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Die größten Vorkommen von Seltenen Erden befinden sich in China, etwa in der Inneren Mongolei oder in Nancheng in der chinesischen Provinz Jiangxi.

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Zu den Metallen der Seltenen Erden gehören 17 Elemente. Doch ihre Bezeichnung ist eigentlich missverständlich und historisch bedingt.

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Wien – Postfossil und digital: Schlagworte, die die Energiewende und moderne Kommunikationstechnologien beschreiben. Die Seltenen Erden sind dafür großteils – noch – unverzichtbare Bestandteile. Die 17 Metalle besitzen für die Industrie wertvolle Eigenschaften und stecken zum Beispiel in Mobiltelefonen oder Katalysatoren. Sie sind aber auch in Elektromotoren oder Windkraftturbinen für nachhaltigere Energiegewinnung unerlässlich. "Darin steckt ein Widerspruch. Sie sind wichtiger Bestandteil von Zukunftstechnologien, der Abbau ist aber wenig nachhaltig", schreiben Heike Holdinghausen und Luitgard Marschall in ihrem neuen Buch Seltene Erden. Umkämpfte Rohstoffe des Hightech-Zeitalters. Darin schildern sie unter anderem Fakten, Geschichte und Umweltaspekte rund um die 17 Elemente.

Seltene Erden sind Grundlage ganzer Industrien und des modernen Alltags. In Japan werden sie passend dazu "Vitamine der Industrie" genannt. Doch an ihnen lassen sich auch ökologische und politische Konflikte der globalisierten Welt nachzeichnen. "Für den Verbraucher sind die Produkte aber neu und gesichtslos", schreiben die Autorinnen. "Seltenerdminen wie Mountain Pass in Kalifornien, die noch am nachhaltigsten produziert haben, sind in Konkurs gegangen", sagt die Pharmazeutin und Technikhistorikerin Marschall dem STANDARD. Im Vergleich mit den Seltenerdproduktionsstätten in China, Australien oder Malaysia galten dort höhere Umwelt- und Sozialstandards. 2015 kündigte der US-Förderer Molycop jedoch Insolvenz an.

Geringe Recyclingquoten

"Dies bedeutet, dass die Abnehmer von Seltenen Erden, darunter namhafte deutsche Unternehmen, einfach nicht bereit sind, die höheren Kosten einer nachhaltigen Produktion zu tragen", sagt Marschall. Umweltjournalistin Holdinghausen schließt sich dieser Einschätzung an: "Wie man sieht, war der Versuch des nachhaltigeren Abbaus keine Lösung. Es braucht strengere politische Vorgaben. Und es sollte überlegt werden, hier auch Unternehmen in die Pflicht zu nehmen."

Denn die Folgen für Umwelt und Bevölkerung in den Abbaugebieten sind oft gravierend. Da die Metalle nicht in Reinform auftreten, müssen sie über zum Teil aufwendige Verfahren von anderen Mineralien separiert werden. Sie werden beim Abbau zudem mit Säuren aus den Bohrlöchern gewaschen. In den Rückständen können sich neben den Säuren auch Thorium, Uran, Schwermetalle oder Fluoride befinden. Lagerstätten in China, Brasilien, Australien oder den USA haben mit Radioaktivität zu kämpfen, sagen die Autorinnen.

Mit der zunehmend intensiveren Nutzung der Seltenerdmetalle durch die Wirtschaft steigt außerdem die Feinverteilung. "Fast alle Seltenen Erden, die unter beträchtlichen Umweltgefahren gehoben werden, gehen nach ihrer Nutzung verloren", sagt Marschall. Denn die sogenannte Dissipation, also Zerstreuung, ist hoch, sie beträgt fast 90 Prozent. Entsprechend gering ist also die Recyclingquote. "Seltene Erden können mittlerweile fast schon zuverlässig im Trinkwasser von vielen Großstädten nachgewiesen werden", so Marschall.

In China werden Seltene Erden bereits seit Jahrzehnten dem Tierfutter beigemischt und etwa in der Schweinemast als Wachstumsbeschleuniger eingesetzt. "Nach der Ausscheidung der Metalle über den Kot der Tiere verteilen diese sich unwiederbringlich in der Umwelt und gehen einer weiteren Nutzung verloren.

Suche nach Alternativen

Seltene Erden sind übrigens gar nicht so selten, wie der Name suggeriert. Die Forscher des 18. Jahrhunderts verstanden damals unter "selten" einen ungewöhnlichen Stoff. Einige Elemente kommen in der Erdkruste sogar häufiger vor als Arsen und Blei. Die US-amerikanische Geological Survey (USGS) schätzte die Menge der weltweiten Reserven 2015 auf 130.000.000 Tonnen. Rund 43 Prozent davon sollen in China vorhanden sein.

Bei Seltenen Erden ist die Volksrepublik auch auf dem Weltmarkt dominant. Doch dieses Monopol verliert zunehmend an Bedeutung. 2010 gab China bekannt, dass es die Förderung und den Export Seltener Erden mit Quoten begrenzen will, und katapultierte damit die Preise in die Höhe. Allerdings hatte dieser Schritt auch andere Konsequenzen: Einige Industrienationen begaben sich auf die Suche nach günstigeren Alternativen. Neben alternativen Metallen wurden komplett neue technische Lösungen entwickelt. Einige Firmen waren dabei teils sehr erfolgreich.

Auch der Siegeszug der LED-Lampen ist ein Beispiel, da sie pro Lichtstromeinheit Lumen 15- bis 20-mal weniger Seltene Erden benötigen als Energiesparlampen. International wird zudem intensiv daran geforscht, den Anteil an Seltenen Erden bei den starken Magneten, die etwa in Windkraftanlagen oder Elektromotoren eingesetzt werden, zu reduzieren. Unter dem Druck der Welthandelsorganisation hat China die Ausfuhrschranken ab 2015 wieder abgebaut. Doch bereits zwischen 2009 und 2013 war die Weltproduktion von 133.500 auf 90.500 Tonnen eingebrochen.

Heike Holdinghausen sieht in Seltenen Erden ein Beispiel dafür, dass ein nachhaltiger Umgang mit Rohstoffen wichtig ist. Die Entdeckung der Elemente begann bereits vor 150 Jahren in der kleinen schwedischen Gemeinde Ytterby nahe Stockholm. Die gesamte "Erdenchemie" sei aber lange Zeit eher ein Exotenfach gewesen, bis auf einmal technische Innovationen passierten: "Man weiß nie, was man von Stoffen noch erwarten kann. Daher ist es auch unter diesem Gesichtspunkt wichtig, sich alle Pfade der Entwicklung offen zu halten." (Julia Schilly, 1.2.2018)