58 Prozent der ehemaligen Teach-First-Lehrer und – Lehrerinnen sind angeblich nach wie vor im Beruf tätig. Das Programm gibt es in 46 Ländern weltweit.

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James Darley war über zehn Jahre lang Recruiting-Chef bei Teach First, der Schwesterorganisation von Teach for Austria – und kürzlich in Wien zu Gast.

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Die meisten können sich an zumindest einen Lehrer erinnern, der wichtig für sie war. Der ihren weiteren Weg auf die eine oder andere Weise beeinflusst, geprägt, der sie beeindruckt und inspiriert hat. Genau das mache den Lehrerberuf wiederum so attraktiv, ist James Darley überzeugt. Darley war von 2004 bis 2016 Graduate Recruitment Director von "Teach First UK". Die Organisation rekrutiert Uni-Absolventen als Lehrer an Brennpunktschulen. Kürzlich war der Brite zu Gast in Wien bei Teach for Austria, wie das Programm in Österreich heißt.

Was treibt Junge an?

In seiner Zeit bei Teach First hat Darley es angeblich geschafft, den Lehrerberuf in "low-income schools" als einen der beliebtesten Berufe für Absolventinnen und Absolventen der anspruchsvollsten Universitäten Englands zu etablieren. Darley soll also dazu beigetragen haben, dass Alumni von Cambridge, Oxford und Co lieber in der Klasse stehen und Hausaufgaben korrigieren, als etwa in einer Bank oder einer Consulting-Firma Karriere zu machen. Sechs Prozent der Absolventen der 24 Elite-Unis bewerben sich laut Darley bereits bei Teach First.

Gefragt, wie ihm das gelungen ist, sagt er: "Indem ich Teach First zu einer attraktiven Marke gemacht habe." Es gelte zu triggern, was die junge Generation interessiert, antreibt. "Sie wollen etwas beitragen, sie wünschen sich Sinn im Job – wollen aber auch sich selbst weiterentwickeln." Dass einige Jahre als Lehrer dafür förderlich sein könnten, müsse man den Jungen vermitteln.

Anders anwerben

An den unterschiedlichen Universitäten würden darüber hinaus aber unterschiedliche Strategien angewandt, sagt Darley. Zu erkennen ist das auch in Österreich: An der Universität Wien wirbt Teach for Austria anders als an der Wirtschaftsuni. Während Studierenden geisteswissenschaftlicher Fächer gesagt wird, dass sie als Lehrer einen gesellschaftlichen Beitrag leisten können, werden Wirtschaftsstudenten mit Leadership-Skills gelockt.

Es gebe drei Arten potenzieller Interessenten, sagt Darley. Die einen "wollen einfach Lehrer sein" – um sie anzusprechen, müsse man mit der Arbeit mit Kindern werben. Der zweiten Gruppe, den Karrieristen, gehe es vor allem um die Skills, die sie für spätere Jobs brauchen könnten. Die dritte Gruppe wiederum seien Idealisten: "Sie haben festgestellt, dass die Gesellschaft ungleich und unfair ist", sagt Darley. "Ihnen müssen wir sagen, dass sie dazu beitragen können, das zu ändern."

Anonyme Bewerbungen

Das Auswahlverfahren laufe schließlich anonym ab. Angaben wie Geschlecht oder Name seien für die Recruiter nicht sichtbar. So will man erreichen, dass es auch Bewerber und Bewerberinnen aus niedrigen sozialen Schichten in die Endauswahl schaffen.

Nun wäre einzuwenden, dass das Bildungssystem selbst schon sehr selektiv ist. Nur bestimmte soziale Milieus schaffen es an die Hochschule, von Eliteunis ganz zu schweigen. Eine gewisse Zahl von Topuniversitäten zu rekrutieren sei Vorgabe der Regierung, die die Organisation fördert, antwortet Darley. Immerhin 40 Prozent der Teilnehmer des Programms seien aber Kinder von Eltern, die gar nicht an die Uni gegangen sind, 25 Prozent seien selbst an einer Brennpunktschule gewesen.

Zwei Drittel noch Lehrer

Überhaupt sei akademischer Erfolg zwar wichtig, "noch wichtiger sind aber Menschlichkeit, Empathie, Resilienz. Kann jemand mit Kindern umgehen? Hält man durch, wenn es einmal nicht so gut läuft?" Wie man diese Fähigkeiten im Auswahlverfahren feststellen will? "Wir simulieren eine Unterrichtsstunde", sagt Darley.

Mehr als 10.000 Absolventen rekrutierte er in seiner Zeit als Recruiting-Chef. 58 Prozent seien nach wie vor Lehrer, circa elf Prozent im Bildungssektor tätig, einige arbeiteten in einer Privatschule. "Auch das ist sehr gut, weil sie den Schülern dort vermitteln können, wie privilegiert sie eigentlich sind." Wieder andere hätten Sozialunternehmen gegründet. Zwölf Prozent arbeiteten in Konzernen, die Hälfte seien Sponsoren von Teach First.

Andere unbeliebte Berufe

Was für den Lehrerberuf funktioniert, könnte doch auch für andere unbeliebte Berufe im öffentlichen Sektor funktionieren, sagte sich Darley – und gründete 2016 Transform. Ziel ist, Organisationen, die Talente etwa für Polizei, Justizwache und Sozialhilfe rekrutieren, zu vernetzen und zu begleiten. Das Konzept könnte auch für Österreich interessant sein, meint Gebhard Ottacher, Geschäftsführer von Teach for Austria. "Allerdings sind wir zehn Jahre hinterher."

Wer einmal in einer Schule gearbeitet habe, könne sich überall behaupten, sagt James Darley, ehemaliger Recruiting-Chef von Teach First UK, das in Österreich Teach for Austria heißt. 46 Länder weltweit haben ein ähnliches Programm. (Lisa Breit, 7.2.2018)