Die Sängerinnen Ursula Pfitzner und Kristiane Kaiser beim Interview.

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So werden sie bald auf der Bühne zu sehen sein: als Freundinnen, die ihre Männer auf die Probe stellen.

Foto: Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Wien – Der Opernball findet in diesem Jahr in der Wiener Volksoper statt, und zwar in der Fastenzeit. Das ist kein Faschingsscherz, nein: Richard Heubergers gleichnamige Operette hat dort am kommenden Samstag Premiere. Regisseur Axel Köhler verlegt die Handlung zudem vom Paris des Fin de Siècle ins Wien der Gegenwart. Die Staatsoper, so erfährt man am Beginn der Aufführung, hat den Ball abgesagt, die Veranstaltung findet jetzt in der Wiener Volksoper statt. Das Motto lautet: "Frei, ja frei sei die Liebe!"

Die Handlung der 1898 im Theater an der Wien uraufgeführten Operette ist eine Art umgekehrtes Così fan tutte: Zwei Frauen wollen den Beweis antreten, dass ihre Ehemänner untreu sind. Bei der Volksoper übernehmen zwei renommierte Hauskräfte diesen überschaubar schweren Job: Kristiane Kaiser und Ursula Pfitzner sind Angelika Wimmer und Margret Pappenstiel. Was treiben die beiden denn da so?

"Ich komme mit meinem Mann aus Klagenfurt auf Besuch nach Wien zu meiner alten Jugendfreundin, und wir kommen hier ein bisschen auf dumme Ideen", erzählt Kristiane Kaiser über die treugläubige Angelika. "Ich führe eine moderne Ehe", erklärt Ursula Pfitzner ihre Familiensituation, "aber in einem Gespräch haben wir spontan die Idee, dass wir unsere Männer auf die Probe stellen."

Durch das Hausmädchen Helene, die in dem Verwirrspiel auch noch mitmischt, entstehen aber auch für die zwei Ehefrauen ungeplante Turbulenzen. "Da kennen wir uns plötzlich auch nicht mehr aus", sagt Pfitzner. Das heitere Verwirrspiel läuft aus dem Ruder, und die zwei Damen sind plötzlich böse aufeinander. "Aber es passiert ja nicht wirklich etwas in dem Stück", resümiert Kaiser. "In der Fledermaus geht's ein bisschen weiter, da geht es an die Grenze; hier bleibt alles immer Unterhaltungstheater."

Umkehr der Machtverhältnisse

In der Operette ereignet sich ja oft eine kurzfristige Umkehr der Machtverhältnisse, in Heubergers Opernball führen selbstbewusste Ehefrauen ihre Männer an der Nase herum. Wird dieser Effekt, der anno 1898 noch eine prickelnde, fast revolutionäre Note hatte, nicht abgeschwächt, wenn man die Handlung ins Vorstadtweiber-Wien der Gegenwart verlegt, wo sich Untreue gegenüber dem Partner in fast schon notorischer, inflationärer Weise ereignet? "Die Moral war in der Vergangenheit natürliche eine andere", stimmt Kaiser zu. Pfitzner sieht es nicht ganz so: "Wahrscheinlich hat man es damals auch gemacht", meint die Wienerin. "Die Frauen waren sicher auch nicht alle Engel. Aber man hat halt nicht darüber geredet."

Kaiser und Pfitzner empfinden Heubergers Opernball auch als eine Hommage an französische Komponisten: an Georges Bizet, an Jacques Offenbach. Das Stück spielt ja ursprünglich in Paris, "und in Frankreich geht man mit diesem Thema ganz anders um", meint Kristiane Kaiser: "leichter, spielerischer. Ohne diese moralischere Schwere, die es hier hat."

Gegenläufige Figurenentwicklungen

Kaiser singt an der Volksoper hauptsächlich und viel und sehr gut große Oper: etwa die Mimì in La Bohème, die Liù in Turandot. Und wenn sie im Haus am Währinger Gürtel wieder einmal die Violetta Valéry in Hans Gratzers Traviata-Inszenierung gibt, dann sollte man sich das unbedingt anschauen. Ist so ein Ausflug in das sonnenbeschienene Reich der Operette eine angenehme Aufheiterung nach dem hundertsten hochtragischen Bühnentod? "Ja. Und es ist – in diesem Fall – auch gesanglich entspannender. Es ist natürlich auch eine wunderschöne Musik." Wobei Kaiser und Pfitzner den schönsten Ohrwurm des Stücks – Gehen wir ins Chambre séparée – ja leider nicht singen dürfen.

Für Pfitzner, die vor ihrer Gesangskarriere auch als Regieassistentin gearbeitet hat, sind Operetten ein gewohnt-geliebtes Terrain: Sie war an der Volksoper schon die Gräfin Mariza, die Hanna Glawari, die Fledermaus-Rosalinde und die Rösslwirtin. Und sie hat hier auch die naive Angèle gegeben. Welche Rolle taugt ihr mehr? "Die Angèle ist als Charakter doppelbödiger, sie ist hin- und hergerissen zwischen Aufregung und Angst. Diese Figur hat vielleicht etwas mehr Farben als die Margret, die insgesamt souveräner ist." Kaiser findet, dass die beiden Figuren gegenläufige Entwicklungen durchmachen: "Die Angelika entwickelt sich von der Naiven zur Aufgeschlosseneren, und die Margret findet eher wieder näher zusammen mit ihrem Mann."

Erfrischende Partnerwechsel

Kaiser und Pfitzner sind seit 14 bzw. seit zwölf Jahren im Ensemble der Wiener Volksoper. Was schätzen sie daran? Pfitzner mag es, dass man die Kollegen, mit denen man zusammenspielt, sehr gut kennt. "Da entstehen bei den Proben oft spontan Dinge, die ein Regisseur vielleicht gar nicht auslösen kann."

Beide haben Kinder, wohnen in Wien und schätzen es, vor Ort tätig sein zu können. "Das Ensemble ist relativ groß, man muss nicht alles singen", meint Kaiser. Die Doppelbesetzung der großen Partien sieht sie auch als Vorteil: "Man trifft nicht ständig auf den gleichen Tenor ...", meint die Sopranistin augenzwinkernd.

Auch Pfitzner schätzt den Wechsel der Bühnenpartner: "Jeder agiert ein wenig anders, das Tempo der Dialoge verzögert oder beschleunigt sich, die Chemie verändert sich ... Und das ist oft genau das, was das Besondere einer Aufführung ausmacht." Sogar das eigene Atmen würde sich dem Bühnenpartner anpassen: "Wenn man mit einem eher schweren Tenor singt, dann ist das anders als bei einem leichten."

Kritischer Blick auf #MeToo

Die in den Zeiten von #MeToo unvermeidliche Frage: Gab es in den Karrieren von Kaiser und Pfitzner ungute Momente, Situationen des Übergriffs? Es hätte mal ein seltsames Statement von einem Bühnenpartner gegeben, meint Pfitzner: "Aber das haben wir dann sofort geklärt." Generell sieht sie die Debatte auch kritisch: "Wenn das weiter ausufert, Alte Meister abgehängt und Opernhandlungen umgeschrieben werden, dann geht das für mich in die falsche Richtung." Kristiane Kaisers Erinnerungen: "Wenn ich eine Tendenz in diese Richtung gespürt habe, habe ich immer abgeblockt."

Die Zukunftspläne? Pfitzner freut sich auf eine "ganz tolle" neue Partie an der Volksoper in der nächsten Saison, darf aber noch nicht sagen, auf welche. Und Kristiane Kaiser singt in der kommenden Spielzeit an der Oper in Köln ihre erste Salome. Da wird die Wienerin wieder eine Frau sein, die die Männer komplett in ihrer Hand hat. (Stefan Ender, 12.2.2018)