Schöne Landschaften reichen nicht, um wirtschaftlich an der Spitze zu stehen.

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Wien – Wie attraktiv ist Österreich als Wirtschaftsstandort? Welche Änderungen sollte es geben? Was müsste die Politik in Angriff nehmen? Wie groß ist die Bedeutung des Kapitalmarkts? Diese Fragen hat die Wiener Börse der österreichischen Bevölkerung gestellt. Vom Institut Market wurden dafür 821 Männer und Frauen ab 16 Jahren befragt.

Für 95 Prozent der Befragten ist demnach die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Unternehmen der mit Abstand wichtigste Punkt. 88 Prozent der Befragten wünschen sich, dass Unternehmen mehr in Forschung und Entwicklung investieren. 89 Prozent finden, dass es wichtig ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den heimischen Unternehmen ermöglicht, international erfolgreich zu sein. 81 Prozent sehen es sogar als wichtigstes Ziel, dass österreichische Unternehmen Weltmarktführer sind (siehe Grafik). Interessant ist, dass Personen, die im Segment 50+ sind, und jene, die sich selbst als wirtschaftskompetent einschätzen, dem Faktor Internationalität eine besondere Wichtigkeit zuordnen.

"Internationaler Wettbewerb ist das Um und Auf", sagt auch Christoph Boschan, Chef der Wiener Börse. Mehr als 80 Prozent der Handelsumsätze an der Wiener Börse kommen aus dem Ausland, "daher brauchen wir Rahmenbedingungen, die uns im internationalen Kontext attraktiv machen und Wettbewerbsvorteile bringen", sagt Boschan.

Kapitalmarkt als Stütze

Mit 67 bzw. 66 Prozent am unwichtigsten erachten die Österreicher die Förderung von langfristigen Investments in heimische Unternehmen und dass es attraktive Leitbetriebe gibt, an denen sich Privatanleger über Aktien beteiligen können. Und das, obwohl 85 Prozent der Österreicher laut der Umfrage überzeugt davon sind, dass ein funktionierender Kapitalmarkt mit einer funktionierenden Börse wichtig für die heimische Wirtschaft ist.

Letztere Einschätzung gefällt Boschan naturgemäß: "Dass der heimische Kapitalmarkt von der Bevölkerung als wesentlich für den Standort eingeschätzt wird, freut mich." Denn eine Börsennotiz fördere die Orientierung an Innovation und Wettbewerb. Dadurch würden Arbeitsplätze geschaffen und nachhaltig gesichert, erklärt Boschan.

In dieser Einschätzung der Bevölkerung sieht Boschan auch den klaren Auftrag an die neue Regierung, die Vorhaben im Kapitel "Standort- und Kapitalmarktpolitik" zügig umzusetzen. Eine dringende Angelegenheit hierbei ist die Neuregulierung des dritten Markts. Diese steht auch im Regierungsprogramm. Derzeit herrscht im dritten Markt nämlich Stillstand, weil er 2011 mit dem Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz für inländische Emittenten faktisch gesperrt wurde. Ein Listing ist seitdem nur für Namensaktien möglich, die es in Österreich aber nicht gibt, weil Inhaberaktien ausgegeben werden. Für Namensaktien bräuchte es ein Melderegister. Daher notieren im dritten Markt nur Unternehmen, die eine alte Ausnahmeregelung haben, oder eben ausländische Firmen. Weil Neuzugänge aus dem Inland derzeit nicht möglich sind, werden viele Börsengänge verhindert.

Niedrigere Gebühren für Börsengänge

Zudem will die Regierung das Prospektrecht für KMUs erleichtern und Gebühren für Börsengänge senken. Das könnte ebenfalls für eine Marktbelebung sorgen. Die angedachte Wiedereinführung eines Kapitalmarktbeauftragten wird in der Branche befürwortet. Denn ein zentraler Ansprechpartner fehle derzeit.

Bei der Schaffung von wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen ist also die Politik gefordert. Und die kommt bei der heimischen Bevölkerung in diesen Punkten nicht gut weg. Denn mit 49 Prozent schätzt knapp die Hälfte der Bevölkerung die Arbeit der Vorgängerregierung als wenig bis gar nicht aktiv ein und sieht deutlichen Spielraum für mehr Engagement. Auffällig ist, dass jüngere Generationen die Arbeit der Politiker aktiver einschätzen als die Altersklassen ab 30 Jahren. Besonders jene Gruppen, die den Standort als wenig attraktiv einschätzen, wünschen sich ein aktiveres Engagement der heimischen Politik, um Österreich als Standort attraktiver zu gestalten. (Bettina Pfluger, 6.2.2018)