Beim Hackathon, einer Wortschöpfung aus Marathon und "Hack", mussten Geflüchtete eine Programmieraufgabe binnen 24 Stunden lösen.

Foto: Refugees Code

Wien – Es herrscht aufgeregte Stimmung in der Nordbahnhalle. In dem Gebäude im zweiten Wiener Gemeindebezirk lassen zwischen Zuggleisen, Wohnhäusern und vertrockneten Sträuchern 20 Geflüchtete das Wochenende Revue passieren. Sie haben erstmals an einem Hackathon teilgenommen. Das ist eine Softwareentwicklungsveranstaltung, bei der Programmierer versuchen, innerhalb einer gewissen Zeit eine vorgegebene Problemstellung zu lösen.

Für die Geflüchteten war es die erste eigenständige Programmiererfahrung. Sie lernen im Rahmen einer Ausbildung des Start-ups Refugees Code in einem neunmonatigen Programm verschiedene Programmiersprachen wie etwa Scratch, Python oder Java-Script.

Forbes-Liste erobert

"Derzeit haben wir 20 Personen in unseren Kursen", erzählt Gründer Stefan Steinberger. Der 29-Jährige hat das Start-up 2016 zusammen mit zwei Kollegen ins Leben gerufen. Mittlerweile hat es das Trio in die Forbes-Liste der dreißig spannendsten Persönlichkeiten unter 30 in der Kategorie "soziale Unternehmer" geschafft.

Die Idee war damals recht simpel, erinnert sich Steinberger: "Viele Geflüchtete waren auf Jobsuche, und jeder hat Programmierer gesucht." Begonnen hat alles auf der Technischen Universität Wien, wo Studierende Computerkurse für Geflüchtete angeboten haben. Schüler konnten dabei in sechs Unterrichtsstunden pro Woche die Grundlagen des Programmierens kennenlernen. Anfangs war das Programm noch kein großer Erfolg: Viele der Geflüchteten hatten andere Verpflichtungen wie Deutschkurse oder AMS-Schulungen und konnten nicht alle Termine wahrnehmen. "Es gab zu viele Hindernisse", sagt Steinberger. Letztlich wurde nur eine Handvoll derer an Unternehmen weitervermittelt.

Zertifikat von Harvard

Für den im Herbst gestarteten Anlauf wurde der Lehrgang deshalb "komplett umgekrempelt". In einem Auswahlverfahren wurden 20 Geflüchtete aus 140 Bewerbern ausgewählt, sie stammen größtenteils aus Syrien, Irak und dem Iran. Von der Technischen Universität ist Refugees Code in die Nordbahnhalle umgesiedelt, wo die Schüler nun 40 Stunden pro Woche unterrichtet werden. Das Start-up ist dabei auch auf Sponsoren angewiesen, die beispielsweise Laptops für den Unterricht zur Verfügung stellen. Mittlerweile konnte zumindest ein Teil der Trainer angestellt werden, sagt Steinberger. Einige Mitarbeiter sind jedoch nach wie vor ehrenamtlich am Projekt beteiligt.

Die Basis für das Programm bildet ein Onlinekurs der US-Universität Harvard. Zusätzlich sind zwei Trainer pro Einheit vor Ort, um den Teilnehmern zur Seite zu stehen. Werden alle Voraussetzungen erfüllt, erhalten die Geflüchteten ein Zertifikat der Elite-Universität.

AMS erkennt Ausbildung an

Seit Herbst erkennt das Arbeitsmarktservice den Kurs als Ausbildungsmaßnahme an und finanziert ihn über Einzelkostenförderungen. Das bedeutet, dass die Geflüchteten währenddessen an keinen anderen AMS-Schulungen teilnehmen müssen und die Mindestsicherung erhalten. Wer teilnimmt, kann sich Refugees Code dennoch selbst aussuchen. Dadurch soll die Abbruchquote verringert werden. Bisher ist das auch gelungen: Lediglich ein Teilnehmer des aktuellen Jahrgangs hat den Kurs frühzeitig verlassen, der Afghane wurde von einem heimischen IT-Konzern abgeworben.

Ob die Personen bereits Vorerfahrungen im Programmieren mitbringen, sei für das Programm nebensächlich, sagt Steinberger: "Am wichtigsten für uns ist die Motivation." Deshalb ist der aktuelle Jahrgang auch bunt durchmischt: Neben Sozialwissenschaftern sitzen Musiker und Piloten in den Kursen. Die Teilnehmer haben alle zumindest die Matura abgeschlossen, meint der Gründer, der Großteil hätte auch ein Studium in der Tasche: "Es ist schon eher ein Programm für gut Ausgebildete."

Kaum Frauen

Auch Frauen sind in den Kursen kaum zu finden, nur drei der 20 Teilnehmer sind weiblich. Ab 2019 will Refugees Code deshalb weitere Lehrveranstaltungen nur für Frauen anbieten: "Man merkt, wie gut ihnen das tut", sagt Steinberger. An den Kursen sollen auch Österreicherinnen teilnehmen, um die Integration zu fördern.

"Unser klares Ziel ist die Jobvermittlung", sagt Steinberger. An dem Programm nehmen derzeit nur Personen mit einer aufrechten Arbeitserlaubnis teil. Das Start-up versucht die Teilnehmer nach den Kursen in Firmen unterzubringen. Für erfolgreich platzierte Programmierer verrechnet Refugees Code den Unternehmen eine Vermittlungsgebühr. Steinberger ist zuversichtlich, für den Großteil der Absolventen des diesjährigen Jahrgangs einen Job zu finden.

Das nächste Auswahlverfahren findet im Herbst statt. (Nora Laufer, 11.2.2018)