Man kann auch ohne Spaß Theater mit Alkohol haben: Die trinkenden Damen (v. li.: Sona MacDonald, Elfriede Schüsseleder und Therese Lohner) begrüßen einen neuen Tag voller Gelage.

Foto: Herwig Prammer

Wien – In den Wiener Kammerspielen hat sich ein Höllensturz ereignet. Vergleichbar scheint er dem bekannten Fall des Dorfrichters Adam. Dieser kracht, weil er das sittsame Mädchen Eve verführen will, in Kleists Zerbrochnem Krug vom Gartenspalier hinab in den Abgrund ewiger, unsühnbarer Schuld.

Hedwigs (Sona MacDonald) Fall liegt ähnlich, er ist nur deutlich verworrener. Sie, eine Hautärztin der gehobenen Wiener Gesellschaft, pflegt unausgesetzt zu trinken. Und weil der falsche Freund Alkohol ein großer Gemeinschaftsbildner ist, frönt sie ihrem Laster bevorzugt in der Gesellschaft Gleichaltriger.

Eine verkrachte Pianistin (Elfriede Schüsseleder), eine Exballerina (Therese Lohner) und eine höhere Anstandsdame i. R. (Marianne Nentwich) bilden eine subversive Suffzelle. Diese vier Goldmädchen mit silbernem Haar greifen bei der geringsten Gelegenheit zur Flasche. Und so hängt das Günstigste, was sich über Thomas Vinterbergs / Mogens Rukovs Seniorinnenballade Suff sagen lässt, mit Raimund Orfeo Voigts Bühnenbild zusammen.

Wenig moussierend, noch weniger amüsierend

MacDonald liegt eingangs mit dem Rücken auf der Decke. Alles hat sich buchstäblich umgedreht in dieser Welt der mopsfidelen Alkoholmissbrauchsopfer. Der Stuckfries bildet nunmehr die Bodenleiste. Die Flügeltür steht kopf, die quietschvergnügten Zecherinnen purzeln wie kotzende Maikäfer in die gute Stube. Die wunderbare Sona MacDonald hat den undankbarsten Part in diesem insgesamt wenig moussierenden und noch weniger amüsierenden Stück. Sie muss, um vor ihrer Spaßbremse von Sohn (Martin Niedermair) nicht als unmanierliche Alte dazustehen, rasch ausnüchtern und fortan die Fahne der Abstinenz hochhalten. Schafft sie nicht, will sie auch gar nicht schaffen.

Man kann nicht sagen, Regisseurin Alexandra Liedtke würde nicht händeringend und flaschenkippend versuchen, aus diesem heiteren Unsinn ein Komödiendestillat zu gewinnen. Während das Leergut der Flaschen den Boden strukturiert, mühen die Schauspielerinnen sich redlich um Haltung. Die Einfälle des Stücks gipfeln in der Anmutung, eine der Damen könnte sich im Vollrausch eines der Vorhänge als Mittel zur rektalen Reinigung bedient haben.

Noch im ersten Teil des Abends tanzt MacDonald mit einer ihrer Flaschen zärtlich, als wolle sie ihr kleines Kind in den Schlaf wiegen. In solchen allzu spärlichen Momenten muss man sozusagen schlucken. Ihrer gibt es zu wenige. Die Pseudofrage des Abends – sollen die Damen nicht trinken, wenn es ihnen Spaß macht? – möchte man nicht beantworten. (Ronald Pohl, 3.2.2018)