Damaskus/Afrin – Nach dem Tod von sieben türkischen Soldaten droht Ankaras Offensive im Norden Syriens zu eskalieren. Vize-Regierungschef Bekir Bozdag drohte am Sonntag mit einer Ausweitung der türkischen Offensive über die Region Afrin hinaus. Unter den Toten waren fünf Insassen eines Panzers. Er wurde von einer Panzerabwehrrakete getroffen, die türkischen Medienberichten zufolge aus den USA stammte.

Mit sieben Toten war der Samstag der bisher verlustreichste Tag für die türkischen Streitkräfte seit Beginn ihrer Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG, am Sonntag sind zwei weitere türkische Soldaten getötet worden. Türkische Truppen gehen gemeinsam mit syrischen Rebellen seit dem 21. Jänner in Afrin gegen die Kurdenmiliz YPG vor. Ankara wirft ihr vor, eng mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbunden zu sein, die seit Jahrzehnten gegen den türkischen Staat kämpft. Der Einsatz gilt als heikel, da die Miliz im Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat eng mit den USA verbündet ist.

Drohung

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan weigerte sich am Sonntag, Medienberichte zu bestätigen, wonach der türkische Panzer von einer US-Rakete getroffen wurde. Es gebe erste Erkenntnisse, aber noch kein endgültiges Ergebnis darüber, wer die Rakete geliefert habe, sagte Erdogan. Sobald Klarheit herrsche, "werden wir dies mit der Welt teilen". Wer auch immer die Rakete geliefert habe, mache gemeinsame Sache mit "Terroristen", fügte der türkische Präsident hinzu.

Sein Vize-Regierungschef Bozdag drohte im Fernsehsender CNN-Türk, die Offensive auf die Stadt Manbij östlich von Afrin und über den Fluss Euphrat hinaus auszudehnen. Bozdag betonte zwar, dass die Türkei keine Zusammenstöße mit US-Soldaten wolle. Sollten sich US-Soldaten aber unter den YPG-Einheiten befinden oder deren Uniformen tragen, würde die türkische Armee sie als "Terroristen" betrachten.

Tausende Kurden demonstrierten am Wochenende in Afrin gegen die türkische Offensive. Am Samstag nahmen sie an der Bestattung von 17 getöteten Kämpfern und Zivilisten teil, einen Tag darauf zogen sie mit Porträts der Opfer durch die Straßen der Stadt.

Die halbautonome Kurden-Regierung von Afrin forderte die internationale Gemeinschaft und insbesondere Moskau auf, die türkische "Aggression" zu stoppen. Die YPG und Vertreter von Afrins Verwaltung verdächtigen Russland, die türkische Offensive implizit zu billigen, weil es seitdem seine in Afrin stationierten Truppen zurückgezogen hat.

Syrisches Kampfflugzeug abgeschossen

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warf unterdessen türkischen Grenzsoldaten vor, auf Flüchtlinge aus Syrien zu schießen. Zahlreiche Zivilisten hätten versucht, vor den Kämpfen in Syrien zu fliehen, seien von den Grenzsoldaten aber mit Schüssen zurückgetrieben oder misshandelt worden, sagte die HRW-Vizedirektorin für den Mittleren Osten, Lama Fakih, am Samstag. Sie bezog sich auf Aussagen von 16 Geflüchteten. Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin sprach von möglichen Einzelfällen, die aber geprüft würden.

In der Provinz Idlib im Nordwesten Syriens schossen islamistische Rebellen ein russisches Kampfflugzeug ab. Der Pilot habe sich mit seinem Fallschirm aus der Maschine retten können, sei dann aber im Kampf mit den Rebellen getötet worden, teilte das russische Verteidigungsministerium am Samstag mit.

Das Jihadistenbündnis Hayat Tahrir al-Sham reklamierte den Abschuss für sich, die Maschine wurde nach seinen Angaben von einer tragbaren Flugabwehrrakete getroffen. Idlib ist die letzte Provinz, die noch unter Kontrolle der Rebellen steht. Die syrischen Regierungstruppen gehen dort mit russischer Luftunterstützung gegen das Jihadistenbündnis vor. (APA, red, 5.2.2018)