Helga Krismer, Chefin von Niederösterreichs Grünen, will eine Wahlanfechtung prüfen.

Foto: APA / robert jäger

Die Niederösterreicher könnten dadurch nochmal zur Wahl ihres Landtags gebeten werden.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

St. Pölten – Haben die Grünen Erfolg, stecken sie in Schwierigkeiten. Am Freitag kündigte Landesparteichefin Helga Krismer an, eine Anfechtung der Landtagswahl am Sonntag zu prüfen. Hintergrund ist die Novelle des Wahlrechts für Zweitwohnsitzer, die laut Krismer zu "Tricksereien und Willkür" durch ÖVP-Bürgermeister geführt habe.

Sollte sie sich für eine Anfechtung entscheiden und das Gericht zum Schluss kommen, dass die Wahl wiederholt werden muss, stehen die Grünen vor einem gewaltigen finanziellen Problem: Wegen der Rettung der Bundespartei musste das Budget für den Landtagswahlkampf schon erheblich reduziert werden. Krismer haftete für einen Parteikredit mit 450.000 Euro Privatvermögen.

Für einen weiteren Wahlkampf hätte die Landespartei schlicht kein Geld, wie Krismer dem STANDARD bestätigt: "Dann bleiben uns nur noch Hausbesuche." Das würde auch die Wiederbelebung der Bundespartei gefährden. Die Grünen haben jetzt vier Wochen Zeit, um die Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) einzubringen.

Demokratie-Masochismus

Den Schritt dennoch zu prüfen, erklärt Krismer zu ihrer "demokratiepolitischen Pflicht". Es sei Aufgabe der Grünen "aufzupassen, dass Wahlen in Niederösterreich rechtmäßig ablaufen und Wähler nicht um ihr Recht betrogen werden".

Noch dazu sei das eine Mandat, das der ÖVP die absolute Mehrheit bringe, nur schwach abgesichert, man müsse also relativ wenige Stimmen "beanstanden". Da nehme man den "demokratiepolitischen Auftrag sehr ernst, auch wenn wir uns selbst große Schmerzen zufügen würden". Bei einem neuerlichen Wahlgang droht dann ja auch wieder das Ausscheiden aus dem Landtag – was auch einer Wiederbelebung der Bundespartei zuwiderlaufen würde.

Überforderte Gemeinden, gestrichene Wähler

Wie DER STANDARD in Kooperation mit "Dossier" ausführlich berichtete, führte die Novelle des Wahlrechts in Niederösterreich zu teils chaotischen Zuständen. Bisher waren alle Zweitwohnsitzer in niederösterreichischen Gemeinden bei Landtagswahlen stimmberechtigt.

Nach der von der ÖVP betriebenen Reform des Wahlrechts im Sommer 2017 waren Bürgermeister verpflichtet zu überprüfen, ob diese Bürger einen "ordentlichen" Wohnsitz haben, der ihr Wahlrecht begründet. Der Aufwand war vor allem für große Gemeinden mit vielen Zweitwohnsitzern enorm – und das vage formulierte Gesetz wurde von Gemeinde zu Gemeinde sehr unterschiedlich ausgelegt: In der Stadtgemeinde Retz etwa wurden 350 von 850 Nebenwohnsitzern aus der Wählerevidenz gestrichen, in St. Pölten kein einziger.

Nur eine Beschwerde

Die Grünen kritisierten die Novelle von Anfang an, bis heute würden sich Bürger bei ihr wegen Unregelmäßigkeiten melden, sagt Krismer. Sie macht auch stutzig, dass laut Sora-Analyse mehr als zwei Drittel der Nebenwohnsitzer ÖVP gewählt hätten – man wisse ja, "dass vor allem von ÖVP-Bürgermeistern sehr viele Wähler gestrichen wurden".

Beim Landesverwaltungsgericht sei nur eine einzige Beschwerde im Zusammenhang mit der Wahl eingegangen, erklärte das Gericht auf APA-Anfrage – dabei sei es um eine Person mit Hauptwohnsitz gegangen. Landtagspräsident Hans Penz (ÖVP) verteidigte die Regelung, der Erlass für die Gemeinden habe "klar geregelt, wie vorzugehen ist".

ÖVP: "Wenn sie meinen"

Der FPÖ-Klubchef und designierte Landesrat Gottfried Waldhäusl sagt, man habe die Zweitwohnsitzerregelung "von Anfang an kritisiert. Wir sagen aber ganz klar, dass Wahlergebnisse zur Kenntnis genommen werden sollten." Für die Freiheitlichen stehe jetzt die Arbeit für die Niederösterreicher im Vordergrund.

Auch Neos-Vorsitzende Indra Collini erklärt auf STANDARD-Anfrage, ihre Partei habe die Zweitwohnsitzerregelung schon im Wahlkampf kritisiert – die Neos selbst werden die Wahl jedoch nicht anfechten. Es sei aber "natürlich das demokratische Recht" der Grünen.

Als Reaktion auf die aktuelle Prüfung einer Anfechtung durch die Grünen heißt es aus der ÖVP auf STANDARD-Anfrage nur, das sei Angelegenheit der Grünen, Nachsatz: "Wenn sie meinen." (Sebastian Fellner, 2.2.2018)