Das putzige Häuschen samt Garten steht mitten in der Stadt. Genauer gesagt in einem Hinterhof im 17. Bezirk. Hier wohnt und arbeitet Christopher Wurmdobler, der vielen aufgrund seiner "Stadtleben"-Geschichten in guter Erinnerung ist. Diese hat er über eine lange Zeit für die Wochenzeitung "Falter" geschrieben. Früher war in diesem Hof eine Motorradwerkstatt untergebracht. Noch früher ein Stall. Auch ein illegales Kino soll es gegeben haben.

Christopher Wurmdobler ist vielen durch seine Stadtgeschichten bekannt, die er früher für die Wochenzeitung "Falter" geschrieben hat. An diesem Tisch hat er nun seinen ersten Roman "Solo" geschrieben. Kater Fräulein Peterle war auch dabei.
Foto: Christian Benesch

Wurmdoblers Zuhause ist ein untypisches. Betritt man die ebenerdige Stube, die gleichzeitig Küche und Arbeitsplatz ist, könnte dieser Raum auch in einer Hütte irgendwo auf dem Land sein. Vielleicht am Bodensee, von wo der 1965 Geborene stammt. Mittlerweile lebt er schon seit 30 Jahren in Wien, ist selbst zum Wiener geworden. Woran er das merkt? "Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu grantig werde. Vor allem in den Öffis gelingt mir das nicht immer. Das missfällt mir. Ich bin ein fröhlicher Mensch und möchte gern ein nichtgrantiger Wiener sein. Aber genau das macht wahrscheinlich die Stadt mit einem."

Hier sitzt er also, der Neoschriftsteller, der den Journalismus an den Nagel gehängt hat, an einem alten Arbeitstisch. Die Beine des Tisches mussten ein Stück weit abgesägt werden, damit sie Wurmdobler passten. Hinter dem Tisch steht eine Bank, die er sich von einem Tischler hat zimmern lassen. Früher stand dort ein großes Aquarium. An dem Tisch und auf der Bank hat Wurmdobler "Solo", seinen ersten Roman, geschrieben. Viereinhalb Monate hat es gedauert. Doch dazu später.

"Ich könnte nie in der Natur mit einem schönen Ausblick auf die Weinberge in der Toskana schreiben. Keine Ahnung, was Menschen damit meinen, wenn sie glauben, dass einen die Natur beim Schreiben inspirieren würde", sagt er. Sein süddeutscher Akzent ist so gut wie verlorengegangen. Eigentlich schade.

Fräulein Peterle

"Ich wohne seit zwölf Jahren hier, aber erst im vergangenen Jahr habe ich diesen Raum wirklich kennengelernt, weil ich über all die Jahre untertags meistens unterwegs oder in der Redaktion war. Anfangs habe ich mich gewundert, wie viel Sonnenlicht hier hereinscheint", erzählt er. Der Raum mit seiner schwarzen Wand und dem Gussbetonboden erinnert ein wenig an eine dieser Bobo-Bakeries. Aber nur ein bisschen. Das Gemütliche und seine ganz eigene Atmosphäre verdankt Wurmdoblers Bleibe dem schwarzen Eisenofen, in dem die Flammen auf und nieder tanzen. Und natürlich dem schwarzen Kater namens Fräulein Peterle, der ihm einst hier in der Stadt zugelaufen ist. "Zuerst dachte ich, jemand hat mir die Katze untergejubelt. Ich hab überall Zettel ausgehängt, aber schon nach zwei Tagen war mir die Katze so ans Herz gewachsen, dass ich die Zettel wieder abnahm." Eine kleine Geschichte aus Wien.

Auch in Wurmdoblers einstigem "Falter"-Revier, dem Ressort "Stadtleben", ging es um Geschichten aus Wien, Texte über die Stadt, über ihre Menschen, aber auch über ihre Plätze, Geschäfte, Straßen und alles, was sonst noch zu einer Stadt gehört. Dinge, die man nicht immer auf den ersten Blick sieht. Es waren kleinere und größere Geschichten. Wurmdobler, ein recherchierender Hansdampf in allen Gassen und meistens mit dem Fahrrad unterwegs, wagte immer den zweiten Blick. Wenn es nötig war, auch einen dritten. Er hat Dinge entdeckt und freigelegt, die andere zuvor noch nicht gesehen haben. Auch er nicht.

Mit dem "Stadtleben" hat er schon vor einer ganzen Weile Schluss gemacht. Auch sein Intermezzo als Redakteur bei "News" kam zu einem Ende. Die Redaktionsstube hat er mit seiner privaten Stube getauscht. Wehmütig ist Wurmdobler nicht. "Es hat sich so ergeben", sagt er und macht den Eindruck, als würde es im gut passen, so wie es jetzt ist. Die Seele der Stadt wird Wurmdobler, der auch immer wieder als Schauspieler der Gruppe Nesterval auf der Bühne zu sehen ist, weiterhin beschäftigen.

Bobo-Blase

Nun also Schriftsteller. Das konzentrierte Schreiben, das Handwerk des Journalisten, weiß Wurmdobler, ist das eine, aber eine Geschichte zu konstruieren, die es wert ist, auf 248 Seiten erzählt zu werden, etwas anderes. Der Roman "Solo" erzählt von einem Kinderarzt, dessen Freund, der Architekt ist, von einem 50-jährigen Landschaftsplaner, von einer bloggenden Schwulenmutti. Es geht um Liebe, Beziehungskrisen, Körperkult und das Leben in der queeren Großstadtblase. Auch eine Form von Stadtleben.

Und die Idee, die es wert ist, erzählt zu werden? "Mir ging es darum, sich anzusehen, wie schwul oder queer sein in verschiedenen Generationen aussieht, wie diese Leute die Welt mit Anfang 20, mit 30 oder 50 sehen und wie sie den jeweils anderen betrachten. Wie wichtig ist Sexualität für die drei? Wie funktioniert sie? Das klingt ein wenig soziologisch, aber ich denke, ich hab die Antworten auf diese Fragen in eine unterhaltsame Geschichte gepackt." Auch geht es Wurmdobler nicht um ein Sittenbild. Er schildert ganz bestimmte, persönliche Einblicke in eine queere Bobo-Szene. Die Figuren sind literarisch, und doch erzählt er von Dingen, die um ihn herum geschehen.

Das Schreiben selbst betrachtet Wurmdobler nicht als Kampf, auch nicht als inneren Zwang oder Überwindung, wie es nicht wenige seiner Zunft ausdrücken. "Ich war beim Schreiben des Buches bestens gelaunt. Irgendjemand hat einmal gesagt: 'Es ist schön, geschrieben zu haben.' Das gefällt mir gut. Das Schreiben war vergleichbar mit dem Lesen eines Buches, und ich war immer wieder überrascht, wie die Geschichte weitergeht. Aber vielleicht ändert sich das beim nächsten Buch. Vielleicht wird es dann mühevoller." Eine Skizze von Buch Nummer zwei hat er bereits im Kopf.

Und auch mit dem nächsten Buch möchte Christopher Wurmdobler seine Leser unterhalten. "In einem guten Buch möchte ich nicht erfahren, wie ich die Welt retten kann. Dafür gibt es Zeitungen", sagt der Schriftsteller. Oder doch der Journalist? Sagen wir: beides! (Michael Hausenblas, RONDO, 9.2.2018)