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Tschechiens Premier Andrej Babiš hat die Unterstützung des Präsidenten und eines großen Teils der Bevölkerung. Bei der Regierungsbildung tritt er dennoch auf der Stelle.

Foto: Reuters/Cerny

Tschechiens Premierminister Andrej Babiš ist es gewohnt, die Zügel fest in der Hand zu halten. Mit seiner Holding Agrofert hat der gebürtige Slowake einst ein Milliardenimperium aufgebaut, und auch sein Einstieg in die Politik war ein durchschlagender Erfolg: Bei der Parlamentswahl 2013 schaffte er mit seiner erst zwei Jahre alten Bewegung Ano – auf Tschechisch heißt das Ja und ist gleichzeitig die Abkürzung für Aktion unzufriedener Bürger – auf Anhieb Platz zwei und den Sprung in eine Koalitionsregierung mit Sozial- und Christdemokraten. Babiš selbst, dessen Vermögen die Zeitschrift Forbes auf 4,6 Milliarden Dollar schätzt und der damit als zweitreichster Tscheche gilt, wurde Finanzminister.

Nur vier Jahre später, im Oktober 2017, war Ano ganz oben angekommen. Mit knapp 30 Prozent der Stimmen – fast dreimal so viele wie die zweitplatzierten Bürgerdemokraten (ODS) – landete die Partei einen fulminanten Erfolg. Die guten Wachstumsraten und die niedrigste Arbeitslosigkeit in der EU hatten die Wähler offenbar ausschließlich Babiš gutgeschrieben. Dass der damalige sozialdemokratische Premier Bohuslav Sobotka diesen kurz vor der Wahl abberufen hatte, schadete lediglich Sobotka selbst: Die Sozialdemokraten (ČSSD) stürzten auf sieben Prozent ab – und das, obwohl Sobotka für seinen Schritt durchaus seine Gründe hatte.

Unschuldsvermutung

Gegen Babiš nämlich ermittelt die Polizei wegen des Verdachts des EU-Subventionsbetrugs. Dabei geht es um das mittelböhmische Freizeitareal Čapí hnízdo (Storchennest). Babiš soll dieses vorübergehend aus seiner Holding ausgegliedert haben, um dafür Förderungen zu kassieren, die eigentlich für Klein- und Mittelbetriebe bestimmt sind. Viele Tschechen aber folgen Babiš, wenn er von einer politisch konstruierten Causa spricht und sich auf die Unschuldsvermutung beruft. Oder sie nehmen die Angelegenheit als Kavaliersdelikt wahr. Die Summe, um die es geht, beträgt zudem weniger als zwei Millionen Euro. Für Babiš, so eine weitverbreitete und jüngst auch von Staatspräsident Miloš Zeman vertretene These, seien das Peanuts. Soll heißen: Er hätte diesen Betrug nicht nötig.

Die tschechischen Strafverfolgungsbehörden sehen das weniger locker. Bereits vor der Wahl hat Babiš seine parlamentarische Immunität verloren, der Weg für Ermittlungen wurde frei. Durch die Wahl im Oktober erlangte Babiš seine Immunität wieder – und verlor sie mittlerweile erneut.

Debatte bei den Sozialdemokraten

Seither will es für den 63-Jährigen nicht mehr so recht klappen mit dem Fahren auf der politischen Überholspur. Der vor einer Woche wiedergewählte Staatspräsident Miloš Zeman ernannte ihn zwar zum Premier einer Ano-Minderheitsregierung, doch diese fiel bei der Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus durch. Nun ist Babiš erneut auf der Suche nach einer Parlamentsmehrheit.

Die bürgerlich-liberalen Parteien gehen auf Distanz zu Babiš. Hingegen gilt es als wahrscheinlich, dass die Kommunisten (KSČM) ihn im zweiten Anlauf unterstützen werden. Für eine Mehrheit würde das jedoch noch nicht reichen. Die Sozialdemokraten wollen Babiš wegen der Causa Storchennest derzeit nicht in der Regierung sehen. Babiš wartet daher zunächst ab: Ein ČSSD-Parteitag Mitte Februar könnte durchaus einen Sinneswandel bringen.

Politik "für alle"

Außerdem steht noch die mögliche Duldung einer Ano-Minderheitsregierung durch die fremden- und EU-feindliche Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) im Raum, die Babiš selbst als extremistisch bezeichnet hat. Ihr Chef, der Tschechojapaner Tomio Okamura, steht unter anderem wegen radikaler Äußerungen zum Islam in der Kritik. So hat er etwa dazu aufgefordert, Schweine vor Moscheen "Gassi zu führen". Für den Pragmatiker Babiš, der zwar gegen Flüchtlingsquoten ist, sich aber im Prinzip zur EU bekennt und sich im europäischen Mainstream sichtlich wohlfühlt, wäre die Abhängigkeit seiner Regierung von Okamura keine rosige Aussicht.

Dezidiert ausgeschlossen hat Babiš jedoch auch diese Variante nicht. Ebenso wenig wie Neuwahlen. Dabei stützt er sich auf seine ungebrochene Popularität. Das Rezept, sich weder links noch rechts zu positionieren, sondern einen effektiven Staat zu fordern, der für Steuersenkungen ebenso Spielräume schafft wie für Sozialpolitik, hat bisher funktioniert. Babiš brachte es jüngst in einem Interview in der für ihn typischen, wenngleich umstrittenen Art auf den Punkt: "Wir sind für alle." (Gerald Schubert, 5.2.2018)