Cellist Mischa Maisky holte in Wien spielend seine Geburtstagsfeier nach.

LIVA/Herzenberger

Wien – Jetzt ist er also auch schon 70 Jahre alt: Mischa Maisky, der coole Capo der Cellistenszene mit dem Look eines Freigeists, eines in Ehren ergrauten Rockstars. Frank Zappa quasi mit Wohlstandswamperl. Die dunklen Zeiten im russischen Arbeitslager liegen weit zurück, Zement schaufeln muss der gebürtige Lette schon lange nicht mehr. Und auch jener Novembertag im Jahr 1972 ist schon lange her, als Mischa Maisky nach Wien ausreisen durfte, um von dort weiter nach Israel zu "repatriieren" – wie er das so ausdrückte.

Nun kam Maisky wieder in die Donaustadt zurück, um im Wiener Konzerthaus seinen runden Geburtstag nachzufeiern – und dies zusammen mit der Geigerin Janine Jansen und dem Pianisten Itamar Golan. Doch zum freudvollen Ereignis wurde russische Musikliteratur der umwölkten Art interpretiert: Sergei Rachmaninows frühes Trio élégiaque sowie Dmitri Schostakowitschs zweites Klaviertrio in e-Moll op. 67 und Peter Iljitsch Tschaikowskys großes a-Moll-Trio. Das Gemeinsame: All diese Stücke sind von den Komponisten im Angedenken an verstorbene Freunde oder Vorbilder verfasst worden.

Ein Quantum friedlicher Ruhe

Der Wiener raunzt gern – beim Russen ist letztlich aber alles noch eine Nummer größer. Auch das Ungemach: Er klagt, und dies gern in ausladender, raumgreifender und pathetischer Art und Weise. Eigentlich. Bewiesen doch die präsentierten Werke, dass auch das Gegenteil möglich ist: Mit fahlen Quinten der Streicher beginnt Rachmaninows einsätziges Studentenwerk, mit einem Lamento schließt es. Schostakowitsch eröffnet sein Gedenkstück mit filigranen Flageolett-Klagen und lässt es in friedlicher Dur-Ruhe ausklingen. Und auch Tschaikowsky umfasst das üppige Stürmen und Drängen der Emotionen mit einem elegischen Rahmen.

Jansen, Maisky und Golan interpretierten die drei Werke im Großen Saal in Summe feinabgestimmt und fulminant. Die niederländische Geigerin musizierte pointiert und sinnlich, agierte flink und elegant wie eine Katze; Itamar Golan gab den virtuosen Moderator und Gentleman, der sich nur in den Vordergrund spielt, wenn es die Komposition so verlangt. Martha Argerich – mit dem pianistischen Raubein hat sich Maisky auf dem Podium schon heftige, herzhafte Schlachten geliefert – hätte hier wohl dann und wann herbere, deftigere Impulse beigesteuert.

Und das weißgelockte Geburtstagskind? Mischa Maisky fügte sich völlig uneitel in den kammermusikalischen Verbund und variierte auf dem Montagnana-Cello zwischen sattem Ton und feiner Klinge. Der langsame Satz aus Mendelssohns d-Moll Trio wurde dann zugegeben, wundervolle Minuten des entspannten Seelenglücks folgten auf die schwere See des russischen Leids, die in den zwei Stunden davor durchschifft worden war. (Stefan Ender, 3.2.2018)