Josef Ackermann scheidet die Geister.

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Frankfurt – Eine ganze Dekade prägte er die Deutsche Bank: Josef Ackermann gilt wahlweise als gieriger Banker oder als geschickter Manager, der auch in turbulenten Zeiten erfolgreich Kurs hält. Der 70-Jährige hat sein ganz eigenes Bild seiner Frankfurter Zeit.

Er reizte die Massen: Josef Ackermann. Als Chef der Deutsche Bank stand der Schweizer für ein Jahrzehnt (2002-2012) im Rampenlicht wie kaum ein anderer Manager in Deutschland. Buhmann oder Staatsmann? Saulus oder Paulus? Das Urteil über Ackermanns Lebenswerk fällt gegensätzlich aus – je nachdem, welche Quellen man heranzieht.

Ackermann selbst scheint mit sich im Reinen. "Gerade in Deutschland habe ich oft den Eindruck, sie wissen das, was die Deutsche Bank in meiner Zeit an der Spitze erreicht hat, heute mehr zu schätzen als je zuvor", sagte er anlässlich seines 70. Geburtstages an diesem Mittwoch (7. Februar) der Deutschen Presse-Agentur in Frankfurt.

Im Mai 2002 übernahm der Investmentbanker als erster Ausländer den Chefposten bei Deutschlands führendem Geldhaus. Die Anfangsjahre sind holprig: 2004 zeigt er im Gerichtssaal grinsend das Victory-Zeichen, 2005 verkündet der Deutsche-Bank-Chef in einem Atemzug ein scheinbar wahnwitziges 25-Prozent-Renditeziel und den Abbau tausender Stellen.

Der Missverstandene

Ackermann fühlt sich seinerzeit missverstanden und keilt zurück: "Das ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen", schimpft er im Jänner 2004 im Düsseldorfer Mannesmann-Prozess – eine Aussage, die er heute bereut: "Das war aus der Verärgerung heraus gesagt, unüberlegt und sehr missverständlich." Der Prozess um Untreue bei der Zahlung üppiger Prämien im Zusammenhang mit der Mannesmann-Übernahme durch Vodafone wurde nach fast drei Jahren gegen Geldauflage eingestellt.

In der Finanzkrise 2007/08 präsentiert sich Ackermann geläutert. "Kein Geschäft ist es wert, den guten Ruf der Deutschen Bank aufs Spiel zu setzen" – wie eine Monstranz trägt der Manager dieses Credo in seinen letzten Jahren an der Deutschen-Bank-Spitze vor sich her. Die Krise habe Ackermann "nachdenklicher, menschlicher" gemacht, sagt ein Weggefährte. "Späte Reue" nennt es Ackermanns damaliger Kommunikationschef Stefan Baron in einem gleichnamigen Buch.

Ackermann räumt Fehler seiner Zunft ein. Hat er auch selbst Fehler gemacht? "Natürlich habe ich das", sagt der Jubilar. "Wir dachten in der Branche damals zum Beispiel alle, durch die Verbriefung von Forderungen, also deren Verteilung auf viele Schultern, sei die Ausfallgefahr viel geringer geworden. Dabei sind wir wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass sich jeder nur so viel auflädt wie er auch im Notfall noch tragen kann. Das war ein Irrtum."

Würde er heute wieder Banker werden? "Vermutlich ja. Der Beruf ist sehr reizvoll für Menschen, die vor allem an wirtschaftlichen Dingen interessiert sind, wie ich es bin, denn er bietet nicht nur Einblick in eine einzige Branche, sondern in die gesamte Wirtschaft. Er macht dadurch auch viele Freundschaften mit Menschen verschiedenster Art in vielen unterschiedlichen Wirtschaftszweigen möglich. Zudem hat er eine starke politische Dimension. Das alles ist sehr bereichernd."

Gefragter Gesprächspartner

Als Deutsche-Bank-Chef steigt "Joe" Ackermann zum gefragten Gesprächspartner der Politik auf. Ob Notfallplan für die Hypo Real Estate (HRE) oder Bankenbeitrag zur Griechenland-Rettung: Der Schweizer verhandelt mit. Doch mit deutlichen Worten eckt er immer wieder an. Ob es um Staatshilfen für strauchelnde Banken geht ("Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden.") oder die Krise um Schuldensünder Griechenland ("Ob Griechenland über die Zeit wirklich in der Lage ist, diese Leistungskraft aufzubringen, das wage ich zu bezweifeln.").

Geboren am 7. Februar 1948 in Mels im Kanton St. Gallen – dem sagenumwobenen "Heidiland" – lässt sich Josef Ackermann von Vater Karl, einem Arzt und Börsenfan, begeistern: Nach Gymnasium und Militärdienst studiert er Wirtschaftswissenschaft in St. Gallen. Von 1977 an arbeitet er für die Schweizerische Kreditanstalt (SKA) – die heutige Credit Suisse. 1996 holt ihn Hilmar Kopper zur Deutschen Bank, dort steigt Ackermann schnell zum obersten Investmentbanker und 2002 zum Konzernchef auf.

Ohne Steuergelder, so rühmt sich Ackermann, sei die Deutsche Bank durch die Finanzkrise gekommen und habe nach den turbulenten Jahren erneut Milliarden verdient. Fast sechs Jahre nach seinem Abschied aus den Zwillingstürmen kämpft Ackermann auch um sein Erbe.

Denn die Erfolgsgeschichte kommt längst nicht mehr so makellos daher, wenn die heutige Konzernführung sie erzählt: Die Bank sei Probleme zu spät angegangenen, kritisierte Vorstandschef John Cryan im Sommer 2017: "Sie marschierte lange weiter in die eingeschlagene Richtung. Andere Häuser nahmen schon 2010 oder 2011 große Veränderungen in Angriff." Vor wenigen Tagen musste Sanierer Cryan zum dritten Mal in Folge für ein Gesamtjahr rote Zahlen erklären.

Teure Altlasten

Zinsmanipulationen (Libor), dubiose US-Hypothekengeschäfte – die Liste der teuren Altlasten, die die vergangenen Jahre belasteten, ist lang. Ackermanns Anspruch, das Haus "besenrein" an seine Nachfolger zu übergeben, also ein leeres Versprechen? Der Jubilar betont: "Ich habe seinerzeit eine Bank an meine Nachfolger übergeben, die für die Zukunft gut aufgestellt war." Das damalige Management habe "alles zeitnah korrigiert, was als korrekturbedürftig erkennbar war".

Privat in Zürich verwurzelt, setzt Ackermann mit seiner finnischen Frau Pirkko, die er 1977 heiratete, heute andere Schwerpunkte. "Ich reise gerne und kann mir dabei jetzt öfter die Zeit nehmen, zu verweilen. Ich lese vieles, wozu ich früher nicht gekommen bin, besuche mit meiner Frau Konzerte und Kunstausstellungen, wandere mit Freunden in den Bergen und spiele etwas Golf."

Das Band in die Deutsche Bank hinein hat der Schweizer nicht ganz gekappt – auch wenn er im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern kein Büro in der Frankfurter Innenstadt hat. Ackermann betont: "Frankfurt wird für mich immer mit der besten Zeit meines Berufslebens verbunden sein. Ich pflege noch vielfältige menschliche Kontakte in die Stadt hinein. Darüber hinaus bin ich dem dortigen House of Finance und gemeinsam mit meiner Frau dem Städel-Museum besonders verbunden."

Für den 70. Geburtstag hätten seine Frau und die gemeinsame Tochter "eine ganz persönliche Überraschung vorbereitet", verrät der Jubilar. "Im März findet dann in einem etwas größeren Rahmen eine Feier mit einem Konzert des Jugendorchesters Baden-Baden in Ascona statt."

Vielleicht gibt es dann für den Opernliebhaber, der auch schon mal unter der Dusche eine Arie trällert, auch ein Ständchen: "Ich liebe Musik, vor allem Opernmusik, und habe schon immer gerne Passagen aus bekannten Arien gesungen. Einfach aus guter Laune heraus." Ein Geschenk, auf das viele Beobachter hoffe, will sich Ackermann aber nie machen: eine Autobiografie. "Darauf warten Sie vergeblich." (APA, 5.2.2018)