Vizekanzler Heinz-Christian Strache will nicht gesagt haben, dass der Kosovo "zweifelsohne ein Teil Serbiens" sei.

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Prishtina/Belgrad/Wien – Mitarbeiter von Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache haben am Sonntagnachmittag dementiert, dass Strache in einem Interview mit der Belgrader Tageszeitung "Politika" den Kosovo als "einen Teil Serbiens" bezeichnet hat. Die Zeitung hatte mit diesem Titel aufgemacht und das Zitat auch im Interview selbst abgedruckt.

Strache-Sprecher Martin Glier erklärte der APA, dass Strache das in diesem Interview nicht gesagt habe. Österreich habe "den Kosovo als eines der ersten Länder anerkannt und ist seit damals ein tatkräftiger Unterstützer des Kosovo. Österreich unterstützt die europäische Perspektive sowohl Serbiens als auch des Kosovo. Das ist die Linie der Bundesregierung, und daran wird sich nichts ändern".

Strache selbst hat jedoch auf seinem persönlichen Facebookprofil einen Artikel der Kronenzeitung über das Interview kommentarlos gepostet.

Unabhängigkeit des Kosovo "Faktum und Realität"

Ein Mitarbeiter des Vizekanzlers betonte, dass Strache damals als Oppositionschef die Unabhängigkeit des Kosovo kritisiert habe und nicht der gleichen Meinung wie die österreichische Regierung gewesen sei. Es sei aber "Faktum und Realität, dass der Kosovo unabhängig ist und dass Österreich den Kosovo anerkannt hat".

Beim Nordkosovo sei Strache der Meinung, dass man einen Kompromiss finden müsse für die dortige serbische Minderheit mit einem Autonomiestatus etwa nach dem Modell Südtirols. Österreich sollte als neutraler Vermittler fungieren und für den langfristigen Frieden am Balkan einen Beitrag leisten, dass Serbien und der Kosovo einander näherkommen.

Druck auf Serbien der falsche Weg

Strache verwies in dem nun umstrittenen Interview darauf, dass seine Partei vor Jahren die Anerkennung des Kosovo durch Österreich scharf kritisiert hatte. Sie sei nun eine Tatsache, die nicht geändert werden könne. Er sei auch der Ansicht, dass die Anerkennung des Kosovo durch Serbien eine Angelegenheit Serbiens sei, wurde Strache zitiert. Es wäre der falsche Weg, in diesem Sinne Druck auf Serbien auszuüben. Österreich solle als neutrales Land eine Vermittlerrolle übernehmen.

Kosovo "sehr rücksichtslos"

Laut der Zeitung bezeichnete Strache auch das Recht der im Norden des Kosovo lebenden Serben "auf Selbstbestimmung oder Autonomie" als "wünschenswert". Dafür wären allerdings lange und komplizierte Verhandlungen notwendig. Auch habe er das Gefühl, dass der Kosovo in dieser Frage "sehr rücksichtlos" sei.

Die EU-Kommission hatte Serbien in der Vorwoche eine Beitrittsperspektive für 2025 in Aussicht gestellt. Voraussetzung wäre unter anderem ein rechtlich bindendes Abkommen mit dem Kosovo. Serbien lehnt es derzeit ab, die im Februar 2008 verkündete Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen.

Strache lobt Serbien und Serben

Strache soll am Montag in Belgrad mit Ministerpräsidentin Ana Brnabić, dem Minister für Lokalverwaltung, Branko Ruzić, und Außenminister Ivica Dačić zusammentreffen. Ob auch ein Treffen mit Präsident Aleksandar Vučić auf dem Programm steht, war zunächst nicht bekannt. Der serbische Präsident wird am Montag zu einem zweitägigen Besuch in Kroatien erwartet.

Serbien sei einer der wichtigsten Staaten in der Region und bürge für Frieden und Stabilität, die Beziehungen Österreichs zu Serbien seien bereits jetzt gut und müssten weiterentwickelt und vertieft werden, sagte Strache der Belgrader Zeitung. Er lobte auch die Integration der serbischen Diaspora in die österreichische Gesellschaft, die ihren Beitrag zu einer guten Gegenwart und Zukunft Österreichs leiste.

Außenministerin: Anerkennung bleibt

Außenministerin Karin Kneissl, die mit einem FPÖ-Ticket zu ihrem Posten kam, widersprach Strache: "Die Anerkennung des Kosovo durch Österreich ist eine unumstößliche Tatsache. Das kann nicht geändert werden", ließ sie der "Presse" mitteilen.

Karas "sprachlos"

Der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, hat die Aussagen Straches – vor dem Dementi aus dem Büro des Vizekanzlers – scharf kritisiert, "diese neue Attacke gegen die Friedensordnung am Westbalkan" mache ihn "fassungslos und sprachlos".

Wenn Strache bei seinem Besuch in Belgrad am Sonntag und Montag "offizielle Termine in seiner Funktion als Vizekanzler wahrnimmt, muss er die offizielle Linie Österreichs und die Politik der EU vertreten" so Karas.

Gamon: FPÖ kann "nicht vom Zündeln am Balkan lassen"

Auch Neos-Europasprecherin Claudia Gamon kritisierte Strache vor dem Dementi: "Der Vizekanzler und seine Partei können nicht vom Zündeln am Balkan lassen. Dass Strache als Vizekanzler die Position der Republik in Frage stellt und eine Einigung zwischen Belgrad und Pristina hintertreibt, ist vollkommen inakzeptabel und befeuert den Konflikt zwischen den beiden Nachbarn", so Gamon. Die EU-Kommission habe klar gestellt, dass Serbien eine Lösung mit seinem Nachbar Kosovo finden müsse, bevor es Mitglied der Union werden kann.

Paneuropäische Bewegung: "Fassungsloses Kopfschütteln"

Die Paneuropabewegung Österreich teilte in einer Aussendung mit, sie reagiere "mit fassungslosem Kopfschütteln" auf die Aussagen Straches, der "sichtlich manche Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit verschlafen" habe und "außenpolitisch nicht im hier und jetzt" lebe. "Die Unabhängigkeit der Republik Kosovo wurde von Österreich und weiteren 143 Staaten anerkannt" und sei "eine logische Konsequenz der Unterdrückung der albanischen Mehrheit in diesem Gebiet durch das diktatorische Regime des Slobodan Milosevic" gewesen, betonte Rainhard Kloucek, Generalsekretär der Paneuropabewegung Österreich, in der Aussendung. Laut der Bewegung können die Aussagen Straches "nur als Torpedierung der Friedensbemühungen gedeutet werden". (APA, 11.2.2018)