"Wir brauchen eine klare Aufteilung", verlangt Platter

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Innsbruck/Wien – Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) fordert eine Entwirrung des Föderalismus. "Wir brauchen nicht weniger, sondern einen klareren Föderalismus", betonte er im APA-Interview. Insbesondere sollten Materien, bei denen der Bund Grundsätze beschließt und die Länder für die Ausführungsgesetze zuständig sind, entweder gesamt in Bundeskompetenz oder einheitlich in den Bereich der Länder fallen.

Diese im Artikel 12 des Bundes-Verfassungsgesetzes geregelten Bereiche gehörten entwirrt, sagt Platter: "Am besten wäre es, den gesamten Artikel 12 zu streichen". Es dürften nicht verschiedene Gebietskörperschaften für ein Thema verantwortlich sein. "Dieses Mischmasch ärgert die Bevölkerung und die Unternehmen", bemängelte Tirols Landeschef. Vor allem weil bei der Diskussion über dieses Thema "kein Ende am Horizont" absehbar sei.

Schützenhilfe aus dem Ländle

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) unterstützt seinen Tiroler Regierungschef-Kollegen Günther Platter (ebenfalls ÖVP) in der Forderung nach einem "klareren Föderalismus". Die Landeshauptleute hätten sich zuletzt ganz deutlich für Aufgabenentflechtungen und klare Kompetenzzuteilungen ausgesprochen und seien zur Übernahme von mehr Verantwortung bereit, betonte Wallner.

Der Vorarlberger Landeshauptmann stimmte demnach Platters Vorschlag zu, den Artikel 12 der Bundesverfassung grundlegend zu überarbeiten. Artikel 12 legt die Grundsatzgesetzgebung durch den Bund fest und überlässt die Ausführungsgesetzgebung den Ländern. Dieser könnte laut Wallner weitgehend aufgelöst werden, um Mischkompetenzen wie etwa im Spitals- und Sozialbereich zu entwirren und neu zu ordnen. In einem gemeinsamen Prozess mit dem Bund müsste in einem Gesamtpaket neu definiert werden, wer welche Kompetenzen übernehme. "Wir brauchen einen modernen Föderalismus. Das bedeutet, unnötige Doppelgleisigkeiten abbauen und klare Länder-Kompetenzen aufbauen", sagt Wallner.

Klare Aufteilung der Kompetenzen

"Wir brauchen eine klare Aufteilung", verlangt Platter eine verfassungsrechtliche Änderung in jenen Bereichen, wo es Kompetenzüberschneidungen zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften gibt.

Beispielsweise sollte der Bund österreichweit für den Jugendschutz verantwortlich sein: "Es ist nicht einzusehen, dass es Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern gibt, etwa was die Sperrstunde anbelangt".

In diesen Bereichen seien die Länder durchaus bereit, Kompetenzen abzugeben. Im Gegenzug dazu könnten die Länder die alleinige Zuständigkeit für die Krankenanstalten und die Bodenreform erhalten. Einen weiteren Bereich, der den Artikel 12 B-VG betrifft, sei etwa das Armenwesen. "Wir brauchen bundesweit einheitliche Regelungen auf diesem Gebiet", sagt Platter, der dabei vor allem an eine einheitliche Mindestsicherung denkt.

Entflechtung der Zuständigkeiten sinnvoll

Unterstützung für die Vorschläge des Tiroler Landeshauptmannes kommen vom Innsbrucker Verfassungs- und Verwaltungsrechtler Peter Bußjäger, auch Direktor des Instituts für Föderalismus. "Ein prinzipielles 'Ja' dazu. Eine Entflechtung wäre ein sinnvolles Projekt", sagte Bußjäger. Die Grundsatzgesetzgebung sei zwar "gut gemeint", aber habe sich "in der Praxis" nicht bewährt, sagt Bußjäger. Dies liege daran, dass der Bund davon "immer exzessiver" Gebrauch gemacht habe.

Die "Tücke" bei einer Entwirrung würde in der Zuordnung der Kompetenzen liegen, schränkte Bußjäger aber ein. Keine Probleme sah er etwa bei der Jugendfürsorge und der viel diskutierten Mindestsicherung, die unter Artikel 12 B-VG fallen. Sollte tatsächlich ein, wie von der Bundesregierung beabsichtigt, einheitliches Mindestsicherungsmodell kommen, dann könnte man hier die Gesetzgebungskompetenzen im Sinne einer Entwirrung dem Bund übertragen.

Bei Krankenanstalten wird es kompliziert

Schwierigkeiten hinsichtlich einer Gesetzgebungskompetenz-Bereinigung und damit einem "Aus" für Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung sah der Jurist hingegen bei einem bestimmten Bereich: den Krankenanstalten. Hier werde man "innovative Lösungen" bzw. eine "Zwischenlösung" finden müssen, denn die gesamte Gesetzgebungskompetenz in Bundeshand sei angesichts der Kostenträchtigkeit wohl nicht so leicht durchführbar. Die Gesetzgebung für die Gesundheitsstandards müsste wohl in Bundeshand sein, die Planung hingegen in jener der Länder.

Bußjäger gab auch zu bedenken, dass die Grundsatzgesetzgebung nicht nur Materien des Art. 12, sondern etwa auch das darin nicht geregelte Schulwesen umfasse. Im Falle einer Reform würde es hier "ans Eingemachte" gehen. Die Gesetzgebung für die Pflichtschulerhaltung wäre dann wohl sinnvoller bei den Ländern aufgehoben, jene für die Schulorganisation mit den Lehrplänen beim Bund.

Ein völliges Streichen des Artikels 12, wie von Platter ins Spiel gebracht, sei prinzipiell möglich, sagt der Verfassungsjurist. Doch es gebe einen Haken: Sämtliche darin geregelten Materien würden dann – "weil nicht ausdrücklich erwähnt" – automatisch in Landeskompetenz übergehen. Der Experte skizzierte stattdessen einen zweiten Weg: Die Kompetenzen, die zum Bund wandern sollen, könnten aus dem Artikel herausgenommen und in einen anderen hineinverschoben werden. Für letzteres würde sich der Artikel 11 B-VG eignen. Dabei handelt es sich um eine Bestimmung, in der Angelegenheiten aufgelistet sind, die in der Gesetzgebung Bundessache und in der Vollziehung Landessache sind – also die sogenannte mittelbare Bundesverwaltung betreffen.

Länder wollen mehr Rechte, auch bei den Steuern

Platter seinerseits denkt jedenfalls daran, den Bundesländern auch weitere Bereiche ganzheitlich zu übertragen. Platter erwähnt dabei etwa an die Aufgaben des Bundesdenkmalamtes oder der Wildbach- und Lawinenverbauung. "Dafür muss dann aber auch die finanzielle Abgeltung neu geregelt werden", erklärte Tirols Landeschef. Statt die finanziellen Mittel pro Kopf zu verteilen, müssten diese künftig den Herausforderungen, mit denen die einzelnen Länder konfrontiert sind, angepasst werden. "Das Burgenland hat im Bereich der Wildbach- und Lawinenverbauung nun einmal andere Ereignisse zu bewältigen als Tirol". Auch die Arbeitsinspektorate müssten nicht bundesweit einheitlich geregelt werden. Diese könnten stattdessen flexibel über die Bezirkshauptmannschaften gestaltet werden, so die Argumentation.

Am Ende der Bestrebungen stehe freilich die Steuerautonomie für die Länder, sagt Platter: "Das ist letztlich dann das Instrument, mit dem der klare Föderalismus voll gelebt werden kann". Bis es aber dazu komme, sei ein langfristiger Prozess notwendig. Platter glaubt, dass diese Änderungen, für die es eine einheitliche Position der Länder gebe, mit der aktuellen schwarz-blauen Regierung umgesetzt werden könnten.

"Die teure Überbürokratisierung kann mit einem klaren Föderalismus endlich beseitigt werden". Tirols Landeschef ließ in diesem Zusammenhang Justiz- und Reformminister Josef Moser (ÖVP) Vorschusslorbeeren zukommen. Er werde mit diesem alsbald "das Gespräch suchen", sagt Platter. (APA, 31.1.2017)