Laut UN-Prognose wird die Weltbevölkerung bis 2050 auf 9,8 Milliarden Menschen ansteigen, wovon 75% – also rund 7,35 Milliarden Menschen – in urbanen Zentren leben werden (zum Vergleich: Heute sind es ca. 50% der 7,6 Milliarden Menschen). Schon jetzt findet rund um den Globus eine gigantische Wanderungsbewegung in Richtung Metropolen statt: täglich sind es rund 220.000 Menschen, die dem vermeintlichen Lockruf der Städte folgen. Da braucht es nicht viel Rechenkünste, um sich der Bedeutung der Städte für die Zukunft unseres Planeten bewusst zu werden. Um dieses Städtewachstum vor allem vor dem Hintergrund des Klimawandels und der dadurch knapper werdenden Ressourcen bewerkstelligen zu können, ist ein kompletter Reset erforderlich. Und das rasch. Andernfalls droht ein Kollaps des Systems.
Die wichtigsten Bereiche, in denen Stellhebel umgelegt werden müssen, sind bereits identifiziert: Mobilität, Energieversorgung, die öffentlichen Verwaltungen und der Umgang mit Ressourcen. Aber welche konkreten Lösungen und Strukturen braucht es, um die vielbeschworene "Smart City" – also die intelligente Stadt – Realität werden zu lassen? Mittlerweile hat man den Eindruck, dass die Digitalisierung und die mit ihr einhergehenden Lösungen reflexartig als Lösung für alle Herausforderungen in Stellung gebracht wird. Doch kein Trend ohne Gegentrend: Mehr und mehr Städteverantwortliche und Zukunftsforscher erkennen die Risiken, die rein technikfokussierte Smart City-Ansätze und die mangelnde Auseinandersetzung mit den sozialen Aspekten einer Stadt mit sich bringen.
Amsterdam und Dubai setzen auf Bürgerbeteiligung
Mittlerweile demonstrieren zahlreiche Projekte im öffentlichen Raum, wo digitale Technologien nachhaltige Stadtentwicklung fördern und beschleunigen. Amsterdam hat es beispielsweise geschafft, die Öffentlichkeit mit Hilfe von digitalen Netzwerken aktiv in Entscheidungen mit einzubeziehen. 2009 drohten dort geplante Sanierungsmaßnahmen für das Stadtviertel Amstel3 aufgrund der Finanzkrise unterzugehen. Um das Quartier wieder aufzuwerten, initiierte die Unternehmerin Saskia Beer Projekte mit betroffenen Stakeholdern. Sie organisierte eine Reihe von Veranstaltungen vor Ort und gewann damit das Vertrauen der örtlichen EinwohnerInnen. Immer mehr Menschen wurden selbst aktiv und vernetzten sich mit anderen engagierten BewohnerInnen des Viertels. Ein Crowdfunding-Projekt für den Bau eines Gemeinde-Pavillons erregte das Interesse der Stadtverwaltung, die schließlich in das Projekt investierte. Die Initiatve ZO!City wurde binnen kürzester Zeit so bekannt, dass das Kernteam in Folge das Management des Netzwerkhubs neu aufstellen musste. Saskia Beer gründete daraufhin die Online-Plattform TransformCity, die Akteure vernetzt und zum Austausch einlädt. Das Projekt gilt inzwischen weltweit als eines der erfolgreichsten Stadtentwicklungsprojekte und wurde zu Recht mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Ein weiteres Beispiel, wie Städte neue Techniken für den Austausch mit ihren BewohnerInnen nutzen, zeigt Dubai. An verschiedenen Touchpoints an strategisch wichtigen Plätzen in der Stadt sind BürgerInnen dazu aufgerufen, ihre Meinung zur Stadtverwaltung und zu unterschiedlichen Dienstleistungen abzugeben. Die Stadt erhält so in Echtzeit Auskünfte über den Grad der Zufriedenheit der EinwohnerInnen mit diversen Dienstleistungen. Aisha Bin Bishr, Generaldirektorin des Smart Dubai Offices, wird auf der URBAN FUTURE Global Conference das von ihr initiierte Happiness Meter vorstellen.
Digitale Technologien leisten heute einen wertvollen Beitrag zur Bildung von effizienten, sozialen Netzwerken. Je mehr Barrieren zwischen der Verwaltung und den EinwohnerInnen einer Stadt verschwinden, umso mehr können Menschen Entscheidungen in ihren Städten mitgestalten. So wertvoll und unabdingbar dies auch für die nachhaltige Entwicklung ist, so hoch sind auch die Erwartungen an die Entscheider in Städten, sich darauf einzulassen. Denn nur jene Städte werden letztendlich intelligente Städte werden, die den Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt von digital gesteuerten Services und Lösungen stellen. (Gerald Babel Sutter)