Melanie Gattringer (links) beim Grand Prix von Österreich.

Foto: Red Bull Content Pool/Mirja Geh

Wien – Die Formel 1 schafft die Grid-Girls ab. Sie sind laut offizieller Erklärung der Verantwortlichen nicht mehr "mit den Markenwerten in Einklang zu bringen und klar im Widerspruch zu modernen gesellschaftlichen Normen".

Unverständnis gibt es nicht nur bei Niki Lauda, sondern auch bei vielen Fans und Fahrern. Aber was denken eigentlich die Grid-Girls selbst? Die 23-jährige Melanie Gattringer aus Oberösterreich gibt die Antwort.

STANDARD: Die Grid-Girls in der Formel 1 sind Geschichte. Zu Recht?

Gattringer: Man sagt unter anderem, Grid-Girls würden nicht mehr zur Marke der Formel 1 passen. Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Gerade in Spielberg repräsentieren wir in Dirndln starke, junge, unabhängige Frauen im ländlichen Stil. Zumindest zu Österreich passt das eigentlich sehr gut, auch zum Motorsport.

STANDARD: Unter unseren Lesern wird heftig diskutiert. Warum emotionalisiert das Thema die Menschen derartig?

Gattringer: Das Aufhübschen des Motorsports hat Tradition. Und Traditionen werden ungern aufgegeben. Gerade von Männern. Manche Frauen wiederum befürchten eine gewisse Bevormundung. Auf der anderen Seite gibt es natürlich Stimmen, die sich freuen, dass die Grid-Girls verschwinden.

STANDARD: Ebendiese Kritiker sehen eine Degradierung der Frau zum Objekt. Kann man da widersprechen?

Gattringer: Ich hatte bei keiner Veranstaltung jemals das Gefühl, auf mein Äußeres reduziert zu werden. Man wird dort ja nicht nur angestarrt und fotografiert. Viele, die nun reden, haben ein falsches Bild von der Arbeit. Ich verfüge über einen Spielraum, mich als Frau zu präsentieren. Wie gebe ich mich? Wie rede ich mit den Menschen?

STANDARD: Man erwartet, dass Sie ohne Unterbrechung lächeln.

Gattringer: Natürlich muss man den Leuten freundlich begegnen. Bei welcher Arbeit wird das nicht erwartet? Das ist doch in jeder Firma so. Ich kann zweifellos behaupten, dass mich die Wochenenden in der Formel 1 bereichert haben. Sie waren Abenteuer und Erfahrung zugleich. Man kann dort in wenigen Tagen einiges lernen.

STANDARD: Und zwar?

Gattringer: Man lernt, in jungen Jahren in einem spannenden Umfeld als Gruppe zu funktionieren, im Vorfeld findet ein großes Teambuilding statt. Das Wochenende ist ja auch in sozialer Hinsicht eine Herausforderung. Man begegnet sehr vielen unterschiedlichen Menschen.

STANDARD: Wird es dabei manchmal unangenehm?

Gattringer: Mir ist jedenfalls noch nichts widerfahren. Ich wurde noch nie begrapscht, auch nicht blöd angesprochen. Man hat mir noch nicht mal angeschafft, dass ich so oder so dastehen soll. Im Grunde konnte ich mir immer treu bleiben, ich war immer ich selbst. Sonst würde ich es nicht machen.

STANDARD: Sie haben auch beim Air Race und in der Moto GP gearbeitet. Waren die Erfahrungen dort ähnlich?

Gattringer: Es gibt Unterschiede. In der Moto GP habe ich gesehen, wie manche Marken Grid-Girls einsetzen. Dort tragen sie extrem kurze, knappe Kleidung. Das wirkt doch um einiges künstlicher, aufgesetzter. Ich habe das beobachtet und nicht unbedingt das Gefühl, dass diese Inszenierung bei den Leuten besser ankommt.

STANDARD: Wird die Kritik am vermittelten Frauenbild in diesem Fall doch verständlicher?

Gattringer: Ich finde auch das nicht verwerflich. Die Frau entscheidet selbst, ob sie sich für diesen Job bewirbt, und ob sie ihn schlussendlich auch annimmt. Wenn man sich gerne so präsentiert, warum nicht? Warum will man einer Frau sagen, was sie zu tun hat? Jede Frau soll selbst entscheiden, das macht Unabhängigkeit doch aus. So verliert man nur die Chance auf ein Einkommen.

STANDARD: Wie viel verdient ein Grid-Girl an einem Wochenende?

Gattringer: Das hängt natürlich davon ab, ob man über eine Agentur vermittelt wird oder ob man zum Beispiel über ein Voting dazustößt. Man steigt aber auf jeden Fall nicht leer aus, die Bezahlung ist fair. Dazu kommen immer einige Geschenke, in Spielberg darf man auch das Dirndl behalten.

STANDARD: Eine schreibende Kollegin von Motorsport-Total.com fordert in einem Kommentar: "Frauen gehören weg aus der Startaufstellung und rein in die Rennautos". Wäre ein Cockpit nicht doch reizvoller?

Gattringer: Ich bin lieber Grid-Girl als Rennfahrerin. Der Motorsport ist mir zu gefährlich. (Philip Bauer, 2.2.2018)