New Kingdom – nach zwei sehr guten Alben sind sie wieder verschwunden – heute wird ihr
"Paradise Don't Come Cheap" als verkanntes
Meisterwerk verehrt.

Gee Street

Eine Bank ausrauben oder eine Band gründen? Die Frage stellten sich Jason Furlow und Sebastian Laws, nachdem sie ihre Jobs bei Canal Jeans am unteren Broadway in New York verloren hatten. Das war Anfang der 1990er.

Furlow und Laws waren zwei Stoner, die drüben, im damals noch abgewrackten Williamsburg, Brooklyn, gemeinsam ein Loft bewohnten. Als Schlafstatt fungierte ein darin aufgebautes Zelt, das Wort Loft erfüllt überm Teich nicht immer die Fantasien der alten Welt. In einem resthellen Moment fiel die Entscheidung auf Gruppe gründen. Die Chancen, auf LSD eine Bank zu knacken und davonzukommen, wurden zu Recht als eher gering eingeschätzt.

New Kingdom: "Paradise Don't Come Cheap" – erschienen 1996.

Wohin die Reise gehen sollte, war da noch nicht klar. Zuerst gruben sich die zwei über Wochen hinweg durch die eigenen Plattensammlungen und markierten mit hunderten Postings Stellen, die sich sampeln ließen. Momente, die eine Stimmung einfingen, die einen Vibe verströmten, auf den die beiden sich einigen konnten.

Inspiriert von Isaac Hayes und Deep Purple

Die Dankeslisten ihrer Alben lesen sich entsprechend: Namen wie Isaac Hayes, Curtis Mayfield und Betty Davis stehen dort neben Deep Purple, den Misfits oder Black Flag. In der Musik paaren sie sich dann.

"Horse Latitude".
The Chill Pill Corner

Furlow und Laws nannten sich New Kingdom und trafen Scott Harding. Der hatte damals bereits mit den Jungle Brothers, De La Soul und anderen Kalibern der New Ýorker Hip-Hop-Szene gearbeitet und sollte bald beim Wordsound-Label Chefproduzent werden und daneben alles aufnehmen, was zwischen RZA, Björk, den Neubauten und Arto Lindsay noch Platz fand. Er mochte den unkonventionellen Ansatz der beiden und klinkte sich ein.

Zäh und heavy

1993 entstand das Debüt "Heavy Load". Tracks, durchzogen von Blues-Harmonicas, Hardrock-Riffs, Soundschnipseln, die bewusst ins Leere liefen, zusammengeleimt zu einem lavaartigen Strom. Zäh und heavy, verdrogt wie die Musik der artverwandten Cypress Hill und dem sektenhaft verstrahlten Bandnamen alle Ehre machend. Die Melvins des Hip-Hop.

"Unicorns Were Horses" – Die Flaming Lips sind nicht die einzigen Stoner mit Einhorn-Fantasien.
Offline

"Heavy Load" war kommerziell ein Reinfall, dabei klingt es heute noch schärfer als ein Großteil der damals angesagten Abräumer des Fachs. Doch das war noch nichts im Vergleich zu "Paradise Don't Come Cheap".

Drei Jahre später erschien das zweite und finale Werk von New Kingdom. Noch zäher, noch mehr heavy load am Rücken, als das erste Album als Versprechen einzulösen vermochte. Heute nennt man Furlow deswegen einen der Vordenker des Trip-Hop.

Psychedelische Loops

Das mag aus einer US-amerikanischen Eingeschränktheit betrachtet richtig sein, einer historischen Prüfung hält es nicht stand, was aber egal ist.

Denn der Grund dieser Einschätzung ist offensichtlich: Anstatt präzise Beats und slicke Funkiness aus dem Universum des James-Brown-Fundus wie die meisten anderen zu fladern, verschleppten New Kingdom ihre Beats. Sie affichierten an ihnen psychedelische Gitarrenloops, Deep Funk und tamponierten sich die Nasenlöcher, um ihre Raps (ein großes Wort für das Genöle) möglichst far-out klingen zu lassen. Mission accomplished.

Der Opener von "Paradise Don't Come Cheap": "Mexico or Bust". Hip-Hop als Roadmovie.
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Im selben Jahr gelang Hip-Hop mit dem Welterfolg der Fugees der endgültige Durchbruch in den Mainstream. Am anderen Ende der beseelten, aber eben doch sehr braven und aufgeräumten Musik der Fugees waren New Kingdom zugange.

Sam Peckinpah als Hip-Hop

"Paradise Don't Come Cheap" sollte in ihrer Fantasie wie ein Roadmovie funktionieren. Eine Vertonung von Sam Peckinpahs "Bring Me the Head of Alfredo Garcia", wie Furlow sagte. Die Eröffnungsnummer "Mexico or Bust" legt deutlich diese Spur, den Rest des Albums braucht man nicht versuchen, an einer Idee festzumachen. Zu irrlichternd wuchert es aus, ohne formal zu zerfallen.

Monster im Studio

Während New Kingdom "Paradise Don't Come Cheap" aufnahmen, arbeiteten Sonic Youth im selben Studio. Überliefert ist ein Zusammentreffen mit Kim Gordon. Sie sagte zu Furlow: "Every time your door opens it sounds like fucking monsters are coming out of there!"

"Fueled by liquid courage ..." – wer kennt das nicht? Der Titelsong von "Paradise Don't Come Cheap".
jabbaadabbaa

"Paradise Don't Come Cheap" blieb der kommerzielle Erfolg ebenfalls versagt. Der Albumtitel war angeblich ein Knicks vor Kurt Cobain. Doch die Musik war zu schräg, zu verrückt. Dafür glüht sie heute noch so wie die Hochhäuser in der Nacht drüben in New Jersey, wenn sie im Dunklen wie glimmende Briketts aussehen. Düster, gefährlich.

Und so gestaltete sich das live: Mitte der 1990er in UK.
Terry Christian

Nach dem Album war Schluss. Furlow gründete eine Familie. Harding widmete sich Soloarbeiten, seinem Studio, Wordsound und ist eine bis heute große Nummer im Biz. Laws übernahm das Geschäft seines Vaters. Über die Jahre wurde "Paradise ..." immer wieder entdeckt, heute wird es vielerorts als verkanntes Meisterwerk verehrt. Wie heißt es so schön: "When shit happens, legends begin." (Karl Fluch, 6.2.2018)