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Zum Einsatz komme Crowdinvesting oft bei Projekten abseits des Kerngeschäfts, etwa um neue Kundengruppen oder ganze Märkte zu erschließen.

Foto: AP/Julian Stratenschulte

Wien – Die Konjunktur brummt, die Investitionen fließen, und von einer Kreditklemme kann Anfang 2018 keine Rede mehr sein. Dennoch etabliert sich neben klassischen Bankkrediten neuerdings eine neue Geldquelle im heimischen Mittelstand, um die für Wachstum und Expansionen nötigen Summen zu stemmen. Schwarmfinanzierung, zunächst vornehmlich für Start-up-Finanzierungen genutzt, fasst nun auch im KMU-Bereich sukzessive Fuß.

"Immer mehr etablierte Unternehmen führen aus unterschiedlichen Gründen Crowdinvesting durch", sagt Philipp Bohrn, Geschäftsführer des Fachverbands Finanzdienstleister der Wirtschaftskammer. Es diene etwa auch Marketingzwecken oder stärke die Bindung der Kunden, wenn man diese für neue Projekte sowie Lieferanten und andere im Nahebereich des Unternehmens in die Finanzierung einbinden kann. "Rein aus finanziellen Gründen wird man Crowdinvesting nicht machen", meint Bohrn, denn: "Grundsätzlich ist eine Bankfinanzierung günstiger, sie ist aber kein Konkurrenzprodukt."

Ergänzung zum Kredit

In der Regel werden Schwarmfinanzierungen im Mittelstand ergänzend zu einem Bankkredit aufgenommen. Da die Gelder der einzelnen Investoren aus Nachrangdarlehen ausgestaltet sind, die im Insolvenzfall erst nach herkömmlichen Fremdkapital bedient werden, rechnen Banken diese Mittel bei der Kreditvergabe dem Unternehmen als Eigenkapital an. "Man kann damit Lücken füllen", bringt es Bohrn auf den Punkt. Im Gegenzug dazu muss der Crowd dieses zusätzliche Risiko mit höherer Verzinsung abgegolten werden. Schwarmfinanzierungen sind teurer, können aber auch mehr, fasst Bohrn zusammen.

Abgewickelt werden diese als Kampagne bezeichneten Finanzierungen über Crowdinvestingplattformen, gewissermaßen ein Marktplatz für kapitalsuchende Firmen und viele private Geldgeber. Einst wurden Schwarmfinanzierungen durch ein wildes Experiment des Waldviertler Schuherzeugers und Finanzrebells Heinrich Staudinger im Jahr 2012 hierzulande bekannt. Inzwischen wurde Crowdinvesting in Österreich auf ein gesetzliches Fundament gehievt.

KMU-Branche zieht an

"Die ganze Branche entwickelt sich in Richtung etablierter Unternehmen", sagt Katharina Ehrenfellner, Chefin der Plattform Conda Österreich. Transaktionen im KMU-Bereich hätten in den vergangenen zwei Jahren enorm angezogen. Zum Einsatz komme Crowdinvesting oft bei Projekten abseits des Kerngeschäfts, etwa um neue Kundengruppen oder ganze Märkte zu erschließen.

"Es geht auch darum, eine emotionale Bindung zwischen Crowdinvestoren und dem Unternehmen zu schaffen", hebt die Conda-Chefin Ehrenfellner hervor, "das kann großen Mehrwert stiften." Einerseits über den "großen Werbeeffekt", die sie einer Schwarmfinanzierungskampagne beimisst. Zudem würden Unternehmen Zugang zu der Community der jeweiligen Crowdinvestingplattform bekommen – und damit zu tausenden potenziellen Kunden. "Da hat man einen Hebel", betont Katharina Ehrenfellner.

"Der KMU-Bereich in Österreich ist groß und muss anders bearbeitet werden", schildert Ehrenfellner die Herausforderung. Um das Ziel zu erreichen, Schwarmfinanzierungen binnen weniger Jahre im Mittelstand endgültig salonfähig zu machen, müssten andere Wege beschritten werden als bei Start-up-Finanzierungen. Teilweise würden KMU-Betriebe auf Conda zukommen, zum Teil bringe man auf entsprechenden Veranstaltungen diese Finanzierungsform den Entscheidungsträgern näher, denn Crowdinvesting sei noch nicht in allen Köpfen des Mittelstands angekommen.

"Es gibt noch Zurückhaltung, weil es eine moderne und neue Form der Finanzierung ist", berichtet Ehrenfellner. Derzeit würden noch mehr kleinere Unternehmen als große Mittelständler darauf zurückgreifen oder, wie es Ehrenfellner launisch umschreibt: "Es findet noch mehr bei den 'K' als bei den 'M' statt."

Kampagnen laufen

Aktuell führt etwa das Tiroler KMU Greenstorm Mobility auf Conda eine bis Anfang März laufende Kampagne durch, die eine Million Euro einspielen soll. Gut drei Viertel der Summe hat die 40 Mitarbeiter zählende Firma bereits zusammen. Die 382 Investoren erhalten für ein fünfjähriges Nachrangdarlehen eine sechsprozentige Mindestverzinsung plus möglicher Bonuszahlungen.

Das Unternehmen versucht Hotels mit Auslastungsproblemen zu unterstützen. Und zwar indem es im Gegenzug für Gutscheine, die Greenstorm über eine Plattform verkauft und so zu einer höheren Gästefrequenz beitragen soll, die Hotels mit modernen E-Bikes und E-Cars ausstattet – was wiederum für die Gäste einen Mehrwert darstellt. "Der Bekanntheitsgrad von Greenstorm wurde enorm gesteigert", sagt der geschäftsführende Gesellschafter Richard Hirschhuber über die Crowdinvestingkampagne.

Gutes Geschäft mit Hotels

Einen klar dickeren Fisch hat sich die Plattform Finnest mit der Falkensteiner Michaeler Tourism Group an Land gezogen. Die 32 Häuser zählende Hotelgruppe, darunter das bekannte Schlosshotel Velden, ist gewissermaßen Wiederholungstäter. Im Jänner wurde bereits die zweite, jeweils 2,5 Millionen Euro schwere Crowdinvestingkampagne abgeschlossen, für die das Unternehmen vier Prozent als Verzinsung bietet. Wer sich diese gewissermaßen in Naturalien wie Gutscheinen für Übernachtungen vergüten lässt, erhält einen 50-prozentigen Aufschlag, also sechs Prozent auf das eingesetzte Kapital.

"Wir machen Anleger zu Gästen und Gäste zu Anlegern", schwärmt Firmenchef und Miteigentümer Otmar Michaeler. Fast zwei Drittel der Geldgeber hätten die Gutscheinvariante gewählt. Sein Urteil über Crowdinvesting: "Es war die richtige Entscheidung, auf diese Form der Finanzierung zu setzen." (Alexander Hahn, 12.2.2018)