Die Bevölkerung sehe im Strafrecht Ungleichgewichte, sagt Edtstadler.

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Wien – In der Bevölkerung herrsche nach wie vor der Eindruck, dass bei den Strafen für – einerseits – Vermögensdelikte sowie – andererseits – Gewalt- und Sexualdelikte ein Ungleichgewicht bestehe, meint Martina Berger, Sprecherin der im Innenministerium angesiedelten Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP). ÖVP und FPÖ wollten dies ändern, durch "stückweise" Novellen im Strafrecht, vielleicht schon ab dem heurigen Sommer.

Laut Edtstadler führen vor allem mangelnde oder zu niedrige Mindeststrafen zu Problemen. Für das Sich-Verschaffen und Besitzen von Pornografie mit 14- bis 18-jährigen "mündigen Minderjährigen" zum Beispiel gebe es kein unteres Straflevel. Bei sexuellem Missbrauch Unmündiger, also Unter-14-Jähriger, sowie geschlechtlicher Nötigung betrage die Mindeststrafe wiederum lediglich sechs Monate.

"Extremfall"

In einem "Extremfall", so Edtstadler, sei ein Mann, dem Missbrauch von acht Kindern vorgeworfen wurde, ohne unbedingte Gefängnisstrafe ausgegangen. "Auf der anderen Seite" könnten einem professionellen Fahrzeugdieb auch vier Jahre Haft drohen. "Es gibt Urteile, wo die Menschen nur noch den Kopf schütteln", kommentierte dies Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Jemand, der sich an Frauen vergehe, müsse die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen ergänzte FPÖ-Obmann und Vizekanzler Heinz-Christian Strache.

"Gegenüber Sexual- und Gewalttätern darf es keine Toleranz geben, die Opfer hingegen gilt es zu schützen", sagte am Sonntag auch Edtstadler-Sprecherin Berger im Standard-Gespräch. Die Täterarbeit müsse ebenfalls gefördert werden, meinte sie nach konkreter Nachfrage. "In den kommenden drei Wochen" werde daher eine Taskforce aus Experten des Innen- und Justizministeriums sowie von Beratungs- und Therapiestellen, Vereinen und NGOs formiert – mit dem Ziel, das Strafrecht auf derlei Lücken hin zu durchforsten.

Auch eine bessere Vernetzung verschiedener Stellen werde dabei im Fokus stehen – um Taten wie jene am Wiener Brunnenmarkt zu verhindern. Dort hatte ein psychisch kranker Mann aus Kenia monatelang ohne Behördenintervention gehaust, bevor er im Mai 2016 mit einer Eisenstange eine Passantin erschlug. Einen Taskforce-Endbericht werde es "in der ersten Hälfte des Jahres 2019" geben, "erste Ergebnisse" aber wohl bereits vor der Sommerpause 2018.

Bei der Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits stoßen die türkis-blauen Sexualstrafrechtsverschärfungspläne auf Skepsis. Im Fällen von Kindermissbrauch etwa würden strengere Strafen wenig helfen: "Die Verurteilung von Tätern steht oder fällt hier mit der Aussagefähigkeit der Opfer", sagt sie.

"Populistische Pläne"

Als Beispiel nennt sie den "kürzlichen Fall eines kognitiv schwächeren 13-Jährigen, der sich nur schlecht ausdrücken kann". Der Mann, gegen den Missbrauchsverdacht an dem Buben bestanden habe, sei "trotz passender DNA-Spuren" straflos ausgegangen, denn er habe unwidersprochen behaupten können, diesen als weit älter eingeschätzt zu haben. Auch mehrere Strafrechtsexperten hatten sich unter Hinweis auf die Strafrechtsnovelle 2016 im Standard zuletzt gegen weitere Verschärfungen ausgesprochen. Diesbezügliche Pläne seien "populistisch". (Irene Brickner, 5.2.2018)