verbindung am Dienstagabend auch offiziell ausgeschlossen.

Die Staatsanwaltschaft hat seit Tagen wegen des Verdachts nationalsozialistischer Wiederbetätigung gegen vier Mitglieder der Germania, darunter einen inzwischen ebenfalls ausgeschlossenen SPÖ-Funktionär, ermittelt.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vereinbart, dass ein Auflösungsverfahren gegen die Germania eingeleitet wird, sagte Kurz am Mittwoch vor dem Ministerrat vor Journalisten.

Rechtsextremismus-Bericht für Kickl nicht nötig

Voraussetzung für die Auflösung wäre allerdings, dass strafrechtswidrige Aktivitäten festgestellt werden, wie Innenminister Kickl am Mittwoch im Pressefoyer nach dem Ministerrat erläuterte. Eine Notwendigkeit für die Wiedereinführung des Rechtsextremismusberichts sieht Kickl nicht.

Der Generalsekretär im Innenministerium habe am Mittwoch mit dem niederösterreichischen Landespolizeidirektor Kontakt aufgenommen, um bei der Vereinsbehörde ein Auflösungsverfahren gegen die Burschenschaft einzuleiten, erklärte Kickl. Es bestehe – wegen des aufgetauchten Liederbuchs – der Verdacht auf strafbare Handlungen nach dem NS-Verbotsgesetz. Werden strafrechtliche Aktivitäten festgestellt, stehe am Ende des Verfahrens auch die Auflösung des Vereins.

Politische Konsequenzen gefordert

Kurz sprach sich schon vor dem Ministerrat neben strafrechtlichen auch explizit für politische Konsequenzen aus, war doch der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer Vizevorsitzender der betroffenen Burschenschaft: Die Aussage der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), wonach es keine Zusammenarbeit mit Landbauer in der Landesregierung geben werde, teile er "zu hundert Prozent", betonte Kurz.

Die Entscheidung, ob Landbauer aus der Partei ausgeschlossen werden beziehungsweise sich überhaupt aus der Politik zurückziehen soll, ist für Kurz eine Sache der niederösterreichischen FPÖ, wie er auf Nachfrage erklärte. "Sie können sich vorstellen, dass ich für mich in der ÖVP weiß, wie ich die Entscheidung treffen würde."

Strache sieht keine Verantworlichkeit Landbauers

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ist zwar wie Kurz der Meinung, dass alle Verantwortlichen sowohl strafrechtlich als auch politisch zur Verantwortung gezogen werden müssten, für ihn ist Udo Landbauer davon aber nicht betroffen. Dieser habe mehrfach und "glaubhaft" versichert, antisemitische Liedtexte nicht gekannt zu haben, daher sei er auch nicht dafür verantwortlich.

Auf die Frage, ob Landbauer auf die Funktion des Landesrates in Niederösterreich verzichten solle, wollte er sich nicht festlegen, das sei Sache der niederösterreichischen FPÖ – "ich werde dem nicht vorgreifen".

Längeres Verwaltungsverfahren zu erwarten

Wie geht es nun weiter? Es sei davon auszugehen, dass Erkenntnisse aus den laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien gegen vier Personen auch in das Verwaltungsverfahren zur möglichen Auflösung der Burschenschaft einfließen, sagte Kickl auf Nachfrage. Ob man konkret ein Gerichtsurteil abwarten muss, konnte der Minister nicht sagen. Nicht einschätzen wollte Kickl, bis wann das Verfahren beendet sein wird. Auch eine Einschätzung, ob es letztlich zur Auflösung der Burschenschaft kommen wird, wollte er nicht abgeben.

Der Forderung der SPÖ, den Rechtsextremismusbericht wiedereinzuführen, möchte Kickl nicht nachkommen. Einen solchen hat es bis zum Jahr 2002 gegeben, seit der Abschaffung durch Schwarz-Blau sind die Entwicklungen über die rechtsextreme Szene im Verfassungsschutzbericht enthalten.

Kickl auch gegen linken oder religiösen Extremismus

Darauf verwies auch der Innenminister: Ziel sei es, Extremismus "in allen Formen" zu bekämpfen – ob rechts, links oder religiös motiviert –, und die Beobachtungen dazu seien eben in einem Bericht zusammengefasst. "Es wird nicht notwendig sein, jetzt einen eigenen Rechtsextremismusbericht zu verlegen."

Auf die Frage, ob jemand wie Udo Landbauer, der ja Vizevorsitzender der Germania war, für eine Landesregierung oder einen Landtag tragbar sei, ging Kickl nicht ein. Überall dort, wo der Verdacht auf strafbare Handlungen bestehe, seien selbstverständlich behördliche Schritte zu setzen, "das beschränkt sich nicht nur auf Burschenschaften", meinte Kickl. Die Frage von Schuld müsse man immer auch individuell klären, und die Klärung obliege der Staatsanwaltschaft. (red, APA, 31.1.2018)