Vor wenigen Tagen zog sich der Rektor der Universität Klagenfurt, Oliver Vitouch, mit der Forderung nach dem Verzicht auf die vierte Strophe der Kärntner Landeshymne in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" den Unmut der Kärntner Traditionsverbände auf sich.  

Obwohl die Landeshymne offiziell vier Strophen hat, sind im tagtäglichen Gebrauch nur die erste und die vierte Strophe des "Kärntner Heimatliedes" von Bedeutung. Während die ersten Strophen die Kärntner Landschaft besingen, hat es die 1930 von der überzeugten Nationalsozialistin und Lehrerin Agnes Millonig verfasste, vierte Strophe über "Mannesmut und Frauentreu" in sich: Die Strophe bezieht sich auf die Kärntner Volksabstimmung, "wo man mit Blut die Grenze schrieb", wie es in Millonigs Strophe heißt. Nur auf ihre Zeile "Das ist mein deutsches Heimatland" wurde verzichtet.

So anachronistisch diese Strophe auch ist, so wirken auch Kärntner Traditionsverbände wie aus einer anderen Zeit: Ihre Mitteilungen beklagen die "Privilegien" der slowenischen Minderheit in Kärnten und obwohl diese immer weniger wird, wird auch im Jahr 2018 noch die Gefahr der "Slowenisierung" Kärntens wie der Teufel an die Wand gemalt.

Der älteste dieser "Traditionsverbände" ist die 1910 gegründete Kärntner Landsmannschaft. Bereits 1911 ließ sie den braunen Kärntneranzug als Gegenentwurf zu den slowenischen Trachten schneidern. Sie war es auch, die 1930 den Wettbewerb zur vierten Strophe des Kärntner Heimatliedes ausrichten ließ. Heute ist sie bei weitem nicht mehr so relevant wie in der Zwischenkriegszeit, bemerkenswert sind jedoch die "Bauernehrungen" für Gehöfte, die seit mehr als 200 Jahren in der Hand einer (deutschen) Familie stehen und fragwürdige Übersetzungen von Artikeln aus (kärntner-)slowenischen Medien.

Mitglieder des Abwehrkämpferbundes im Juni 2006, auf dem Weg zu einer "Ortstafel-Kundgebung".
Foto: APA/GERT EGGENBERGER

Der Ruf des Ulrichsbergs

Medial präsenter war in den vergangenen Jahren die Ulrichsberggemeinschaft (UBG). Seit 1958 veranstaltet sie das revisionistische "Heimkehrertreffen" am Kärntner Ulrichsberg. Lange konnten sich bei diesem "Heimkehrertreffen" Verteter der "Erlebnisgeneration" mit jüngeren Proponenten der rechtsextremen Szene treffen. So hieß 2005 der damalige UBG-Präsident Rudolf Gallob in seiner Rede "Soldaten der Waffen-SS" ausdrücklich willkommen. Nach jahrelangen Protesten nahm 2009 der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos den Handel mit NS-Devotionalien durch den damaligen Vorsitzenden der UBG zum Anlass, die Unterstützung des Bundesheeres für dieses Treffen zu untersagen. Seit damals nehmen die Besucherzahlen des zwischenzeitlich auf das Zollfeld verlegten Treffens kontinuierlich ab, im "Ehrenhain" am Ulrichsberg finden sich allerdings noch immer Gedenktafeln für Angehörige des Reichsarbeitsdiensts, der ärztlichen Akademie Berlin-Graz (der SS) oder der SS-Garnisonsstadt Klagenfurt.

Am Ulrichsberg durften lange Zeit zwei andere Traditionsverbände nicht fehlen: Der Abwehrkämpferbund und der Heimatdienst. Ersterer hat sich mit Gedenktafel im Ehrenhain verewigt, zweiterer ist seit 2008 nach einem vornehmlichen Schwenk in seiner "Slowenenpolitik" nicht mehr willkommen. Auch auf dem Ulrichsberg ist die Kärntner Slowenische Minderheit gerne Thema: Ob in Reden in denen der Widerstand der Partisanen in Kärnten verunglimpft wird oder wie im Jahre 1975, als der Weg auf den Ulrichsberg mit den Transparenten "Kärnten deutsch, frei und ungeteilt" zugepflastert wurde.

Teilnehmer am alljährlichen Ulrichsbergtreffen im Jahr 1998.
Foto: APA/GERT EGGENBERGER

Vom "Schlussstrich" zum vornehmlichen Schwenk des KHD

Der Kärntner Heimatdienst (KHD) hat eine lange, wechselvolle Geschichte: Ab 1924 leistete er als "Kärntner Heimatbund" propagandistische Arbeit und beteiligte sich an der "Kärntner Bodenvermittlungsstelle", die deutschen Bauern Höfe und Grundstücke im zweisprachigen Gebiet vermittelte. Nach dem Anschluss ging der Kärntner Heimatbund in den Strukturen des Nationalsozialismus auf. Für den Geschäftsführer des KHB der Zwischenkriegszeit, Alois Maier-Kaibitsch, bedeutete das einen weiteren Karriereschritt: Als "Leiter der Dienststelle des Beauftragten des Reichskommisars für die Festigung des deutschen Volkstums" war er maßgeblich an der Deportation der Kärntner Slowenen beteiligt.

Maier-Kaibitsch wurde später als Kriegsverbrecher verurteilt, doch der 1957 wiedergegründete Kärntner Heimatdienst fand bereits zwei Jahre später in einer Broschüre für ihn nur Lobesworte. Kurz nach seiner Gründung wandte sich der KHD auch bereits gegen den obligatorischen zweisprachigen Unterricht in Südkärnten und erzwang somit 1958 die Abschaffung dessen.

Auch in den "heißen" Tagen des Herbst 1972, als in Südkärnten die eben erst aufgestellten zweisprachigen Ortstafeln niedergerissen wurden, tat sich der KHD nicht gerade als beschwichtigend hervor: So forderte der Heimatdienstobmann Josef Feldner am Höhepunkt des Ortstafelsturms bei seiner Rede am 10. Oktober 1972 die "unverzügliche Entfernung" aller noch stehenden Ortstafeln. Allerdings gibt es auch keine Beweise für die Organisation des Ortstafelsturms durch den KHD.

Wie weit die Angst vor der "Änderung der volkspolitischen Situation" ging, zeigt die Kampagne des KHD gegen eine Niederlassung der slowenischen Firma Gorenje 1970: Der Plan für die Errichtung einer Fabrik mit 1000 Arbeitsplätzen verlief sich auf Druck der Traditionsverbände im Sand.

Das Ulrichsbergtreffen gilt gemeinhin auch als Fixpunkt europäischer Rechtsextreme. Bild von 2012.
Foto: AP/Gert Eggenberger

Allerdings ändern sich auch in Kärnten die Zeiten: Der KHD, der 1970 noch das Motto "Für Volk und Heimat" hatte und in seinem Blatt "Ruf der Heimat" forderte, einen "Schlussstrich" in Kärnten zu ziehen, in dem "eines der Völker nicht mehr besteht", hat sich 2005 dem "Kompromiss" verschrieben. Zwar üben der Vorsitzende des KHD Josef Feldner und sein Gegenpart des slowenischen Zentralverbandes Marjan Sturm seither den Dialog, doch hat der KHD inzwischen schon ein neues Feindbild gefunden: In großflächigen Inseraten wird seither statt vor einer "Slowenisierung" vor einer "Islamisierung" Kärntens gewarnt.

Der ewige Abwehrkampf

Die "Vierfaltigkeit" des Kärntner Deutschnationalismus wird durch einen weiteren Traditionsverband vervollständigt: 1955 gründete sich nach Unterzeichnung des Staatsvertrages der Kärntner Abwehrkämpferbund. Wie der KHD wird auch der KAB im Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) als "rechtsextreme Vorfeldorganisation" geführt. Der KAB war in seiner Wortwahl immer schon extremer als der KHD, so proklamierte 1972 der damalige Obmann Siegfried Sames einen "neuen Abwehrkampf“ und noch immer warnt der KAB vor einer Slowenisierung Kärntens: Auf seiner Homepage beklagt er umfangreich die angebliche Bevorzugung der slowenischen Volksgruppe gegenüber der Mehrheitsbevölkerung.

Die Traditionsverbände als Teil der Volkskultur?

Das Verhältnis zur Landespolitik ist ein ambivalentes: SPÖ-Landeshauptmann Hans Sima (1965-1974) hatte beispielsweise ein schwieriges Verhältnis zum Heimatdienst, während er gute Kontakte zum Abwehrkämpferbund pflegte. Auch die Ulrichsberggemeinschaft konnte sich 1969 über eine Förderung des Landes Kärnten freuen. Der ehemalige Landeshauptmann Jörg Haider hofierte die Traditionsverbände allerdings bei jeder Gelegenheit.

Seit einem Dreiparteienbeschluss im Jahr 2002 werden Landsmannschaft, Heimatdienst, Abwehrkämpferbund und Ulrichsberggemeinschaft aus dem Kulturbudget des Landes Kärnten gefördert. So bekam die Ulrichsberggemeinschaft zwischen 2005 und 2012 eine Subvention von rund 115.000 Euro, während ehemalige Angehörige der SS beim gleichnamigen Treffen den Vernichtungskrieg des nationalsozialistischen Dritten Reichs hochleben lassen konnten.

In Kärnten herrscht offenbar in manchen Kreisen noch immer eine vom Land geförderte "Urangst" vor dem Slowenischen. Manchmal scheint es, als müsste die Minderheit verteufelt werden, um nicht an die eigene Geschichte erinnert zu werden. Das Festhalten an solchen deutschnationalen Traditionen erschwert allerdings noch immer das Zusammenleben in Kärnten/Koroška. Für die Zukunft bleibt also nur zu hoffen, dass sich die Kärntner "Urangst" legt und die Traditionsverbände der Vergangenheit angehören. (Gregor Novak, 8.2.2018)