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Hochrangige Funktionäre nahmen an der Militärparade in Nordkorea teil. Gezeigt wurde auch die Hwasong-15-Rakete, die US-Gebiet bedrohen könnte.

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Jeden Tag sorgt die Charmeoffensive von Machthaber Kim Jong-un gegenüber Südkorea für neue Überraschungen. Zur Eröffnung der Winterspiele flog am Freitag die bisher höchstrangige politische Delegation aus Pjöngjang nach Seoul ein, geführt von dem 90-jährigen Kim Yong-nam, dem formellen Staatsoberhaupt Nordkoreas. Spektakulärste Teilnehmerin ist Kim Yo-jong, die 30-jährige Schwester von Kim.

Am Vortag hatten die hochrangigen Funktionäre noch an der martialischen Militärparade in Nordkorea teilgenommen. Gezeigt wurde auf einmal das bisher größte Arsenal an potenziellen Atomwaffenträgerraketen, darunter die im November getestete Hwasong-15, die US-Gebiet bedrohen könnte.

Die Parade wurde nicht live übertragen, um die Festatmosphäre im benachbarten Seoul nicht über Gebühr zu strapazieren. Doch Kims Botschaft war klar. Die Serienproduktion von Langstreckenraketen, die er in seiner Neujahrsrede angekündigt hatte, hat offenbar begonnen. Nordkoreas Militärmacht sei zur Weltklasse gereift, sagte Kim. Niemand werde die Souveränität seines Landes antasten können, "nicht einmal um 0,001 Millimeter".

Kims Schwester kommt nach Südkorea

Am Samstag wird seine einflussreiche Schwester mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in lunchen, wenn er die nordkoreanische Olympiamannschaft empfängt. Das gab Moons Sprecher bekannt. Kims Schwester ist das erstes Mitglied in den drei Herrschaftsgenerationen der Kim-Familiendynastie, die südkoreanischen Boden betritt.

Vermutet wird, dass sie ihm eine Einladung zum Nordkoreabesuch überbringt. Am Eröffnungsabend zuvor sollte sie auch am Präsidentenempfang im Winterspielort Pyeongchang teilnehmen, eine erste Gelegenheit, um Sichtkontakt mit US-Vize-Präsident Mike Pence und Japans Regierungschef Shinzo Abe herzustellen, die ebenfalls eingeladen wurden.

Tauwetter?

Das von Kim seit seiner Neujahrsrede angeheizte Tauwetter kam so plötzlich über Südkorea, dass dort das Wort von "olympischen Friedensspielen" die Runde macht. Kims Gesten des guten Willens richten sich aber nur an die Adresse von Seoul. Die Nachrichtenagentur KCNA forderte die USA und gleichzeitig auch China auf, sich aus dem innerkoreanischen Dialog herauszuhalten.

Spöttisch reagierte ein Abteilungsleiter aus dem Außenministerium auf unterschiedliche Signale von US-Politikern, ob es zu direkten Kontakten mit Nordkorea während der Eröffnung der Winterspiele kommen könne. "Das ist die Höhe an Sarkasmus. Wir haben nie um einen Dialog mit den USA gebettelt, wollen wir das weder jetzt noch in der Zukunft."

China wird abgebürstet

Pjöngjang bürstete auch Peking ab. Die Zentrale Koreanische Nachrichtenagentur KCNA warf China vor, "sich verabscheuenswert in die Angelegenheiten anderer einzumischen". Sie attackierte am Freitag Chinas Staatsmedien, sie seien nicht besser als die "Reaktionäre der Geschichte": Gemeint sind die USA und Japan. Es sei ein "Akt der Arroganz", nach einer Denuklearisierung Nordkoreas zu verlangen und zu behaupteten, dass sonst die "jetzige Détente nicht von Dauer sein kann". Sie wollten nur die "Atmosphäre" und das "Fest" der Spiele verderben. Chinas angebliche "initiative und proaktive Nachbarschaftspolitik" sei nur darauf aus, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen. "Die Winterspiele haben mit dem Thema Denuklearisierung nichts zu tun."

Südkorea schwächster Baustein in Sanktionsmauer

Pjöngjangs Annäherung an Südkorea überrascht den Nordkoreaexperten an der chinesischen Parteihochschule, Zhang Liangui, nicht. Er nennt sie eine "Intrige". Zwei Jahre lang hätte sich das Regime Kim allen Sanktionen zum Trotz so extensiv atomar aufgerüstet, dass es sich 2017 zur Nuklearmacht ausrufen konnte. Kims Ziel sei nun, international als solche anerkannt zu werden.

Er habe Südkorea und Präsident Moon als die schwächsten Bausteine in der Ablehnungs- und UN-Sanktionsmauer gegen ihn identifiziert. Kim mache Moon nun zur "Schachfigur" seiner Absichten. "Wer immer in seinen Entspannungsschritten eine positive Entwicklung zu wirklicher Aussöhnung sieht, denkt oberflächlich und naiv. Tatsächlich schlittern wir noch schneller in eine sehr gefährliche Lage."

Nach den Spielen droht die Eskalation

Die Ereignisse könnten nach dem Ende der Winterspiele, mit denen Pjöngjang innerkoreanisch für sich punktet, eskalieren. Die USA stünden dann vor einer Wende, falls bis dahin Nordkorea selbst unter den von den USA angedrohten "extrem verschärften Sanktionen" nicht zu Gesprächen über seine Atomwaffenabrüstung veranlasst werden kann. Washington bliebe dann die Wahl, entweder sein Scheitern einzugestehen oder zu gewaltsameren Maßnahmen zu greifen – wie etwa militärische Seeblockaden zu erzwingen. Falls Nordkorea darauf irrational reagiert, warnt Zhang, drohe der große Konflikt. (Johnny Erling aus Peking, 9.2.2018)